Wolfsburg. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh fordert eine Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren.

Nachdem in der vergangenen Woche der „Zukunftspakt“ für die Marke VW vorgestellt wurde, fängt die Arbeit beim Autobauer jetzt erst richtig an. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh erläutert im Interview mit Armin Maus und Andreas Schweiger, warum der Verbrennungsmotor ein zentraler Bestandteil der künftigen Strategie sein muss und wie VW Arbeitsplätze abbauen will.

Herr Osterloh, nachdem nun die neue Strategie mit dem Schwerpunkt Elektro-Mobilität für die Marke VW vereinbart wurde, müssten Sie ein zufriedener Betriebsratsvorsitzender sein. Die Weichen sind gestellt, jetzt können die Umbauarbeiten endlich beginnen.

Der Einstieg in die Elektro-Mobilität ist richtig – deshalb haben wir den Umbau in die E-Mobilität ja auch im Zukunftspakt verankert. Für die Zukunftsfähigkeit unserer Werke ist es extrem wichtig, dass wir durchgesetzt haben, die Fertigung von E-Autos und den entsprechenden Komponenten in Deutschland und damit auch hier in Niedersachsen anzusiedeln. Das war kein Selbstläufer. Es gab einige im Unternehmen, die hätten die E-Fahrzeuge gerne statt in Wolfsburg und Zwickau gleich im Ausland gebaut. Jetzt haben wir den Einstieg in die E-Mobilität für unsere Standorte gesichert. Das ist ein wichtiges Element des Zukunftspaktes.

Das klingt fast nach einem Aber.

Die E-Mobilität allein wird unsere Arbeitsplätze in den nächsten Jahren nicht sichern. So viel ist mal klar. Manchmal wird ja der Eindruck erweckt, wir würden morgen alle elektrisch fahren. Wir gehen davon aus, dass wir 2025, also in neun Jahren, über einen Anteil von 25 Prozent Elektromobilität sprechen. Das Geld für die Transformation in die E-Mobilität müssen wir noch über viele Jahre mit unseren Modellen mit Verbrennungsmotor verdienen. Das dürfen wir nicht vergessen.

Besteht denn die Gefahr des Vergessens?

Volkswagen geht den Wandel hin zur E-Mobilität jetzt entschlossen an. Das ist absolut richtig. Aber ich erwarte, dass auch unsere bestehende Produktpalette mit der gleichen Begeisterung fortentwickelt wird. Der aktuelle Tiguan und auch der Golf 8 werden zeigen, dass da nach wie vor ein großes Potenzial besteht. Mehr als 95 Prozent unserer Kunden entscheiden sich aktuell nach wie vor für ein Modell mit Verbrennungsmotor. Und selbst wenn wir unser Ziel erreichen, bis 2025 ein Viertel unserer Flotte als E-Auto zu produzieren, entfällt der Löwenanteil immer noch auf den Verbrennungsmotor. Das muss sich auch in unserer Kommunikation entsprechend wiederfinden. Das kommt mir manchmal einfach zu kurz. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass noch hohe Hürden genommen werden müssen, bis sich die Elektro-Mobilität durchgesetzt hat.

Welche denn?

Bei der Reichweite von Elektrofahrzeugen werden wir mit dem Modularen Elektrobaukasten den nächsten Schritt auf 500 Kilometer machen. Wir brauchen aber beispielsweise Antworten zum Recycling der Batterien. Und wir müssen hohe Investitionen für Fahrzeuge und Batterie-Systeme bewältigen. Und vor allem mangelt es derzeit nach wie vor in Deutschland an der notwendigen Ladeinfrastruktur.

Die E-Autos sollen doch bequem in der heimischen Garage geladen werden können.

Das funktioniert nur, wenn die Batterien über Stunden, zum Beispiel nachts, geladen werden. Weil die Menschen aber immer weniger Zeit haben, werden viele Schnellladesysteme nutzen wollen. Für diese Systeme gelten ganz andere Anforderungen – sie brauchen sehr viel Energie, und sie werden sehr heiß. Wenn Sie aktuell mehrere Schnellladesäulen in einer Straße aufbauen würden, würden in der Nachbarschaft die Lichter ausgehen. Da muss massiv investiert werden – und die Frage ist: Wer tut das?

Alle Werke werden durch die neue Strategie einige Produkte abgeben oder Umfänge verringern, was wird im Gegenzug aufgebaut?

Wolfsburg wird neue Modelle bekommen, ein E-Modell auf Basis des Modularen Elektrobaukastens, das Nordamerika-Volumen des Golf 8 und ein SUV von Seat. In Wolfsburg wird außerdem das Zentrum des Konzerns für Digitalisierung aufgebaut. In Braunschweig wird die Kompetenz für Batterie-Systeme und die Batterie-Steuerung gebündelt. Die Produktion elektrischer Lenkungen wird deutlich aufgestockt. Salzgitter fertigt künftig Komponenten für den elektrischen Antriebsstrang, der in Kassel montiert wird. Das Werk steigt in die Entwicklung von Batterie-Zellen ein und erhält eine Pilotanlage für die Produktion.

Die neue Strategie ist an den Zukunftspakt gekoppelt. Der sieht Einsparungen von jährlich drei Milliarden Euro in den deutschen Werken der Marke VW vor. Ist dieses Ziel realistisch?

Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir es erreichen. Das wird auch möglich werden, weil viele Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft, die wir schon 2014 vorgelegt haben, endlich umgesetzt werden. Außerdem wird die Teilevielfalt weiter angepasst. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Wir sparen kein Geld, wenn wir die Bänder schneller laufen lassen, sondern wir sparen Geld, wenn wir die Varianten der Bauteile verringern. Wir brauchen nicht 80 verschiedene Gaspedale.

Und es wird Personal abgebaut. In Deutschland sollen zwar 9000 Arbeitsplätze aufgebaut, zugleich aber 23 000 gestrichen werden. Vor allem die Leiharbeiter wären betroffen.

Das sind Maximalzahlen. Das gilt auch für die Leiharbeitnehmer, von denen im Übrigen auch nicht alle gehen müssen. Auch hier wird es ein Vorgehen mit Augenmaß geben. Leider ist es im Kern aber so: Wenn der Vorstand Leiharbeitnehmer nicht länger beschäftigen kann, kann der Betriebsrat das nicht verhindern.

Fakt ist aber: Volkswagen wird tatsächlich nicht alle Kolleginnen und Kollegen mit Leiharbeitsverträgen an Bord halten können. Das hängt aber in erster Linie mit Stückzahlen zusammen und erst dann mit der Frage steigender Produktivität.

Wir erwarten hier aber vom Unternehmen auch ganz klar, dass es seiner Verantwortung nachkommt. Erstens muss sich die Autovision deutlich stärker als bisher um das Drittmarktgeschäft kümmern, um den Kollegen Alternativen zu eröffnen. Zweitens erwarten wir, dass diejenigen, die hier über Monate einen guten Job gemacht haben, die Ersten sind, die ein Angebot von Volkswagen erhalten, wenn wieder mehr Beschäftigte benötigt werden.

Im Übrigen: die Reduzierung von Arbeitsplätzen im Stammbereich hängt auch mit der E-Mobilität zusammen. Denn die Produktionszeit für E-Autos wird um ein Drittel sinken, und auch bei den Komponenten wird die Wertschöpfungstiefe abnehmen.

Wenn Sie von Maximalzahlen sprechen, heißt das, dass der Stellenabbau womöglich doch nicht so drastisch ausfällt?

Wir haben für die Stammbeschäftigten eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2025 vereinbart. Das sind neun Jahre. Das wichtigste Instrument für den Stellenabbau ist die Altersteilzeit. Die setzt bei den Kolleginnen und Kollegen Freiwilligkeit voraus, genau wie beim Unternehmen. Deshalb wissen wir nicht, wie viele Kolleginnen und Kollegen das Angebot tatsächlich annehmen werden.

Fest steht, dass der Stellenabbau entlang der demografischen Kurve erfolgen soll. Weil die geburtenstarken Jahrgänge bis in die späten 1960er Jahre reichen, gehen wir davon aus, dass überdurchschnittlich viele Kolleginnen und Kollegen die Altersteilzeit annehmen werden. Ich betone aber auch, dass es nicht nur die Belegschaft allein sein kann, die einen Beitrag zur Verbesserung der Kostenstruktur bringt.

Sondern?

Der Vorstand wird sich von uns vor allem auch daran messen lassen müssen, ob wir in den USA, in Brasilien und Russland künftig wieder Geld verdienen. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland drei Milliarden Euro einsparen und in den genannten Ländern Jahr für Jahr Minusergebnisse einfahren werden – und zwar in beachtlicher Höhe. Deshalb sagen wir dem Markenvorstand auch klar: Bringt die Geschäftsmodelle in Ordnung. Zumal es auch dort langfristig um die Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen geht.

Ein Ziel der neuen Strategie ist die Steigerung der Rendite von 2 Prozent auf 6 Prozent. Das soll über Einsparungen und Produktivitätssteigerungen geschehen. Sie haben in der Vergangenheit gefordert, dass die konzerninterne Verrechnung neu aufgestellt werden müsse. Dadurch würde ebenfalls die Rendite steigen. Sind Sie diesem Ziel nähergekommen?

Ja, Kosten und Erträge sollen künftig transparenter werden. Außerdem wird über eine Umverteilung nachgedacht. Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel: Wenn die Marke VW in ihren National Sales Companys Audis verkauft, dann wird der Umsatz der Marke VW zugeschlagen, nicht aber der entsprechende volle Gewinn. Wenn aber der Umsatz steigt und der Gewinn nicht, wird die Umsatzrendite immer geringer.

Der Zukunftspakt sieht vor, dass in Wolfsburg künftig die IT-Entwicklung gebündelt wird. 1000 Arbeitsplätze sollen aufgebaut werden. Sind Sie zuversichtlich, dass Sie die Mitarbeiter in unsere Region locken können?

Warum denn nicht? Unsere Region hat viele Vorzüge zu bieten.