Region. Die Wucht des Hagels kann heftig sein. Das bekam unsere Region vor einer Woche zu spüren. Hagel ist bis zu 140 Stundenkilometer schnell. Und am Wochenende drohen wieder heftige Gewitter.

Unser Leser Henning Wesche aus Wolfsburg fragt:

Nachdem Sie kürzlich ausführlich die Entstehung von Hagel erläutert haben, würde mich noch die maximale Fallgeschwindigkeit (bei Auftreffen auf den Boden) in Abhängigkeit von der Größe/Masse der jeweiligen Körner interessieren.

Die Antwort recherchierte Johannes Kaufmann

Eigentlich ist die Antwort einfach – möchte man meinen. Schließlich ist es ja nur eine einzige Kraft, die einen Körper im freien Fall beschleunigt: die Gravitation. Diese auf den Körper wirkende Kraft ist abhängig von der Masse des Planeten (in diesem Fall der Erde mit ihrer Masse von 5,974 mal 1024 kg), dem Abstand zwischen Körper und Erdmittelpunkt und der Gravitationskonstante.

Aufgrund der durch die Erdrotation erzeugten Abplattung unseres Planeten an den Polen ist der Betrag dieser Schwerebeschleunigung nicht überall gleich, sondern vom Ort des Falls abhängig. Am Äquator ist er etwas niedriger, an den Polen etwas höher. Grob vereinfacht kann man aber sagen, dass ein Körper im erdnahen freien Fall auf die Erde um etwa 9,81 Meter pro Sekunde beschleunigt. Unter Berücksichtigung der Höhe, aus dem der Hagel fällt, lässt sich die Geschwindigkeit beim Aufschlag leicht berechnen. Wie man sieht: ein Kinderspiel.

Doch so einfach ist es nicht – glücklicherweise. Denn unter diesen Bedingungen verliefen Fallschirmsprünge ausgesprochen unangenehm. Die Beschleunigung wäre unabhängig von der Masse des fallenden Körpers, und egal ob mit Fallschirm oder ohne, der Springer würde immer schneller – mit einer sehr abrupten Abbremsung durch die Erdoberfläche am Ende des Falls.

Dieser Grill ist nicht behämmert, sondern verhagelt. Dennis Meinke aus Wolfsburg schickte uns vorige Woche das Foto aus seinem Garten.
Dieser Grill ist nicht behämmert, sondern verhagelt. Dennis Meinke aus Wolfsburg schickte uns vorige Woche das Foto aus seinem Garten.

Tatsächlich erreichen Fallschirmspringer aber bereits nach etwa sieben Sekunden ihre maximale Fallgeschwindigkeit von rund 200 Kilometern pro Stunde (in Quer-Lage mit gespreizten Armen und Beinen). Denn es gibt noch eine zweite Kraft, die der Gravitation entgegenwirkt: den Luftwiderstand.

Und nun wird es richtig kompliziert. Der Luftwiderstand nimmt nicht nur wegen der Entstehung turbulenter Luftströme am Körper quadratisch mit der Geschwindigkeit zu, er ist auch von weiteren Einflussfaktoren abhängig – Form und Masse sowie Beschaffenheit der Oberfläche des fallenden Körpers, Luftdichte und so fort. Wer die Formel zur Berechnung des Luftwiderstands selbst herleiten will, sollte schon mal seine alten Mathe-Lehrbücher hervorkramen und sich über Differenzialgleichungen, Tangens Hyperbolicus und derlei Dinge schlau machen.

„Ganz schön Karacho“

Zum Glück gibt es Experten, die sich mit so etwas auskennen. Beim Deutschen Wetterdienst in Braunschweig weiß man schon mal, dass die Hagelkörner mit „ganz schön Karacho“ in der Region niedergingen und dabei wohl auch von Fallwinden zusätzlich beschleunigt wurden. Genau beantworten kann man die Frage spontan nicht. Hilfreich ist allerdings der Verweis auf das „Kompetenzzentrum Hagel“ (ja, auch so etwas gibt es) in Reutlingen. Dort kennt man sich aus mit Hagel. Das Unternehmen simuliert und erforscht Hagelschlag und prüft Materialien wie Solarzellen und Bauelemente auf ihren „Hagelwiderstand“. Zur Orientierung hat man dort eine Tabelle zur Intensitäts- und Schadensklassifikation von Hagel erstellt. Die reicht von Kleinhagel ab einem Durchmesser von 5 Millimetern bis zum Riesenhagel mit 20 Zentimetern Durchmesser.

Der Tabelle liegt eine überaus komplizierte Berechnung zugrunde, für die neben dem Durchmesser des (als rund angenommenen) Hagelkorns unter anderem auch dessen Masse bei einer geschätzten Eisdichte von 917 Kilogramm pro Kubikmeter, die Dichte der Luft bei einem Mittelwert von 1,2 Kilogramm pro Kubikmeter, der Luftwiderstandsbeiwert und die Erdbeschleunigung herangezogen wurden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ignorieren wir mal den Einfluss horizontaler und vertikaler Winde.

Was also sagt die schlaue Tabelle? Bis zu acht Zentimeter Durchmesser sollen die größten Hagelkörner in der Region aufgewiesen haben. Das fällt bereits in die Kategorie „Sehr großer Hagel“. Als Schadenspotenzial wird „erhebliche Verletzungsgefahr“ sogar mit „fatalen Folgen“ angegeben. Ein solcher Eisball wiegt knapp 250 Gramm, fällt mit nahezu 40 Metern pro Sekunde zur Erde und kann Autoscheiben, Fenster, Dachziegeln durchschlagen.

Umgerechnet in Kilometer pro Stunde ergibt sich ein Wert von etwa 140. Das entspricht einem durchschnittlichen „Fastball“ bei den Profi-Werfern der obersten amerikanischen Baseball-Liga, also einem Wurf, der ganz auf Geschwindigkeit ausgelegt ist. Auch ein wirklich harter Schuss beim Fußball erreicht solche Geschwindigkeiten.

180 Joule können richtig weh tun

Allerdings richtet ein weicher Fußball weniger Schaden an als eine harte Eiskugel. Um den „Wumms“ eines solchen Geschosses einschätzen zu können, lässt sich aus den bereits aufgeführten Größen auch die Aufprallenergie ableiten. Die liegt bei unserem eisigen Baseball bei gut 180 Joule.

Da mit einem solchen Wert kaum jemand etwas anfangen kann, haben wir einen weiteren Experten um Erklärung gebeten. Dr. Michael Kobusch von der Arbeitsgruppe Stoßdynamik in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig versucht es mit einem Vergleich: „Die Energie eines solchen Hagelschlags entspricht etwa der eines handelsüblichen 300-Gramm-Hammers, der Ihnen aus rund 60 Metern Höhe auf den Fuß fällt“. Aua.

Hagel

In Gewitterwolken wirbeln Aufwinde Wassertröpfchen nach oben. Dort gefrieren sie zu Eis und fallen. Dann geht’s im Aufwind nach oben. Sie nehmen Wasser mit, das gefriert – und vergrößern sich.

Je größer Gewitterwolke und Aufwind, desto häufiger wiederholt sich dieser Vorgang. Irgendwann trägt sie der Aufwind nicht mehr – und sie fallen zu Boden.

Hagelkörner haben einen Durchmesser von fünf bis zehn Millimetern, in Extremfällen zehn Zentimeter. Die größten je gemessenen maßen 20,32 Zentimeter.

Am Wochenende drohen wieder heftige Gewitter.