Braunschweig. Bisher galt vor allem der Holzbock als Überträger der Hirnhautentzündung. Die Biologin Dania Richter warnt aber vor Panikmache.

Unsere Leserin Gudrun Kröhl aus Bechtsbüttel fragt:

Wie gefährlich sind Zeckenbisse, was sind die Folgen, und was kann man dagegen tun?

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Dass der weit verbreitete Gemeine Holzbock Krankheiten übertragen kann, ist schon lange bekannt. Nun berichten Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart, dass auch Auwaldzecken das FSME-Virus übertragen können.

„Meine Studenten haben Auwaldzecken im Raum Cremlingen eingesammelt.“
„Meine Studenten haben Auwaldzecken im Raum Cremlingen eingesammelt.“ © Dr. Dania Richter, Biologin am Institut für Geoökologie der TU Braunschweig

„Dieses Virus kann die Frühsommer-Meningoenzephalitis, eine Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute, auslösen“, erklärt Professor Andrea Kröger, Leiterin der Arbeitsgruppe Angeborene Immunität und Infektion am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Eine solche Enzephalitis verläuft häufig dramatisch, sie kann chronisch werden und unter anderem Lähmungen hervorrufen. Es existiert zwar eine Impfung gegen das Virus, die unter anderem Waldarbeitern und Bewohnern von Risikogebieten empfohlen ist, eine Behandlung für die Krankheit gibt es aber nicht.

Allerdings sind solche schweren Fälle selten. „Bei 30 Prozent der Infizierten treten grippeähnliche Symptome auf. Von denen entwickelt wiederum etwa jeder Dritte eine schwere Meningoenzephalitis“, sagt Kröger. Dem Robert-Koch-Institut wurden im vergangenen Jahr 344 FSME-Fälle gemeldet, die meisten davon aus Bayern und Baden-Württemberg, wo viele Regionen wegen einer verstärkten Verbreitung des Virus in der Zeckenpopulation als Risikogebiete ausgezeichnet sind.

Aber auch im Norden gibt es Einzelfälle. „Im November gab es einen bestätigten Fall im Klinikum Magdeburg“, berichtet Kröger. In Hannover sei das Virus in Hunden nachgewiesen worden. Breitet sich die Krankheit womöglich nach Norden aus?

Auwaldzecken gibt es immerhin auch in unserer Region, etwa im Harz. „Meine Studenten haben auch schon im Raum Cremlingen Auwaldzecken eingesammelt“, sagt Dania Richter vom Institut für Geoökologie der TU Braunschweig. Dennoch sieht die Biologin und Expertin für die ebenfalls von Zecken übertragene Lyme-Borreliose die aktuellen Meldungen kritisch. Sie warnt vor Panikmache. „Beim gemeinen Holzbock ist in Risikogebieten eines von 100 bis eines von 1000 Tieren mit dem FSME-Virus infiziert. Zum Vergleich: Mit Erregern der Lyme-Borreliose kann bis zu jede dritte Zecke infiziert sein.“

Auwaldzecken sind größer als Holzböcke und seien daher leichter zu entdecken. Auch gehöre der Mensch eigentlich nicht in das Beutespektrum der Auwaldzecke: „Die bevorzugen große Tiere wie Rinder, Wildschweine und Rotwild, aber auch Hunde.“

Außerdem könne das Meldeverfahren zur FSME in die Irre führen. „Bei den Meldungen wird der Wohnort des Patienten angegeben, nicht der Infektionsort“, sagt Richter. Bei den wenigen im Norden gemeldeten Fällen sei es durchaus möglich, dass die Infektion in Süddeutschland, beispielsweise im Urlaub, stattgefunden habe. Für die Einschätzung als Risikogebiet muss daher eine auffällige Häufung von Erkrankungen auftreten. Die Biologin geht davon aus, dass Niedersachsen im Großen und Ganzen weiterhin frei von FSME sei.

Richter kritisiert eine Tendenz zur Übertreibung in der Berichterstattung über die Gefahr durch Zecken. Auch Meldungen über ein „extremes Zeckenjahr 2016“ kann sie nicht bestätigen: „Zecken sind sehr wetterfühlig, ihre Entwicklung ist von Temperatur und Feuchtigkeit abhängig. Und die sind von Region zu Region unterschiedlich.“ In unserer Region sei jedenfalls keine auffällige Vermehrung von Zecken festzustellen.

Dennoch rät die Biologin zu einigen einfachen Schutzmaßnahmen in Wald und Garten. Wer in Zeckengebieten unterwegs sei, sollte die Socken über die Hosenbeine ziehen und seinen Körper regelmäßig nach Zecken absuchen. Ein schnelles Entfernen schütze vor der Ansteckung mit Lyme-Borreliose, da der Erreger etwa einen Tag benötigt, um aus dem Darm der Zecke mit ihrem Speichel ins Blut des Wirts zu gelangen. Das FSME-Virus kann allerdings gleich zu Beginn des Blutsaugens übertragen werden.

Bekannt ist außerdem ein weiterer Übertragungsweg. „Das Virus wurde auch schon in der Milch von Ziegen nachgewiesen“, sagt Andrea Kröger vom HZI. Über den Konsum von Rohmilchprodukten können sich auch Menschen anstecken. Bei Lyme-Borreliose hingegen wirken Ziegen und andere Wiederkäuer schützend. Sie erkranken nicht und zerstören sogar die Erreger in der Zecke, wenn die an ihrem Blut saugt, und unterbrechen damit die Infektionskette.