Braunschweig. Laut Kriminologe Pfeiffer gilt: Je fremder der Täter, umso eher greift die Polizei ein.

Die Zahlen, die Innenminister Thomas de Maizière am Montag vorgestellt hat, alarmieren: Zuwanderer werden viel häufiger straffällig. Der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer aber rät dringend dazu, die Zahlen einzuordnen. Andre Dolle sprach mit ihm.

Die Kriminalstatistik zeigt: Es gibt wesentlich mehr Anzeigen gegen Zuwanderer. Woran liegt das?

Wir haben ein grundsätzliches Problem beim Blick auf kriminelle Zuwanderer: Wenn Max von Moritz attackiert wird, liegt die Anzeigequote bei 13 Prozent. Wenn Max aber von Mehmet angegriffen wird, steigt sie auf 27 Prozent.

Wie ist das zu erklären?

Generell gilt: Je fremder ein Angreifer ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass er angezeigt wird. Mit einem, der die selbe Sprache spricht, der aus derselben ethnischen Gruppe kommt, da findet man einfacher Lösungen. Da kann man regeln, wer die kaputte Jacke bezahlt. Wenn Mehmet von Mesut attackiert wird, liegt die Anzeigequote auch nur bei zehn Prozent. Wird Mehmet von Igor attackiert, steigt sie auf 28 Prozent. Das haben wir durch Opferbefragungen herausgefunden. Wir wissen daher, dass die Zahl der Anzeigen gegen Fremde mehr als doppelt so hoch ist wie bei Tätern aus derselben ethnischen Gruppe.

Wie steht es um deutsche Täter?

Deutsche haben ein Privileg. Sie haben das niedrigste Risiko, angezeigt zu werden. Wenn Mehmet von Moritz angegriffen wird, liegt die Quote nur bei 13 Prozent. Warum? Weil die Mehmets glauben, dass sie mit ihrer Sicht der Dinge bei der deutschen Polizei gegen einen Deutschen keine Chance haben, durchzukommen.

Demnach dürften Flüchtlinge noch größere Probleme haben.

So ist es. Flüchtlinge sprechen häufig kein Deutsch. Mit dem Türken kann man reden, mit dem Afghanen oder mit dem Flüchtling aus Nordafrika gelingt das seltener. Flüchtlinge haben das höchste Anzeigerisiko. Das muss berücksichtigt werden. Die Taten finden statt. Wenn die Sicherheitsbehörden und die Politik den Unterschied zu den Einheimischen aber allzu sehr betonen, entsteht ein verzerrtes Bild.

In den vergangenen Jahren sind viele junge Männer nach Deutschland geflüchtet. Wie wirkt sich das auf die Kriminalstatistik aus?

Junge Männer sind völlig unabhängig von ihrer Nationalität die größte Risikogruppe bei Gewalttaten. 2014 machten junge Männer zwischen 14 und 30 Jahren nur neun Prozent der Menschen in Deutschland aus. Sie begingen aber 60 Prozent der Gewalttaten. Unter den 1,2 Millionen Flüchtlingen in Deutschland aber sind 37 Prozent junge Männer. Es ist logisch, dass für diese Gruppe eine höhere Kriminalitätsrate besteht.

Gibt es unter den Flüchtlingen Unterschiede?

Ja, die Nordafrikaner haben mit 60 Prozent den höchsten Anteil an jungen Kerlen. Das hat mit den Zufahrtswegen zu tun. Den Weg über das Mittelmeer trauen sich häufig nur junge Kerle zu. Auf dem Landweg, aus Osteuropa etwa, setzten sich Familien ins Auto. Bei Syrern haben wir 30 Prozent junge Männer. Hinzu kommt: Nordafrikanern wurde nach einer gefährlichen Überfahrt nach Deutschland gleich gesagt: „Wir wollen euch nicht.“ Das hat zu Frustreaktionen wie in der Silvesternacht 2016 in Köln geführt. Nordafrikaner sind in der Kriminalstatistik extrem überrepräsentiert. Kriegsflüchtlinge, die bei uns bleiben dürfen, sind hingegen oft brav. Braunschweigs Kripo-Chef Ulf Küch hat das in seinem viel beachteten Buch herausgearbeitet.

Was folgern Sie daraus?

Wir müssen die Mittel für eine freiwillige Rückkehr der Nordafrikaner drastisch erhöhen.

Sie reden von einer Art Handgeld?

Man muss ihnen mindestens so viel Geld geben, wie sie bezahlt haben, um nach Deutschland zu kommen. Ich denke an 5000 Euro plus Flugticket. Man muss bedenken: Die Kriminalität dieser Gruppen kostet viel mehr.

Das klingt alles sehr nachvollziehbar. Die Zunahme tatverdächtiger Zuwanderer um 52 Prozent birgt dennoch politischen Sprengstoff.

Gott sei Dank sagt Innenminister de Maizière dies völlig ungeschminkt. So muss es sein. Wir brauchen diese Debatte jetzt, aber bitte nicht mitten im Wahlkampf.

Was muss sonst noch passieren?

Wir haben eine importierte Machokultur. Diese ist bei denen stark ausgeprägt, die im Ausland geboren wurden. Wir haben im Gegensatz dazu einen kulturellen Lernprozess bei denen, die bei uns aufwachsen. Bei denen, die aus arabischen Ländern zu uns kommen, muss das Problem in Integrationskursen in Angriff genommen werden. Sie müssen begreifen, dass wir anders ticken. Bei uns ist die Gleichberechtigung zentral. Die Auseinandersetzung wird zu zurückhaltend betrieben.