Salzgitter-Lebenstedt. Nach dem Clan-Krieg in Salzgitter haben Bürger Angst um ihre Sicherheit. Die Polizei hat schnelle Einsatzbereitschaft zugesichert.

Unser Leser Horst Merkens aus Salzgitter fragt:

„Ist man als Bürger auf den Straßen noch sicher? Was tut die Polizei? Ich habe meine Zweifel am deutschen Rechtsstaat...“

Die Antwort recherchierte Michael Kothe.

Die Schießerei nachts in einem Wohn-und Geschäftsviertel an der Berliner Straße hat für die Anwohner alptraumhafte Züge angenommen. Eine Kugel traf lebensgefährlich einen der sieben verletzten Angehörigen verfeindeter Großfamilien, die am Mittwoch gegen 0.30 Uhr auf dem Parkplatz eines China-Restaurants offenbar eine blutige Fehde austrugen. Ein weiteres Geschoss bohrte sich in die Haustür einer Arztpraxis auf der anderen Straßenseite. Weitere Patronenhülsen fanden die Spurensicherer der Polizei verteilt auf dem Fußweg vor dem Restaurant. Auf dem Parkplatz sind verblassende Blutspuren zu erkennen.

Wie leicht Unschuldige Opfer des Gewaltexzesses hätten werden können – das versetzt manchen Anwohner in Angst. Und sie bangen auch um die Sicherheit ihrer Kinder, die leicht in die Schusslinie rivalisierender Banden geraten könnten. Dies befürchtet etwa ein 45-jähriger Unternehmer, der an der Berliner Straße wohnt. Und fast alle hatten das Gefühl, dass die Polizei zu lange benötigte, um in der Schreckensnacht den Ausschreitungen ein Ende zu bereiten.

Die Beamten wiesen diese und ähnliche Gerüchte gestern mit Nachdruck zurück. „Wir haben ein sehr reines Gewissen – wir waren innerhalb von fünf Minuten am Tatort“, versichert der stellvertretende Inspektionsleiter Eckhard Häring. Details will er allerdings mit Hinweis auf die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig verhängte Informationssperre nicht mitteilen. Dafür schildern er und der Sachbearbeiter Einsatz, Gert Guse, sehr dezidiert, welche Vorgehensweisen bei vergleichbaren Vorfällen vorgesehen sind.

Grundsätzlich stellt Häring klar: „Bei eingehenden Notrufen wissen wir nie, was sich vor Ort wirklich abspielt“. Oft haben Anwohner nur unbestimmte Geräusche gehört, seien meist sehr aufgeregt, ihre Schilderungen häufig diffus. „Dann ist alles möglich – es kann sich beispielsweise um eine Schlägerei handeln oder vielleicht auch nur um den Beginn einer sich steigernden Aggression“, sagt Häring. „Das ist anfangs immer eine sehr unklare Lage für uns – es wäre fatal, wenn wir uns da Zeit ließen“, betont der Beamte.

Dies sei auch im Fall der Schießerei in der Berliner Straße so gewesen. Doch fünf Minuten bis zum Eintreffen der Beamten erscheinen wartenden Hilfesuchenden oft quälend lang, weiß Guse.

Die Gewaltorgie am Mittwoch soll sich gegen 0.30 Uhr ereignet haben, der Alarm bei der Polizei ging um 0.34 Uhr ein, der erste Streifenwagen traf laut Häring um 0.39 Uhr ein, alle weiteren während der folgenden 20 Minuten. Unterstützt wurden die Salzgitteraner Einsatzkräfte durch mehr als 20 Polizisten aus den Polizeiinspektionen Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel und Braunschweig.

Häring macht klar: Könnte die Lage brisant werden, wird nicht nur die Schutzausrüstung enger gezogen. Bei eskalierenden Vorfällen rücken bis zu vier Streifenwagen-Besatzungen „in wenigen Minuten“ aus. „Die Kollegen unterstützen sich umgehend, wenn es brenzlig wird“, sagt der Vize-Polizeichef. Auf Verstärkung aus Braunschweig könne innerhalb von 15 Minuten gesetzt werden.

Die Anforderung eines Sondereinsatzkommandos (SEK) sei innerhalb von mindestens 25 Minuten möglich – etwa bei Geiselnahmen oder größerer „Bedrohungslage“. Der jüngste Beispielfall ereignete sich nur wenige Stunden vor der Schießerei ebenfalls in der Berliner Straße: Ein 18-Jähriger hatte sich in seiner Wohnung verschanzt und stieß Morddrohungen aus. SEK-Beamte aus Hannover überwältigten den Mann gegen 22 Uhr, er wurde mit dem Krankenwagen in eine psychiatrische Klinik gebracht.

Großeinsätze wie Raubüberfälle, schwere Schlägereien, aber auch größere Verkehrsunfälle, die Suche nach Vermissten oder Alarmauslösungen in größeren öffentlichen Gebäuden kommen in Salzgitter laut Sachbearbeiter Guse einmal monatlich vor. Dass scharf geschossen wird, ist laut Häring äußerst selten. Doch auch hier sei die Einschätzung der Lage schwer. „Oft handelt es sich nur um Imitate, manchmal bloß um Schreckschusspistolen“, sagt er.

Dass nach der Schießerei in der Berliner Straße öfter Streifenwagen unterwegs sein werden, ist wahrscheinlich. Doch auch über solche Sicherheitsvorkehrungen mag Häring lieber schweigen.

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