Braunschweig. Was der ZGB noch nicht überzeugend geschafft hat, wollen die Oberbürgermeister Markurth, Mohrs und Klingebiel in Angriff nehmen.

Unser Leser, der sich A H nennt, fragt auf unseren Internetseiten:

Interessieren würde mich, ob die „drei Musketiere“ ihre neue Allianz mit dem ZGB und den umliegenden Landkreisen inhaltlich abgesprochen haben oder zumindest darüber informiert haben.

Daten BS SZ WOB_neu

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

„Wir waren bei der Expo 2000 solidarisch mit Hannover. Nun sind wir dran.“
Ulrich Markurth, Oberbürgermeister von Braunschweig

Die Oberbürgermeister von Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter demonstrierten Stärke. Braunschweigs Ulrich Markurth sagte: „Wir werfen unser Gewicht in die Waagschale.“ Wolfsburgs Klaus Mohrs erklärte: „Wir müssen groß denken.“ Und Salzgitters Frank Klingebiel behauptete: „Jetzt sind wir einfach dran.“

Die drei Oberbürgermeister stellten klar, auf wen es ankommt, wenn sich im öffentlichen Nahverkehr in unserer Region etwas verbessern soll: auf die Großstädte. Markurth bezeichnete die drei Oberbürgermeister im Scherz als „drei Musketiere“. Darauf spielt auch unser Leser an.

„Wirtschaftsminister Lies weiß, wie wichtig die Region ist. Wir werden überzeugen.“
Klaus Mohrs, Oberbürgermeister von Wolfsburg

Eingebunden wurden die Landkreise nicht. Explizit sprachen die drei Oberbürgermeister lediglich von der Stadt Wolfenbüttel und vom Landesbeauftragten für unsere Region, Matthias Wunderling-Weilbier. Neben Wunderling-Weilbier wusste also Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink Bescheid, da Wolfenbüttel sich in Nachbarschaft zu Braunschweig und Salzgitter befindet, so die Begründung von Markurth. Der Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) und auch die Allianz für die Region sollen noch eine große Rolle spielen, Wunderling-Weilbier soll sich für unsere Region in Hannover einsetzen.

Der ZGB ist der Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs in unserer Region. An ihm kommen die Oberbürgermeister gar nicht vorbei, wenn sie den Nahverkehr stärken wollen. Markurth: „Der ZGB hat das planerische Know-how.“ ZGB-Direktor Hennig Brandes soll mit dabei sein, wenn die Oberbürgermeister bei Wirtschaftsminister Olaf Lies mehr Geld einfordern.

„Wir können nicht gleichzeitig die Städte und die Kreise an den Nahverkehr anbinden.“
Frank Klingebiel, Oberbürgermeister von Salzgitter

Es war gestern aber deutlich zu vernehmen, dass die drei nicht voll hinter dem ZGB stehen. Klingebiel sagte zum Beispiel: „Der ZGB wollte die Zentren besser anbinden, gleichzeitig den ländlichen Raum. Alles auf einmal geht nicht.“ Wenn man konsequent die Großstädte stärke, würde auch der ländliche Raum profitieren.

Die drei Oberbürgermeister nehmen das Heft selbst in die Hand. Das wird beim ZGB sicher nicht gut ankommen. Markurth sagte jedoch: „Wir haben in Hannover nichts zu verlieren.“

Die Allianz für die Region kommt beim zweiten großen Vorhaben der Oberbürgermeister ins Spiel: dem freien W-Lan. Die Wirtschaftsförderer von der Allianz kennen sich bei größeren Projekten gut aus.

Was fordern die Oberbürgermeister?

Markurth, Mohrs und Klingebiel gehen in die Vollen: Statt 64,5 Millionen an Regionalisierungsmitteln, die das Land an den ZGB für den Nahverkehr pro Jahr überweist, sollen es künftig mindestens 89 Millionen sein. Das entspreche dann der Größe und Wirtschaftskraft unserer Region.

Markurth erwähnte gestern die Weltausstellung Expo 2000. Damals wurde in Hannover erheblich in den öffentlichen Nahverkehr investiert. „Wir waren damals solidarisch mit der Landeshauptstadt. Nun sind wir dran.“

Wirtschaftsminister Olaf Lies verwies gestern auf den Bund. Wenn der mehr an Regionalisierungsmitteln zahle, könne das Land auch mehr Geld in unsere Region weiterreichen. Diese vagen Aussichten werden den drei Oberbürgermeistern nicht reichen. Die Bundesländer fordern zwar 8,5 Milliarden Euro, der Bund will aber weiterhin nur 7,3 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln zahlen. Dann erhielte auch der ZGB nach Lies’ Rechnung nicht mehr Geld.

Glaubt man den Oberbürgermeistern, lässt der Wirtschaftsminister aber mit sich reden. Mohrs: „Wir stoßen auf offene Ohren. Lies weiß, wie wichtig unsere Region ist. Wir werden mit Notwendigkeiten überzeugen.“ Diese Notwendigkeiten liegen in weit mehr als 100 000 Pendlern, die täglich vom Umland nach Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter strömen, für verstopfte Autobahnen und Züge sorgen.

Wofür soll das Geld dienen?

Die drei Oberbürgermeister sehen im öffentlichen Nahverkehr eine zentrale Bedeutung. „Es geht uns nicht nur um Pendler. Wir wollen die Region zusammenschweißen, wir wollen den Tourismus stärken, die Region als Marke ausbauen, Fachkräfte anwerben. Wir wollen einen attraktiven Lebensraum für Familien schaffen. Dazu gehört ein gut ausgebauter Nahverkehr“, erklärte Markurth.

Die drei Oberbürgermeister träumen vom sechsspurigen Ausbau der A 39 zwischen Braunschweig und Wolfsburg und vom Lückenschluss der Autobahn zwischen Wolfsburg und Lüneburg.

Als weitere Infrastrukturmaßnahme für den öffentlichen Nahverkehr ist das zweite Gleis für die Bahnstrecke Weddeler Schleife von höchster Bedeutung. Sonst lässt sich der Bahnverkehr zwischen Braunschweig und Wolfsburg nicht wesentlich verbessern.

Und die Pläne der Oberbürgermeister haben es in sich: Dank der erhofften zusätzlichen Millionen vom Land soll die Regiobahn im Halbstundentakt zwischen den drei Großstädten fahren. Bisher gibt es einen Stundentakt. Der Halbstundentakt wäre S-Bahn-Niveau. Ergänzend sollen Schnellbusse zwischen den drei Großstädten fahren. Damit nicht genug: Damit die Schnellbusse nicht im Stau stehen, sollen eigens Trassen gebaut werden, auf denen die Schnellbusse fahren.

Was soll in Braunschweig entstehen?

Die Oberbürgermeister wollen zusätzliche Haltestellen einrichten, damit mehr Menschen die Regiobahn nutzen. So soll eine neue Bahnstation zwischen der Weststadt und Broitzem entstehen. Dieser Neubau würde mit einem Schlag ein Gebiet mit rund 35 000 Menschen erschließen. Wer im Südwesten Braunschweigs wohnt, spart sich den Umweg über den Hauptbahnhof. Die Fahrzeit verkürzt sich von der Weststadt ins VW-Werk nach Wolfsburg auf 25 Minuten.

Was soll in Wolfsburg entstehen?

An ausgewählten zentralen Orten in unserer Region sollen Mobilitätszentren geschaffen werden. Hier sollen die Bürger leicht zwischen Bahn, Straßenbahn, Bus, Auto und Fahrrad wechseln können. Hier soll auch Car-Sharing möglich sein, hier sollen Elektroautos und -Fahrräder zur Verfügung stehen. Mit einer Karte oder einer App sollen alle Verkehrsmittel genutzt und bezahlt werden können.

Zeitnah soll das erste dieser Mobilitätszentren am Wolfsburger Hauptbahnhof entstehen. Mohrs: „Hier ist der Übergang zwischen öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln fließend.“ Das Angebot an gemeinsam genutzten Fahrzeugen soll hier deutlich erhöht werden.

Was soll in Salzgitter entstehen?

Hier hat Salzgitters Oberbürgermeister Klingebiel klare Vorstellungen. Zwar begrüßt er eine mögliche Reaktivierung der circa drei Kilometer langen Bahnstrecke von Salzgitter-Lebenstedt in den Ortsteil Fredenberg. Lieber sähe er aber Investitionen in die Bahnstation in Lebenstedt, die Markurth scherzhaft als bessere Bushaltestelle bezeichnete. Vor allem kommt es Klingebiel auf Investitionen ins Schienennetz in Salzgitter-Drütte und in die Weddeler Schleife an. „Erst dann ist der öffentliche Nahverkehr von Salzgitter über Braunschweig nach Wolfsburg eine echte zeitliche Alternative zum Auto.“

Was ist noch geplant?

Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter wollen über einen noch zu findenden Anbieter ein W-Lan in den Innenstädten und entlang der wichtigen verbindenden Verkehrsachsen einrichten. Der Vorteil soll sein: Wer sich in der Region bewegt, muss sich nur einmal anmelden und kann das schnelle Internet nutzen.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Der ZGB hat per se Verbesserungen ab Ende 2015 im öffentlichen Nahverkehr geplant. Die Ziele der Oberbürgermeister gehen weit darüber hinaus. Ob sie sich realisieren lassen, bleibt abzuwarten. Markurth, Mohrs und Klingebiel wollten deshalb gestern keine festen Daten nennen. Markurth sagt lediglich, noch in seiner Amtszeit werde es deutliche Verbesserungen geben. Das W-Lan lässt sich sicher schneller umsetzen als die Verbesserungen im Nahverkehr.

Wie die Landesregierung in Hannover auf den Vorstoß reagiert hat, lesen Sie hier.

Henning Noske blickt außerdem auf die Geschichte der Beziehungen von Braunschweig und Wolfsburg zurück.