Braunschweig. Forscher der TU Braunschweig haben den Bildspeicher der Raumsonde gebaut. Das Max-Planck-Institut in Göttingen koordiniert alles.

Seit fast zwei Wochen fliegt die Raumsonde Rosetta nun schon neben dem Kometen Churyumov-Gerasimenko durchs All. 2004 war sie zu ihm gestartet. Im November soll sie ein Landegerät auf die Kometenoberfläche schicken. Sowohl die Sonde als auch das Landegerät sind mit vielen Messinstrumenten ausgerüstet. Wissenschaftler erhoffen sich von den Untersuchungen Erkenntnisse über die Ursprünge unseres Sonnensystems. Noch nie zuvor war die Menschheit einem Kometen so dicht auf der Spur.

Damit die Landung gelingen kann, muss in den kommenden Wochen ein Landeplatz ausgewählt werden. Die entscheidende Rolle spielt dabei das Kamerasystem Osiris – der Name ist die Abkürzung für: Optical, Spectroscopic and Infrared Remote Imaging System.

Osiris besteht aus zwei hochauflösenden Systemen für Tele- und Weitwinkelaufnahmen. Diese beiden Kameras sollen die genaue Größe und Form des Kometen erfassen. Außerdem sollen mit ihrer Hilfe die physikalischen und chemischen Prozesse auf der Oberfläche und in der Staub- und Gashülle, die den Kometenkern umgibt, untersucht werden.

Fünf mögliche Landestellen werden ausgewählt

Das Osiris-Team besteht aus insgesamt 82 Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern in sechs europäischen Ländern sowie den USA. Am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen laufen alle Fäden zusammen, und zwar bei Holger Sierks.

„In den Tagen vor der Ankunft am Kometen waren die Aufnahmen bei weitem noch nicht hochauflösend, doch seit letzter Woche sind auch Details erkennbar“, sagt er. „Jetzt können wir eine dreidimensionale Struktur des Kometen erstellen.“ Sobald das gelungen ist, werden fünf Bereiche ausgewählt, die für eine Landung infrage kommen. Spätestens im Oktober wollen dann die für die Landung zuständigen Fachleute den endgültigen Landeplatz festlegen.

Nun ist es nicht so, dass Sierks und seine Kollegen mit einem Joystick am Bildschirm sitzen und der Kamera Befehle geben: Bitte jetzt fotografieren! Sierks fände das zwar toll, doch sein Team musste schon vor mehr als einem Monat genau festlegen, was die Kamera in dieser Woche zu welchem Zeitpunkt fotografiert – den Kometenkern, Staubwolken, abströmendes Gas...

Alles ist genau geplant und getaktet, auch in Abstimmung mit den vielen anderen Instrumenten an Bord von Rosetta. Das heißt: Es können nicht alle gleichzeitig arbeiten, denn dafür würde erstens der Strom nicht reichen und zweitens wäre es unmöglich, so viele Daten in überschaubarer Zeit zur Erde zu senden.

„Aufgrund der Vorausplanung können wir kurzfristig bestenfalls Kleinigkeiten nachjustieren, wenn wir zum Beispiel die Belichtungszeit anpassen oder den Blaufilter anstelle des Grünfilters brauchen“, sagt Sierks. „Im Moment planen wir die Aufnahmen für Oktober, obwohl wir ja noch gar nicht richtig wissen, was uns dann erwartet.“

Was die Bilder bislang zeigen, ist eine unerwartete Kometenform: Ursprünglich hatten die Wissenschaftler mit einem kartoffelförmigen Objekt gerechnet, tatsächlich hat der Komet nun aber eine zweigeteilte Form und ähnelt entfernt einer Ente. Es gibt Hinweise auf sehr helle Flächen sowie auf Flächen, die mit Staub oder anderem Material bedeckt sind – viel mehr aber noch nicht.

Rosettas „Auge“ muss heftiger Strahlung widerstehen

Im Team von Holger Sierks hat jede Gruppe ihre Spezialkenntnisse: So sind zum Beispiel die Franzosen zuständig für die Erstellung des detaillierten Geländemodells, die Spanier und Italiener machen anhand der Bilder eine Analyse der Staubhülle – und an der Technischen Universität Braunschweig arbeiten jene Experten, die sich mit dem Osiris-Rechner und der Software auskennen.

Professor Harald Michalik vom Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze hat mit seinem Team den Bilddatenspeicher entwickelt und gebaut. „Das ist eine Art Festplatte, auf der die Rohbilder landen“, erläutert er. „Weil dieser Speicher schnell voll ist und die Bilder nur vergleichsweise langsam zur Erde gesendet werden können, haben wir eine Software entwickelt, die diese Datenmenge an Bord von Rosetta komprimiert.“

Außerdem stammt aus Michaliks Büros und Laboren auch eine spezielle Software, die es erlaubt, die Kamera von der Erde aus auf einfache Weise zu programmieren. „Die Bildsequenzen sind ja erst jetzt detailliert planbar. Mit unserer Software kann man die dafür nötigen Programme kurz vorher hochladen – das war bislang sehr viel aufwendiger und komplizierter“, erläutert er.

Das Kamerasystem hat eine Auflösung von 1000 mal 1000 Pixel. Nach heutigem Stand der Technik ist das wenig: Smartphones verfügen über Kameras im vielfachen Megapixel-Bereich. Doch die Entwicklung der Osiris-Kamera begann Mitte der 1990er Jahre, die Platinen wurden 1999 gebaut. „Für den damaligen Stand der Technik ist die Kamera sehr gut“, sagt er.

Ganz entscheidend war, sie für die Weltraumumgebung zu wappnen. Das größte Problem sind Michalik zufolge Partikel, die mit riesiger Geschwindigkeit durchs All rasen – galaktische Hintergrundstrahlung. „Diese Teilchen können alles durchschlagen und auch Schäden in der Elektronik verursachen, so dass sich das System aufhängt. Abschirmung mit dickerem Material hilft nur bedingt dagegen. Wir haben mehr Speicherbausteine eingebaut, als eigentlich benötigt werden – damit haben wir einen Puffer, falls Teile ausfallen. Und wir haben Algorithmen entwickelt, die Fehler in der Elektronik aufspüren, korrigieren und die originalen Dateien wiederherstellen können“, sagt Michalik.

Ein Braunschweiger Rechner war schon 1986 im Kometen-Einsatz

Damit ist für ihn die Hauptarbeit im Grunde seit einigen Jahren erledigt. Wesentliche Änderungen sind jetzt nicht mehr möglich. „Wir können das Ganze nur noch beobachten, um auf Fehler zu reagieren.“

Genau dafür verfügt Michalik über die nötige langjährige Erfahrung: Ein Kamerarechner aus dem TU-Institut war schon 1986 im Einsatz, als die Raumsonde Giotto am Halleyschen Kometen vorbeiflog und erstmalig Fotos von einem Kometenkern machte. Und derzeit arbeiten die Wissenschaftler an einem Kamerasystem, das 2019 zum Jupiter fliegen soll. Doch zunächst einmal fiebern Michalik und seine Kollegen dem Absetzen des Landesystems im November entgegen.