Braunschweig. Der Einsatz der Korvette im Mittelmeer sollte Waffenschmuggel unterbinden. Der Techniker-Verein hält den Kontakt zur Truppe.

Unser Leser Enrico Schmidt fragt auf unseren Facebook-Seiten:

Was macht ein deutsches Kriegsschiff vor der Küste Libanons?

Die Antwort recherchierte Geraldine Oetken

Das Schiff rauscht durchs Meer, und das Meer rauscht gegen das Schiff. „Im Winter kann es echt rau werden auf dem Mittelmeer“, sagt Ronny Bergner, der Kommandant der Korvette Braunschweig ist. Die Wellen türmen sich dann sechs Meter hoch auf, sie rollen auf die Küste zu, die libanesische Küste – und wieder zurück ins offene Meer. Dazwischen die Korvette.

Wie kam es zu dem Einsatz?

Seit dem 29. Mai fährt die Braunschweig im Auftrag des Unifil-Einsatzes der Vereinten Nationen den Küstenstreifen des Libanons ab. Was das Schiff dort macht, fragt nun unser Leser. 2006, zehn Jahre zuvor, hagelten Bomben auf Beirut. Israel und der Libanon waren im Krieg, die israelische Marine hat mit einer Seeblockade die libanesische Wirtschaft zum Erliegen gebracht, um Waffenschmuggel an die Hisbollah zu verhindern.

UNIFIL-Mission im Libanon

Nach dem Waffenstillstand der beiden Länder übernahmen die Vereinten Nationen auf Bitten des libanesischen Premiers Fouad Siniora die Überwachung der Schifffahrt, damit zumindest die Handelsschiffe durchkommen. Seitdem überprüft die deutsche Marine mit sechs anderen Nationen den Schiffsverkehr, fragt per Funk Ladung, Zielhafen und

38 weitere Punkte zum Auftrag jedes Schiffes ab. „Wer diese Fragen nicht sofort beantworten kann, ist schon einmal verdächtig“, sagt Bastian Fischborn, Sprecher der Bundeswehr. Die Untersuchung von Schiff und Ladung aber übernimmt nicht etwa die Besatzung der Korvette vor Ort, sondern libanesische Behörden im Hafen. Seit Beginn des Einsatzes hat die deutsche Marine 70 000 Schiffe abgefragt, 8000 wurden als verdächtig eingestuft.

Was bringt der Einsatz?

Offiziell wurde im gesamten Einsatz keine einzige geschmuggelte Waffe gefunden. „Das liegt aber an der Informationspolitik der Sicherheitsbehörden im Libanon“, relativiert Fischborn. Funde würden dort nicht öffentlich gemacht. Dennoch glaubt Fischborn, dass es durchaus geschmuggelte Waffen gibt.

Und auch Kommandant Bergner sagt: „Wenn ein Maschinengewehr von Deutschland nach Frankreich über die Autobahn geschmuggelt werden kann, dann können auch Waffen in den Libanon gelangen.“ Aber auch ohne Waffenfund wertet der Pressesprecher Fischborn zehn Jahre Unifil als Erfolg: „Der Libanon ist recht stabil – im Gegensatz zum Rest der Region.“ Gemeint ist das Bürgerkriegsland Syrien, aus dem der Libanon eine Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat.

„Der Einsatz im Libanon ist inzwischen einigermaßen ruhig“, sagt Korvettenkommandant Bergner. „Die letzte militärische Aktion liegt fünf oder sechs Jahre zurück“, bestätigt auch Fischborn. Denn um Schiffe aufzuhalten, dürfe das Kriegsschiff sehr wohl seine Waffen nutzen.

Wie sieht der Alltag aus?

„Im Vier-Stunden-Rhythmus sind unsere Wachen eingeteilt und nach diesem Rhythmus leben wir“, sagt Ronny Bergner. Am Wochenende stehen dann noch Militär-Übungen mit den libanesischen Kollegen an. Das bildet auch den zweiten Teil der deutschen Unifil-Mission: Damit die libanesische Marine selbst die Seeüberwachung in Küstennähe übernimmt, wird sie von deutschen Soldaten ausgebildet. Zum Beispiel beim Abseilen aus dem Helikopter oder beim Durchsuchen eines Schiffs.

Vier Monate war die Besatzung der Korvette Braunschweig nun bei ihrer Hilfsmission im Mittelmeer unterwegs, und ist seit Oktober wieder in Deutschland. Die Besatzung der Korvette Magdeburg hat jetzt das Steuer an Bord der Braunschweig übernommen. 32 Millionen Euro kostet der Einsatz im Mittelmeer in einem Jahr.

Was ist der Unterschied zwischen Korvette und Schnellboot?

Die Korvette Braunschweig wurde Ende der 90er als Kriegsschiff zwischen dem kleinen Schnellboot und der großen und schwerfälligen Fregatte geplant. Sie stach dienstlich das erste Mal 2008 in See. Die Schnellboote wurden während des Kalten Krieges konzipiert, um die Ostsee gegen die Sowjets verteidigen zu können. „Auf einem Schnellboot bin ich quasi aufgewachsen“, sagt Kommandant Bergner. Mit einer kleinen Besatzung von 36 Mann ist das Boot schnell, wendig – und eng. „Die Soldaten wachsen da zu einer Familie zusammen.“

Dieses Miteinander-Auskommen-Müssen vermisse er manchmal auf der Korvette. Denn dort hat jeder eine Einzelkabine. Und auch die moderne Technik auf der Korvette sei nicht nur ein Segen. Jeden Offiziersanwärter mahnt Bergner: „Hört auf eure Augen und Ohren, nicht nur auf die Technik.“

Zwischen 2007 und 2012 sorgte aber gerade die Technik der Korvetten für Ärger: Erst kam das neue Schiff später, dann ging ein Getriebe zu Bruch, es war schwerfälliger als es sein sollte und im Maschinenraum traten Schadstoffe aus. „Die Kinderkrankheiten sind heute ausgeheilt“, sagt Kommandant Bergner. Und doch bleibe ein grundsätzliches Problem: Die Korvette wurde als Waffe entwickelt, heute aber wird sie auch für andere Missionen eingesetzt, zum Beispiel bei der Seenotrettung der Flüchtlinge. Aber gerade bei den Korvetten würden sie schlecht mit den Außentreppen, Seefallreep genannt, an Bord kommen. „Die sind an beiden Außenseiten angebracht, aber äußerst ungünstig konzipiert“, sagt Bergner. Und über die wackeligen Lotsenleiter, über die ausgebildete Soldaten vom Wasser aus auf das Schiff könnten, würden die Flüchtlinge nicht klettern können. „Bei gutem Wetter ist die Rettung kein Problem, aber bei Seegang wird das schon schwieriger“, bemerkt der Korvettenkapitän.

Was hat Braunschweig mit der Korvette zu tun?

„Erst einmal heißt das Schiff so“, sagt Bergner. Die Stadt Braunschweig hat eine Patenschaft für das Schiff übernommen. Und durch die Patenschaft könne die Besatzung nach außen hin zeigen, was die Arbeit der Marine sei. „Außerdem hilft sie bei der beruflichen Vernetzung, für die Zeit nach der Bundeswehr.“ Auch wenn die Mannschaft jetzt nicht mehr auf der Braunschweig ist, sondern als nächstes auf der Korvette Oldenburg eingesetzt wird, bleibt der Kontakt nach Braunschweig bestehen. Dafür sorgt der Technikerverein Braunschweig, zum Beispiel beim jährlichen Eisbein-Essen. So waren Bergner und eine Delegation seiner Besatzung auch am vergangenen Samstag wieder beim sogenannten Herrenabend des Technikervereins dabei. „Wir kriegen dann einen ganz direkten Einblick in die Arbeit der Marine“, sagt Sven Hansmeier, Vorstand des Technikervereins.

Welchen Plan hat die Marine für neue Korvetten?

Zu den fünf bestehenden Korvetten sollen nun überraschend ab 2019 für 1,5 Milliarden Euro fünf neue Korvetten kommen. In einem Bericht im März wurden sie noch nicht erwähnt. Die Boote sollen auf Basis der Braunschweig weiterentwickelt werden.

Das Verteidigungsministerium steht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nun in der Kritik, da es die neuen Boote ohne Ausschreibung nachbeschaffen wolle. „Die Argumente, warum der Bedarf an fünf zusätzlichen Korvetten plötzlich aufkam, sind nicht belastbar“, bemängelte dort auch Tobias Lindner von den Grünen. Dass das erste Schiff schon 2019 fertig wird, glaubt Ronny Bergner nicht: „Das ist doch politischer Aktionismus.“ Die Schnellboote hingegen sind nun endgültig zu einem Ding der Vergangenheit geworden. Für die Bundeswehr sind sie nicht mehr zeitgemäß. Die letzten vier werden im November ausrangiert. Bergner seufzt: „In den vergangenen 20 Jahren ist die Bundeswehr unpersönlicher und bürokratischer geworden.