Hannover. Mit einem Steuermodell und einer Regierungserklärung will Ministerpräsident Stephan Weil Führung und Präsenz zeigen.

Dass es um Wahlkampf gehe, wies Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstag bei einer Pressekonferenz im vornehmen Gästehaus der Landesregierung im Zooviertel von Hannover entschieden zurück.

Doch dass Weil zwei Tage nach dem Wahlschock von Nordrhein-Westfalen mit dem Präsentieren eines Steuerreform-Modells sowie einer Regierungserklärung im Landtag zumindest dem eigenen Lager den Eindruck vermitteln wollte, dass zwischen Küste und Harz kein Torsten Albig und auch keine Hannelore Kraft am Ruder ist, war offensichtlich.

Mochte es also nicht um Wahlkampf gehen, so ging es doch um Wahlen. Im Januar 2018 sind die Niedersachsen aufgerufen zu entscheiden, wie es weitergeht. „Die Not bei Ihnen muss groß sein, Rot-Grün wird langsam zum Auslaufmodell“, spottete der CDU-Haushaltspolitiker Reinhold Hilbers im Landtag. „Die Gemeinsamkeiten dieser Landesregierung sind längst aufgebraucht“, hatte der FDP-Landesvorsitzende und Ex-Umweltminister Stefan Birkner zum Wochenbeginn erklärt. Birkner, ein Jurist, hat den Vorteil, dass seine Äußerungen grundsätzlich unglaublich seriös klingen.

Nun sind Illustrierten-Homestories, in denen sich der Ministerpräsident über mangelnde Gesprächs-Augenhöhe seiner Ehefrau durch unterschiedliche Lebenswelten auslässt, bei Weil nicht zu befürchten. Probleme hängt Weil dagegen wie Kraft – wenn auch geschickter und beiläufiger als die Parteifreundin – gern sehr niedrig. Seine „Regierungserklärung“ im Landtag zur Haushalts- und Finanzpolitik etwa war kaum mehr als ein Verlesen von vermeintlichen Erfolgsmeldungen. Dass Niedersachsen die Instandhaltung des Landeseigentums – von Straßen bis Universitäten – wichtiger findet als den Abtrag des Schuldenbergs, hatte Landesfinanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) schon wiederholt durchblicken lassen. „Ich halte dieses Ziel offen gestanden für wichtiger als die Tilgung von Altschulden“, gab Weil nun im Landtag ganz offiziell zu Protokoll. Viel deutlicher und ungenierter als Weil räumte Grünen-Fraktionschefin Anja Piel in der Debatte um die Haushaltspolitik ein, dass die rot-grüne Regierung durch hohe Einnahmen und niedrige Zinsen einfach auch Glück gehabt habe. CDU-Mann Hilbers hielt Weil als Beispiel für schlechtes Regieren vor, dass die Koalition zwar eine Geschäftsstelle zur sogenannten Aufgabenkritik eingerichtet habe – unter diesem Stichwort forsten Regierungen ihre Verwaltungen und Strukturen systematisch auf Unnötiges und Reformbedürftiges durch. Niedersachsen habe das dann allerdings einfach ausfallen lassen, so Hilbers. Der FDP-Landesvorsitzende Birkner wiederum hatte der Regierung im Vorfeld der Landtagssitzung Chaos bei Gesetzesvorhaben vorgeworfen. Auch der Termin für Weils Regierungserklärung wurde auf Bitten der Staatskanzlei hin- und hergeschoben. Umwelt- und Wirtschaftsministerium befänden sich politisch in „offener Feldschlacht“, hatte Birkner am Montag unter Verweis auf Themen wie Dieselmotoren weiter gesagt. Birkner hatte bei diesem Pressegespräch in einem landtagsnahen Café einer rot-grün-gelben „Ampel“ nach der Landtagswahl in Niedersachsen eine deutliche Absage erteilt. Dass sich die FDP nicht als Erfüllungsgehilfe für rot-grüne Politik hergeben werde, hatte der FDP-Mann schon länger betont. Der Unmut über die Art des rot-grünen Regierens scheint aber bei der FDP zunehmend tiefer zu sitzen – so tief, dass es Birkner möglicherweise sogar ernst meint. Engstirnig und ideologisch seien die Niedersachsen-Grünen, schimpfte Birkner über die Partei. Dabei hat die Grünen-Fraktion im Landtag durchaus gute Leute.

Für Weil ist das alles wenig erfreulich. Dank der Pleiten und Pannen kann sogar ein alter CDU-Haudegen wie Ex-Innenminister Uwe Schünemann wieder Frühlingsgefühle genießen. Dabei geht es um Internet-Seiten für Standortmarketing, eigentlich keine große Sache. Hier hatte Niedersachsens Wirtschafts-Staatssekretärin Daniela Behrens offenbar persönlich Sorge getragen, dass eine bestimmte Agentur einen Auftrag bekam. Schünemann sprach von einem fingierten Vergabeverfahren. „Ich an der Stelle des Ministers würde Sie sofort entlassen“, sagte Schünemann, als die Staatssekretärin dem zuständigen Landtagsausschuss Rede und Antwort stand. Wenigstens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) geriet so für ein paar Tage etwas aus der Schusslinie. Auch an ihr hält Weil fest. In Interviews lobt er die Erfolge in der Bildungspolitik – insbesondere das Zurück zum G9-Abitur. Heiligenstadt war für G8.

In der abgeschirmten Welt des Gästehauses lief die Präsentation des Steuermodells („Niedersachsen-Tarif“) besser als die Landtagsdebatte. Dass die CDU von einem „Schnellschuss“ sprach, kann Weil verschmerzen. Das Modell bemühe sich um Maß und Mitte, sagte er. So kennt man den Niedersachsen. Es funktioniert aber nur ohne „Soli“.