Braunschweig. Der Meteorologe Hans von Storch hofft auf bessere Klimamodelle. Die verlangsamte Erderwärmung der vergangenen Jahre hätten sie nicht vorhergesehen.

Unser Leser Eckart Sander aus Salzgitter meint:

Der El Niño ist entstanden durch die Klimaveränderung, die die Menschheit verursacht hat. Durch den Klimagipfel in Paris wird sich der El Niño nicht verringern lassen.

Zum Thema recherchierte Johannes Kaufmann mit unseren Agenturen

Ein weltweiter Hitzerekord nach dem anderen purzelte 2015. Acht Monate haben in diesem Jahr bereits ihre jeweiligen globalen Temperaturrekorde geknackt: Februar, März, Mai, Juni, Juli, August, September und Oktober. Im Oktober lag die globale Durchschnittstemperatur nach Angaben der US-Klimabehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) um 0,98 Grad Celsius über dem Durchschnittswert des 20. Jahrhunderts von 14 Grad. Besonders warm war es in Teilen Australiens, Asiens, Afrikas und Süd- und Nordamerikas.

Das Jahr 2015 könnte also erneut den Hitzerekord knacken, berechnete auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf. Die Durchschnittstemperatur werde wohl erstmals ein Grad höher als im vorindustriellen Zeitalter Ende des 19. Jahrhunderts liegen. Gründe seien der Klimawandel und ein besonders starker El Niño, den auch unser Leser anspricht.

Dabei handelt es sich aber nicht um ein menschengemachtes, sondern um ein natürliches Klimaphänomen. „El Niño tritt alle paar Jahre im tropischen Pazifik auf“, erklärt Hans von Storch, Professor am Institut für Meteorologie der Universität Hamburg und Direktor am Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung in Geesthacht. Der spanische Begriff El Niño bedeutet übersetzt „das Kind“, in diesem Fall „das Christkind“, denn das Phänomen ereignet sich in der Weihnachtszeit. Dann kommt es zum Absterben des Planktons vor der Küste Perus. In der Folge brechen ganze Nahrungsketten zusammen.

El Niño ist Teil eines komplexen Wärmeaustausch-Systems zwischen Südamerika und Indonesien, an dem die Passatwinde und Meeresströmungen beteiligt sind. In einem El-Niño-Jahr wird der kalte Humboldtstrom schwächer, und das Oberflächenwasser vor Peru erwärmt sich stark. El Niño verändert die Zirkulation von Luft und Wasser im und über dem Pazifik und beeinflusst dadurch das Wetter in einem Großteil der Welt in Form ungewöhnlicher Überschwemmungen, Trockenheit oder starker Niederschläge.

„In solchen komplexen Vorgängen treten immer wieder Muster auf, die zu Interpretationen einladen“, sagt Professor von Storch. So sei es zwar möglich, dass die Klimaerwärmung El Niño verstärkt. „Ein Nachweis dafür ist aber schwer zu führen. In 50 Jahren wissen wir da vielleicht mehr.“

Damit verweist von Storch auf ein grundsätzliches Problem, das er bei der Klimaforschung sieht: das Verschweigen von Unsicherheit. So hätten die Klimamodelle die Stagnation der Erderwärmung in den vergangenen rund 15 Jahren nicht vorhergesagt. „Die Modelle waren unzutreffend und müssen verbessert werden“, sagt der Klimaforscher. Womöglich schätzten sie die natürliche Variabilität des Klimas falsch ein oder überschätzten den Einfluss des Treibhausgases CO2 leicht. Es werde noch einige Zeit dauern, bis die wissenschaftliche Gemeinschaft sich bei der Erklärung einig sei.

Professor Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hingegen ist sicher, den Grund für die Erwärmungspause sei 1998 zu kennen. Der pazifische Ozean habe viel Wärme aufgenommen und in unter 700 Metern Tiefe gespeichert. „Die holt er gerade wieder hervor.“ Auch wenn von Storch skeptisch gegenüber solchen Gewissheiten ist, stimmt er in einem Punkt zu: „Die Erwärmungspause ist vorbei.“

Auf Deutschland hat El Niño allerdings keinen großen Einfluss. Das sagt der Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Gerhard Lux. Auch der DWD befürchtet, dass 2015 weltweit das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn wird. „In Deutschland werden wir, wie es momentan aussieht, jedoch kein Rekordjahr haben. Aber unsere zwei Promille der Landfläche sind nicht entscheidend“, betont Lux. Es werde sicher eines der wärmeren Jahre, vielleicht liege es am Jahresende knapp in den Top Ten, aber das entscheide der Dezember.

In Paris ringen derweil die Führer der Welt um einen Klimavertrag. Ziel ist es, die Emissionen von CO2 zu reduzieren. Von Storch begrüßt dieses Ziel. „Ohne CO2 ist die Erwärmung des Klimas nicht zu erklären“, sagt er. Doch er kritisiert die zu große Nähe von Wissenschaft und Politik und das Verschweigen wissenschaftlicher Unsicherheit: „So wird ein sicherer Sachzwang vorgetäuscht, um politische Ziele zu erreichen.“