Wolfsburg. Wolfgang Schreiber leitete Bugatti und Bentley, dann wurde er 2014 freigestellt. Nun verklagt er VW – und fordert jede Menge Geld.

Die Diesel-Affäre ist nicht die einzige Baustelle, die Volkswagen derzeit gehöriges Kopfzerbrechen bereitet. Seit 2015 liegt das Unternehmen mit Wolfgang Schreiber im Clinch. Dabei geht es um Millionen-Forderungen des früheren Top-Managers gegen seinen Arbeitgeber, der ihn im April 2014 freigestellt hat. Einen ersten Erfolg konnte der 56-Jährige am Dienstag vor dem Arbeitsgericht Braunschweig für sich verbuchen.

Im Prozess war Schreiber persönlich geladen. Er berichtete ausführlich aus dem Innenleben des Konzerns, über seine Demission durch den damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, über den Verdacht, den er gegen den ehemaligen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hegt, über sein Verhältnis zu VW-Chef Matthias Müller und den Versuch der früheren Compliance-Chefin Christine Hohmann-Dennhardt, den Riss zwischen ihm und VW noch zu kitten.

Seit 16. Juni 2015 liegt dem Landgericht München I seine Patentklage vor. Schreiber will seine Erfindungen für das Doppelkupplungsgetriebe (DSG), das weltweit millionenfach in Konzernmodellen eingebaut wurde, angemessen vergütet wissen. Laut Medienberichten geht es ihm um mehrere hundert Millionen Euro. „Es gab einen Verhandlungstermin am 20. Juli 2016. Bislang haben die Parteien sich nicht geeinigt. Ein zweiter Verhandlungstermin soll am 26. April stattfinden“, teilte auf Nachfrage unserer Zeitung einer Sprecherin des Landgericht München I mit.

Damit nicht genug: Schreiber verlangt Boni-Zahlungen in Höhe von einer Million Euro, die ihm VW zu wenig überwiesen habe. Dies war der Streitgegenstand im Prozess vor dem Arbeitsgericht Braunschweig. Zuvor war eine Güteverhandlung gescheitert.

Nachdem der Vorsitzende Richter die Klage zusammengefasst hatte, setzte Schreiber zur Rede an. VW würde immer wieder seine Leistungsbereitschaft in Abrede stellen, dies sei völliger Quatsch. „Ich habe 30 Jahre für VW gearbeitet, nicht nur acht Stunden, sondern 12, 13, 14 Stunden am Tag. VW war ein großer Teil meines Lebens.“

Er blickte zurück: Im März 2014 habe Martin Winterkorn ihn zum persönlichen Gespräch nach Wolfsburg gebeten und ihm dort eröffnet, dass er eine andere Aufgabe für ihn finden müsse. Auf Schreibers Nachfrage nach dem Grund, habe der VW-Chef zunächst herumgedruckst, dann gemeint, er, Schreiber, könne nicht repräsentieren, er wäre kein CEO.

Schreiber sagte, im Konzern habe damals die Gerüchteküche gebrodelt. Es hieß, sein Vorgänger bei Bugatti/Bentley, Wolfgang Dürheimer – dieser wurde 2012 im Zuge einer großen Personalrochade im Konzern neuer Technik-Vorstand bei Audi – sollte wieder abgelöst werden. Die direkte Frage, ob für Dürheimer eine Position gefunden werden müsse, habe Winterkorn verneint. Kurz danach kam heraus: Dürheimer sollte ihn tatsächlich beerben.

Schreibers Verdacht: „Das alles hat sich Piëch ausgedacht. Winterkorn hat es lediglich vollstreckt.“ An einer späteren Stelle im Prozess sagte er: „Das Unternehmen hat mir grundlos den Job genommen, die Möglichkeit mich weiterzuentwickeln, die Basis genommen für meine berufliche Karriere. Ich bin 56 Jahre alt. Draußen einen vergleichbaren Job zu finden, ist unmöglich.“

Winterkorn habe ihm die Projektleitung Phaeton oder den Forschungsleiter-Posten angeboten. „Ich war damals Chef von zwei Marken. Beide Posten wären zwei Hierarchiestufen darunter gewesen. Jeder im Unternehmen hätte doch gedacht, ich hätte einen Fehler gemacht.“ In der Folge verhandelte Schreiber mit VW über einen Auflösungsvertrag. Dieser sei im März 2015 unterschriftsreif gewesen. Dann habe Winterkorn von der Patentklage erfahren und sich angeblich geweigert, den Vertrag zu unterzeichnen.

Neue Hoffnung keimte bei Schreiber erst auf, als im Herbst 2015 die Diesel-Affäre Winterkorn bei VW hinaus- und Matthias Müller („wir duzen uns“) auf den Chefposten hochkatapultierte. Dieser selbst habe ihn angerufen und ihm im den Job des Entwicklungsvorstands bei Scania angeboten. „Ich komme aus der Entwicklung“, erklärte Schreiber. „Wenn ein Markenvorstand, so wie ich einer war, wieder ein Entwickler werden soll, dann kann man einen solchen Posten hierarchisch nur vergleichen mit dem eines Entwicklungsvorstands von Volkswagen, Audi oder Porsche – Porsche mit Abstrichen.“ Müller habe ihm darauf geantwortet, eine andere Stelle habe er nicht frei.

Noch einmal sei Schreiber auf Müller zugegangen, um das Gespräch über seine Zukunft bei VW zu suchen. Im Dezember 2016 wollte er sich bei dem Konzernchef einen Termin geben lassen. „Ich wollte Herrn Müller sagen: Matthias, das, was wir hier machen, ist falsch. Aber ich kann nicht anders, wenn ich mein Recht durchsetzen will, muss ich vor Gericht.“ Daraufhin habe sich Compliance-Chefin Christine Hohmann-Dennhardt bei ihm gemeldet. Man verabredete eine außergerichtliche Verhandlung im Januar. „Sie hat das Gespräch sehr professionell und eloquent geführt.“

Schreiber betonte, er sei gewillt gewesen, eine Lösung zu finden. Hätte das Unternehmen ihm eine akzeptable Stelle geboten, hätte man auch eine Lösung im Patentstreit gefunden. Diese Sicht habe Hohmann-Dehnhardt verstanden, so sein Eindruck. Wenige Tage später schied sie aus dem Konzern aus. VW überweist Schreiber bis heute Gehalt (als Bugatti/Bentley-Chef zuletzt 45 000 Euro brutto pro Monat). Bei den Boni-Zahlungen für die Jahre 2012 bis 2015 wurden ihm – seiner Ansicht nach ungerechtfertigt – eine Million Euro abgezogen. Schreiber verteidigte sich: „Das sieht so aus, als ob ich streitsüchtig oder habgierig bin. Quatsch. Ich habe die größte persönliche Niederlage in meinem Leben erlitten. Ich kämpfe, weil ich es ungerechtfertigt finde, dass zwei Personen mein Leben total verändert haben. Nun leiten andere daraus ab, dass ich finanzielle Einbußen erleiden soll. Dieses doppelte Unrecht kann ich nicht akzeptieren.“

Der Prozess-Vertreter von VW, Peter Schrader, sagte hingegen: „Ihnen geht es nicht um Gerechtigkeit. Es geht ihnen ums Geld.“ Die Kammer gab Wolfgang Schreibers Klage statt – VW soll zahlen. Das letzte Wort in diesem Streit wird damit aber noch nicht gesprochen sein.