Braunschweig. Auch in unserer Region fordern abgeschottet lebende Sippen wie die sogenannten M-Kurden zunehmend den Rechtsstaat heraus.

Ein Leser, der ungenannt bleiben möchte, fragt:

„Ich bin kein Rechtsextremer. Aber warum kann die Zeitung nicht sagen, um welche Familienclans es da geht?“

Die Antwort recherchierte Katrin Teschner.

Drohen, einschüchtern und wenn sich ein Streit hochschaukelt auch schießen – immer wieder haben Polizei und Justiz mit Familienclans zu tun, die nach eigenem Recht und Gesetz handeln. Nach Informationen von Rainer Bruckert, ehemaliger Abteilungsleiter beim LKA, lässt sich auch die Auseinandersetzung zweier Großfamilien in Salzgitter ethnischen Clans zuordnen, die sich seit Jahren in Norddeutschland ausbreiten: die sogenannten Mhallamiye-Kurden, M-Kurden. „Inzwischen haben wir es bei diesen Gruppen mit einem Ausmaß an Gewalt und Einschüchterung zu tun, die die Polizei vorher nicht erlebt hat.“

Tatsächlich hat sich die Anzahl der auf Mhallamiye-Kurden zurückführbaren Straftaten in Niedersachsen nach Schätzungen der Behörden in den vergangenen zehn Jahren versechsfacht – von 100 auf 600. Insbesondere im Drogenhandel sind die einzelnen Sippen aktiv, bestätigt Bruckert. Die familiäre Bande der ursprünglich aus der Türkei und dem Libanon stammenden Mitglieder reiche von Bremen bis hin nach Niedersachsen, Berlin und den Westen Deutschlands. Ein Schwerpunkt in unserer Region ist Salzgitter, es gibt aber auch Verbindungen nach Peine und Hildesheim.

Dort hatte vor einem Jahr der „Ampelmord-Prozess“ für Aufsehen gesorgt: Weil ein Clan-Mitglied in Sarstedt den Liebhaber seiner Frau an einer Ampel erschossen hatte, wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Noch während des Prozesses setzten Familienmitglieder Zeugen massiv unter Druck. 50 waren geladen, doch vor Gericht wollte sich plötzlich keiner mehr an die Tat erinnern. Nach dem Urteil bekam der damalige Richter des Landgerichts Morddrohungen. Er steht seitdem unter Polizeischutz, obwohl er seit Anfang des Jahres im Ruhestand ist.

Das Beispiel zeigt, mit welcher Skrupellosigkeit die Clan-Mitglieder vorgehen. Experten sprechen längst von einer Parallelgesellschaft: „Das Kernproblem ist die totale Abschottung“, sagt Bruckert. „Die Clan-Mitglieder lehnen unseren Staat ab; sie haben sehr archaische Vorstellungen von Ehre und Gewalt.“

Der Autor und Fernsehjournalist Joachim Wagner warnt in seinem Buch „Richter ohne Gesetz“ sehr deutlich vor einer islamischen Paralleljustiz, die den deutschen Rechtsstaat gefährdet. „Die Clans leben in alten Stammesstrukturen“, sagt er. Sie regelten Straftaten innerhalb der Familie oder mit anderen Sippen selbst. Oft käme es zum Einsatz sogenannter „Friedensrichter“ – selbst ernannte Mediatoren, die bei Auseinandersetzungen zwischen muslimischen Großfamilien vermitteln.

Das stellt Polizei und Justiz vor große Probleme: „Straftaten werden kaum angezeigt“, sagt auch Bruckert. „Zeugen, die aussagen wollen, werden massiv bedroht – ebenso wie Familienmitglieder, die aussteigen oder Frauen, die sich nicht verheiraten lassen wollen.“ Schon eine Beleidigung oder eine nicht-akzeptierte Beziehung könnten der Anlass für Auseinandersetzungen sein, die sich dann hochschaukeln.

Angst und Respekt verbreiteten die Clans auch nach außen. „Sie lassen ihre Familienmitglieder nicht alleine“, sagt Bruckert. Wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, sei der Saal oft voll mit Angehörigen. „Da ziehen Zeugen schon mal eine frühere Aussage zurück.“ Inzwischen zeigen sich viele M-Kurden sogar offen mit der in einem Lorbeerkranz gedruckten Aufschrift „Das goldene M“. „Sie machen keinen Hehl aus ihrer Zugehörigkeit, tragen das sehr stolz nach außen.“

Laut Bruckert gehen die Ermittlungsbehörden entschieden gegen die Clans vor, sie wüssten inzwischen sehr viel über die Strukturen, es tauchten immer wieder dieselben Namen auf. Doch mit polizeilichen Mitteln allein sei das Problem nicht zu bekämpfen. „An den Stammtischen wird immer schnell der Ruf laut, solche Leute abzuschieben, aber das ist in der Regel gar nicht möglich“, sagt der ehemalige Ermittler. Viele hätten längst die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Ursprungsländer würden eine Aufnahme von Mitgliedern der Volksgruppe oft verweigern.

„Die einzige Chance ist es, die jungen Mitglieder zu überzeugen, dass es sich lohnt, in unserer Gesellschaft zu leben“, sagt Bruckert. Auf jeden Fall dürfe das Problem nicht verschwiegen werden. „Und wir müssen klar unterscheiden: Es handelt sich um eine kleine Gruppe, die mit der Mehrheit der Migranten nichts zu tun hat. Die leiden genauso unter deren Machenschaften.“

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