Wolfsburg. Die Landesregierung verweist auf Forderungen nach klareren Gehaltsegeln. Aktionäre vermissen Transparenz.

Für Volkswagen würde es das Fass zum Überlaufen bringen: Kaum vorstellbar, was eine neue Affäre um Zahlungen an Betriebsräte bedeuten würde. Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert musste wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue ins Gefängnis. Und knapp zehn Jahre nach diesem Urteil steckt der Konzern wegen des Abgas-Betrugs schon jetzt in der tiefsten Krise seiner Unternehmensgeschichte.

Nach Volkerts Rücktritt übernahm 2005 Bernd Osterloh die Führung des Konzernbetriebsrates. 1977 hatte der gelernte Industriekaufmann im Wolfsburger Werk als Arbeiter begonnen. Es folgte eine typische VW-Karriere – auf der „hellen Seite der Macht“, wie Osterloh es nennt. 1982 wurde er laut Munzinger-Archiv zum Vertrauensmann der IG Metall gewählt, sieben Jahre später stieg er demnach ins Führungsgremium der Gewerkschaft auf. 1990 kam Osterloh schließlich in den Betriebsrat.

Heute gilt er nicht nur als der mächtigste Betriebsratschef, sondern auch als Co-Manager des Autobauers. 60 bis 70 Stunden pro Woche dürfte er arbeiten, Wochenend-Termine gehören dazu. Wie viel darf so jemand verdienen? Die Staatsanwaltschaft hat nach Informationen unserer Zeitung zumindest den Anfangsverdacht, dass die Personalchefs von Volkswagen Osterloh ein zu hohes Gehalt gewährten. Volkswagen und der Betriebsratschef selbst sind überzeugt, dass die Höhe den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD), die für Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat sitzen, wollten sich am Freitag mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. „Grundsätzlich aber sind für eine Interessenvertretung in einem internationalen Großkonzern wie Volkswagen Fähigkeiten erforderlich, die mit den an Manager gestellten Anforderungen vergleichbar sind“, teilte am Abend ihre Sprecherin mit. Nach allgemeiner Einschätzung sei die betriebliche Interessenvertretung bei VW in den vergangenen Jahren besonders erfolgreich gewesen. „Dies ist sicher auch und gerade auf die Arbeit von Bernd Osterloh zurückzuführen“, heißt es weiter.

Aufgrund der neuen Diskussion erinnerten Weil und Lies daran, dass Industrie, Gewerkschaften sowie Arbeitsrechtler seit Längerem forderten, die Regelungen zur Bezahlung von Betriebsräten im Betriebsverfassungsgesetz zu konkretisieren. „Für alle Beteiligten wäre es besser, wenn hier eine größere Klarheit hergestellt würde.“

Das würden wohl auch andere Aktionäre begrüßen. Immer wieder wurden auf den Hauptversammlungen von VW die Betriebsratsgehälter thematisiert. An diesem Mittwoch regte ein Anleger an, diese zumindest in anonymisierter Form offenzulegen – wie es andere Konzerne tun. Personalchef Karlheinz Blessing, der auch im Visier der Staatsanwaltschaft steht, erteilte ihm jedoch eine Absage: „Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte, dazu zählen Gehälter.“

Dass einige Arbeitnehmervertreter sich nicht allzu gerne in die Karten schauen lassen, zeigt auch der Unmut, den offenbar eine interne Prüfung auslöste. Wie im Januar am Rande eines Arbeitsgerichtsprozesses bekannt wurde, wollte die Konzernrevision den Betriebsrat unter die Lupe nehmen – laut Betriebsratsgeschäftsführer Marco Wittek zum ersten Mal. Eine Liste mit mehreren Punkten würden die Kontrolleure nun abarbeiten.

Bei der Prüfung der Kostenstellen des Betriebsrats gehe es darum, ob das Betriebsverfassungsgesetz eingehalten wurde. Dies erscheint nun angesichts der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in einem neuen Licht.

Die Konzernrevision kündigte die Untersuchung laut Wittek im vierten Quartal 2016 an – da saß Ethikchefin Christine Hohmann-Dennhardt noch im Vorstand. In Wolfsburg heißt es, sie habe sich beim Betriebsrat unbeliebt gemacht, unter anderem weil sie die Prüfung anordnete. Kurz danach musste sie den Konzern verlassen.