Braunschweig. Der Unternehmer Nikolaus Hipp feiert Erfolge, wenn er malt, musiziert oder Kunststudenten in Tiflis unterrichtet. Leser haben ihm Fragen gestellt.

Nikolaus Hipp ist freischaffender Künstler mit einer Professur für Malerei in Georgien. Claus Hipp ist der Mann, der mit seinem Gesicht und der Botschaft „Dafür stehe ich mit meinem Namen“ im Fernsehen für die Produkte des Familienunternehmens wirbt. Der Maler und der Unternehmer sind trotz verschiedener Vornamen dieselbe Person. In Braunschweig wird derzeit die Kunst von Nikolaus Hipp ausgestellt. Drei Leser haben dem 74-Jährigen Fragen gestellt.

Jörgen May: Als Student der Kunstwissenschaft frage mich immer, ob ich zu wenig Zeit in die Kunst investiere, weil ich nebenbei meinem Vater im Gartenbetrieb helfen und den Alltag organisieren muss. Kennen Sie dieses Gefühl auch?

Für mich ist es besser, dass ich für die Kunst nur begrenzt Zeit habe, sonst würde ich mich vielleicht wiederholen oder ganz langweilige Sachen machen. Wenn Sie Kunst zum Beruf machen, schauen Sie, was Sie nebenher noch machen können. 98 Prozent der Absolventen der Akademien können von ihren Bildern nicht leben.

Tim Glindemann: Hören Sie beim Malen Musik?

Nein, das würde mich stören. Da bin ich so konzentriert, dass ich nebenher nichts brauche. Aber wenn mir die Ideen beim Malen ausgehen, dann mache ich Musik. Dort bin ich nur interpretatorisch tätig. Ich spiele, was andere komponiert haben und komponiere nicht selbst. Wenn ich Musik mache, denke ich an nichts anderes.

Tim Glindemann: Sie sind auch Kunstsammler – ist das richtig?

Ich kaufe Sachen von Studenten, aber ich investiere keine großen Summen.

Tim Glindemann: Aber Ihren Lehrmeister Heinrich Kropp sammeln Sie?

Ich habe von ihm eine ziemliche Menge an Bildern. Er war sehr arm, eigentlich Kommunist, hat sich mit allen angelegt und wenig verkauft. Um leben zu können, hat er Niederländer kopiert. Als er alt war, habe ich mit ihm vereinbart, dass er eine gewisse Summe kriegt. Wenn die monatlichen Zahlungen ein Bild ausgemacht haben, dann wurde auf das Bild hinten mein Name draufgeschrieben. Das hat ihm die Sicherheit gegeben, dass er nicht Almosen empfangen hat. Dadurch besitze ich von ihm viel, wahrscheinlich mehr als jemand sonst.

Jörgen May: Ihre Bilder sind abstrakt. Haben Sie sich vorher mit Realitätsabbildungen beschäftigt?

Natürlich. Ich habe ganz gegenständlich gelernt. Ich male auch Landschaftsaquarelle, aber die stelle ich nicht aus, die schenke ich meinen Kindern.

Jörgen May: Wie findet man zur Abstraktion?

Ich habe mal ein Lehrbuch mit dem Titel geschrieben „Es ist einfach, aber nicht leicht“.

Jörgen May: Ich hatte es in der Hand. Mir half es nicht weiter.

Stellen Sie sich vor, die Leinwand sei ein Zimmer, das Sie einrichten wollten. Da haben Sie einen großen Tisch. Den stellen Sie nicht in die Mitte, das wäre langweilig, zur Ergänzung vielleicht eine Anrichte. Der Freiraum ist wichtig. Alles muss in ein entsprechendes Verhältnis kommt. Vielleicht arbeiten Sie nicht nur mit Rechtecken, sondern auch mit Kreis oder Halbkreis. Sie müssen Spannung erzeugen, Gegensätze bauen. Was ich auch gut finde: etwas Buntpapier, zwei oder drei Formen reißen und dann schauen, wie sich die beste Komposition ergibt.

Tim Glindemann: Kennen Sie Misserfolge und wenn ja, was haben Sie daraus mitgenommen?

Misserfolge sind mir geschäftlich öfter mal passiert, meistens, wenn wir uns branchenfremd engagiert haben. Wir hatten mal eine Firma übernommen, die Kinderspielzeug herstellte – das ist schiefgegangen. Dann hatte ich mich mal in der Firma meiner Vorfahren in der Schweiz engagiert. Die machten Straßenbau und Straßenarbeiten, aber dafür war die Zeit dann auch vorbei. Diese Misserfolge ergaben sich vielfach aus dem Bedürfnis heraus, helfen zu wollen oder in der Überschätzung meiner selbst.

Magnus Kleine-Tebbe: Von der Idee über die Skizze zum Vorentwurf zur Ausführung – geht das bei Ihnen in solchen Stufen oder ist es so, dass Sie direkt mit einem Gedanken an die Leinwand herangehen?

Ich mache mal kleine Handskizzen, dann Kreideskizzen auf der Leinwand.

Tim Glindemann: Ist es Ihnen wichtig, dass man in der Kunst über den Tellerrand schaut?

Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt, dass die Länder im Osten, speziell natürlich Georgien, nicht kopieren, was im Westen gemacht ist, sondern in ihrer Tradition bleiben. Sie hatten schon 5000 vor Christus hoch entwickelte Kultur, da war bei uns noch Wildnis. Das Christentum war dort schon im Jahr 324 Staatsreligion, da waren bei uns noch keine Missionare. Übers Meer bestand eine Verbindung mit Griechenland, hinzu kommen der persische Einfluss und der der Seidenstraße.

Da entstand eine große Kultur, die durch den Kommunismus, die Planwirtschaft und das genormte Denken gestutzt wurde. Ein gewisser nationaler Stolz auf die Kulturgeschichte ist schon erlaubt.

Tim Glindemann: Wie hat es Sie nach Georgien verschlagen?

Reiner Zufall, weil der Oboist des Orchesters, in dem ich spiele, Georgier ist. Nach einer Reise in ein Kinderheim wurde ich gefragt, ob ich da nicht auch unterrichten wolle. Das fand ich sehr gut. Es ging um aufregende junge Studenten, talentiert und begeisterungsfähig.

Magnus Kleine-Tebbe: Operieren Sie beim Malen mit der Idee verschiedener Farbfelder oder haben sie eine gegenständliche Struktur vor Augen, die sie reduzieren?

Nein, ich abstrahiere nicht. Ich male gegenstandslos, aber es passiert trotzdem, dass etwas auftaucht.

Magnus Kleine-Tebbe: Haben Sie schon einmal mit einem heimlichen Gedanken das himmlische Jerusalem gezeichnet?

Generell sind religiöse Themen immer auch inspirierend und bewegend.

Magnus Kleine-Tebbe: Für Sie also auch?

Gut und Böse – wie wollen Sie das anders darstellen als gegenstandslos?

Mein Vater hat mir früh viel Technik beigebracht, die Mutter erzählte Religiöses und ließ mich das auch malen.

Jörgen May: Wie fanden Sie Ihren Stil?

Ich hoffe, dass ich permanent eine Weiterentwicklung mache. Wenn Sie nur malen und es nicht weitergeht, hängen Sie ganz schön tief drin. Dann ist der Griff zu Narkotika eine große Gefahr für manche, weil sie glauben, so kommen Ideen. Dann kommen vielleicht die Illusionen.

Tim Glindemann: Würden Sie sich im positiven Sinne als abhängig von Kunst betrachten?

Kunst gehört dazu, aber wie wichtig es für mich ist, weiß ich nicht. Ich kann eine Geschichte von meinem Meister erzählen. Er war in Kriegsgefangenschaft. Alle sind dort durchgedreht. Aus dem Matsch im Lehm formte er kleine Formen und Männchen und betrachtete sie. Dadurch hat er es ohne großen Knacks im Kopf überstanden. Eine andere Sache: Er war mit ein paar Ukrainern eingesperrt. Die wussten, er ist Maler. Sie baten ihn darum, eine Muttergottes zu malen und holten dafür extra ein paar Substanzen aus der Apotheke. Der überzeugte Kommunist hat das gemacht. Plötzlich fingen die das Beten an. Das führte er immer als Beispiel an, wenn ein Bild die Seele bekommt. Das ist der Sprung vom rein Materiellen zum Geistigen.

Tim Glindemann: Kunst als menschliches Grundbedürfnis?

ZUR PERSON

Nikolaus Hipp, 1938 in München geboren, ist Maler, Musiker und Geschäftsführer des gleichnamigen Babykost-Herstellers im oberbayerischen Pfaffenhofen. Er studierte Jura und absolvierte außerdem eine Ausbildung an der staatlich anerkannten Malschule Heinrich Kropp in München.

In seinem Atelier, einer Jagdhütte, malt er manchmal mehrere Stunden täglich abstrakte Kunst, außerdem hat er eine Professur an der staatlichen Kunstakademie in Tiflis, Georgien, inne. Seine musikalische Liebe gilt der klassischen Musik, er spielt Oboe und Englischhorn.