Wolfsburg. In Deutschland verliert der Golf Marktanteile. Eine Verjüngungskur soll das Brot-und Butter-Auto unserer Region wieder sexy machen.

Unser Leser Thomas Brinkmann schreibt auf unseren Facebook-Seiten:

Aufregend war der Golf ja eh nie, von daher ist das Facelift auch egal.

Dazu recherchierte Andreas Schweiger

Über Geschmack lässt sich bekanntermaßen schwerlich streiten. So ganz am Wohlgefallen der Kunden vorbei wurde das kompakte Auto jedoch nicht entwickelt. Schließlich fanden seit seiner Einführung 1974 mehr als 33 Millionen Gölfe einen Käufer. Damit ist er nach VW-Angaben das am häufigsten produzierte europäische Auto, und auch weltweit zählt der Golf zu den volumenstärksten Modellen. Inzwischen läuft er in seiner siebenten Generation vom Band.

Am Donnerstag nächster Woche gibt es nun in der Geschichte des Golf eine Premiere. Erstmals erhält das Auto ein Facelift (Gesichtsverjüngung) – es wird optisch und technisch überarbeitet, ohne die Generation zu wechseln. Das gab und gibt es zwar bei vielen anderen Modellen, beim Golf aber löste bisher eine Generation die nächste ab – wenn auch in immer kürzeren Zeiträumen. Lagen zwischen erster und zweiter Generation noch neun Jahre, waren es zwischen der sechsten und siebenten Generation nur vier.

Autoexperten wie Professor Stefan Bratzel, der das Auto-Institut in Bergisch Gladbach leitet, erwarten, dass sich diese Zyklen weiter verkürzen. Aber anders als in der bisherigen Geschichte des Automobils steht das Facelift nicht mehr allein für eine optische Überarbeitung des jeweiligen Modells, sondern für seine technische. Die Digitalisierung lässt grüßen. Deshalb spricht Volkswagen nun von einem Update.

„Das Muster der Smartphone-Welt überträgt sich auf die Autoindustrie. Die Kunden erwarten ständig neue Funktionen“, sagt Bratzel unserer Zeitung. Für Unternehmen wie VW markiere diese Entwicklung den Wandel vom Auto-Hersteller zum Mobilitäts-Anbieter. Das Prinzip: Die Hülle des Autos bleibt, die Technik entwickelt sich stetig weiter. Bratzel nennt zwei Beispiele: „Auf langen Strecken könnten die Autobesitzer künftig zum Beispiel für einen Tag die Massagefunktion ihres Sitzes hinzubuchen, bei Urlaubsfahrten ins Gebirge zusätzliche PS.“ Möglich mache dies eine spezielle Software, die die Zusatzangebote im Auto aktiviere.

Wie das Update nun den Golf verändert, darum macht VW ein großes Geheimnis. Schließlich soll der Aha-Effekt bis zur Präsentation am Donnerstag aufgespart werden. Bisher ist durchgesickert, dass das Display im Armaturenbrett größer wird, dass Bedienknöpfe durch Berührungssteuerung ersetzt werden. Sogar eine Gestensteuerung könnte es geben. Funktionen würden also per Handbewegung aktiviert – gegen Aufpreis natürlich. Zudem sollen neue Assistenzsysteme geordert werden können, etwa ein Staupilot, der das Auto im Stop-and-go-Verkehr fährt.

Der Golf ist nicht nur ein Auto – für unsere Region ist er das Brot-und-Butter-Auto, das die Menschen zwischen Harz und Heide ernährt. Außer am Stammsitz in Wolfsburg wird der Golf in Zwickau sowie in China, Brasilien und Mexiko produziert. Allerdings geben seine jüngsten Zulassungszahlen auf dem Heimatmarkt Deutschland Anlass zur Sorge.

2015 wurden in Deutschland noch 270 952 Gölfe neu zugelassen. Das waren 6,2 Prozent mehr als 2014 und entsprach im Segment der Kompaktfahrzeuge einem Markanteil von 31,9 Prozent. In den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres sank der Marktanteil dagegen auf 28,6 Prozent, die Zahl der Neuzulassungen ging um 11,8 Prozent auf 204 828 zurück. Zudem beschleunigte sich der Rückgang der Neuzulassungen. So betrug das Minus im Oktober 36,4 Prozent, der Marktanteil sank auf 26 Prozent.

Autoexperte Bratzel nennt mehrere Gründe für diesen Trend: „Ein Auto, das vor einem Facelift steht, hat es immer schwer.“ Eben weil sich viele Käufer für die jüngste Variante eines Modells entscheiden. Außerdem würden Geländelimousinen (SUV) immer beliebter, erläutert Bratzel. Und die gibt es mit dem Tiguan auch in direkter Verwandtschaft des Golf. Grund Nummer 3: „Der Abgas-Skandal beschädigt das Image der Marke Volkswagen, die in Europa unterdurchschnittlich wächst.“

Diese jüngste Entwicklung des VW-Modells steht stellvertretend für den Zustand der gesamten Marke: Die ist zwar stark, aber angeschlagen. Deshalb knirscht es hinter den Kulissen. Der Auftrag an Management und Betriebsrat: Die Marke soll profitabler und durch neue digitale Techniken zukunftsfähiger werden. Zwar gibt es darüber in beiden Lagern Einigkeit. Gestritten wird hingegen über den Weg zu diesem Ziel.

Das zentrale Instrument soll der sogenannte Zukunftspakt werden, der den Kurs für die Werke Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Emden und Kassel sowie für die Werke in Sachsen vorgibt und den Status eines Tarifvertrags erhalten soll. Ziel ist, jährlich 2,7 Milliarden bis 3 Milliarden Euro einzusparen. Dazu werden über die Jahre auch Arbeitsplätze abgebaut. Um die Werke vor dem Ausbluten zu schützen, fordert der Betriebsrat vom Vorstand Produktzusagen.

Es soll festgelegt werden, welches Werk welches Produkt in welchem Umfang fertigt. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob das Motorenwerk Salzgitter zu einem Standort für die Fertigung von Batteriezellen umgebaut werden kann.

In der Diskussion um die Zukunft der Konzern-Kernmarke geht es zudem um ganz Grundsätzliches. So ist zu vernehmen, dass der Betriebsrat eine Bereinigung der Berechnungsgrundlage für die Rentabilität der einzelnen Marken fordert. Derzeit würden zum Beispiel Modelle von Marken wie Audi oder Porsche auch in VW-Werken gefertigt. Der Umsatz, der mit diesen Modellen erzielt wird, werde der Marke VW zugerechnet, der Gewinn wiederum Audi oder Porsche. Folge: Der Umsatz der Marke VW erhöhe sich, nicht aber der Gewinn. Und das drücke auf die Umsatzrendite. Ähnlich verhalte es sich mit Entwicklungsleistungen, die von der Marke VW für andere Konzernmarken übernommen werden.

Ein weiterer Streitpunkt: Bisher wird das Ergebnis aus China nicht in das Ergebnis der Marke VW eingerechnet, sondern gesondert ausgewiesen. Auch das drücke die Rendite der Marke.