Braunschweig. Die Schauspieler Max Riemelt und Hanno Koffler sprechen über ihre Rollen als Homosexuelle im Kinofilm „Freier Fall“.

Max Riemelt (links) und Hanno Koffler im Gespräch mit unseren Leserinnen. Der Film „Freier Fall“ ist heute und morgen um 18 Uhr im C1 Cinema Braunschweig zu sehen. Von Donnerstag, 20. , bis Mittwoch, 26. Juni, läuft er dann um 16.30 Uhr.
Max Riemelt (links) und Hanno Koffler im Gespräch mit unseren Leserinnen. Der Film „Freier Fall“ ist heute und morgen um 18 Uhr im C1 Cinema Braunschweig zu sehen. Von Donnerstag, 20. , bis Mittwoch, 26. Juni, läuft er dann um 16.30 Uhr.

Der junge Regisseur Stephan Lacan hat in seinem Debütfilm „Freier Fall“ ein Tabuthema angepackt: Zwei Polizisten verlieben sich ineinander. Der eine, Marc, ist jung verheiratet und gerade erst Vater geworden. Nun gerät seine gut geordnete Welt aus den Fugen – privat und beruflich.

„Freier Fall“ läuft heute und morgen um 18 Uhr im C1 Cinema Braunschweig, ab Donnerstag um 16.30 Uhr. Die Hauptdarsteller Hanno Koffler (Marc) und Max Riemelt (Kay) sprachen mit unseren Leserinnen über homosexuelle Polizisten, brüchige Selbstbilder und die Trennung zwischen Rolle und Privatleben.

Daniela Rettig: Hattet Ihr vor den Dreharbeiten Kontakt zur Polizei, habt Ihr dort hineinschnuppern können? Oder werdet Ihr einfach in solche Rollen geworfen?

Riemelt: Das liegt an uns selbst, wie sehr wir uns vorab mit dem Thema befassen, denn das Budget des Films hat eine größere Vorbereitung nicht hergegeben. Wir hatten auch keine offizielle Unterstützung von der Polizei. Persönlich hatte ich bereits Erfahrung mit Polizisten-Rollen. Und Hanno hatte einen Kontakt aufgetan zu einem Beamten, der sich geoutet hatte – zumindest gegenüber den Kollegen, gegenüber denen es notwendig war.

Koffler: Ein Gruppenführer einer Hundertschaft.

Riemelt: Das war natürlich eine richtig gute Einsicht, wie er damit umgeht. Er hat uns auch viel über sein Privatleben erzählt, was gut war, um die Sache differenziert zu betrachten. Das Privatleben muss nicht unbedingt etwas damit zu tun haben, wie man sich im Job verhält.

Koffler: Regisseur Stephan Lacan hat das Drehbuch zusammen mit Karsten Dahlem geschrieben. Der hat eine Polizeiausbildung absolviert, bevor er Schauspieler und Regisseur wurde und begann, Drehbücher zu schreiben. Der wusste also aus eigener Erfahrung, wie es dort abläuft. Und natürlich haben die beiden in der Zeit, in der sie am Drehbuch gearbeitet haben, viel recherchiert, Gespräche geführt mit geouteten und nicht geouteten Polizisten und anderen Ansprechpartnern für dieses Thema.

Das Ergebnis war, dass homosexuelle Polizisten in Großstädten kein echtes Tabu mehr sind. Da fährt auch mal ein Polizeiwagen ganz offiziell in der Christopher-Street-Day-Parade mit. Was allerdings hinter verschlossenen Türen in einer sehr männerdominierten Einrichtung stattfindet, ist immer noch etwas anderes. Da gibt es auch weniger tolerante Kollegen. Und in der Provinz wird einem geraten, sich erst nach der Ausbildung als homosexuell zu outen.

Nadine Haufe: Wie seid Ihr zu dem Film gekommen?

Koffler: Ganz klassisch über einen Casting-Prozess. Wir beide, Max und ich, kennen uns schon lange und haben vorher auch schon sehr intensiv zusammen gedreht. Ich habe dann das Drehbuch auf den Tisch bekommen und fand es super. Ich war lustigerweise für die Rolle von Kay angefragt und habe dann gesagt: Ich muss aber den Marc spielen. Ich konnte mich mit der Rolle unheimlich identifizieren – ich entscheide so etwas immer aus dem Bauchgefühl heraus.

Dann war Max für die Rolle des Kay im Gespräch, und das war wie eine Bestätigung. Mir war klar, dass das sehr gut funktionieren wird.

Corinna Melcher: Was hat Euch am Drehbuch am meisten gereizt? Es ist ja schon sehr vielfältig, was dort alles angesprochen wird.

Riemelt: Für mich war es gar nicht so sehr das Thema, sondern die Art und Weise, wie damit umgegangen wird. Dass es echte Einsichten in den Alltag gibt. Dass keine Klischees bedient, sondern einfach zwei Typen dargestellt und konsequent erzählt werden.

Damit konnte ich mich identifizieren, auch wenn es nicht meiner realen Sexualität entspricht. Es war einfach eine große Herausforderung – und Herausforderungen suche ich ständig –, einen Homosexuellen zu spielen.

Nadine Haufe: Habt Ihr Kontakte und Bezüge zur schwul-lesbisch-bi-transsexuellen-Szene?

Koffler: Na logisch. Aber es ist noch etwas anderes, was mich an dem Film gereizt hat. Zwar geht es auch um Homophobie und ein Coming out – aber erst in zweiter Linie. Vor allem will der Film auf Augenhöhe erzählen, wie sich zwei Menschen verlieben. Und wie daraus eine Dreiecksgeschichte entsteht. Da ist also ein verheirateter Typ, der verliebt sich in einen Mann, und seine Frau liebt er eigentlich auch noch – eigentlich will er alles haben.

Am Ende löst der Film auf, welche Sexualität Marc hat. Wie es damit weitergeht, lässt er offen. Aber klar ist, dass dieser Mann, der vorher einen sehr eingeschränkten Blick aufs Leben hatte, nun einen viel weiteren Horizont hat. Er wird nicht mehr so schnell über sich und andere urteilen…

Nadine Haufe: Mir hat gefallen, dass Du nicht Stereotypen eines schwulen Familienvaters bedienst, sondern einfach einen liebenden Menschen spielst.

Koffler: Das ist der Punkt. Es geht um Liebe.

Natürlich ist es hilfreich, wenn einem Liebe zwischen Männern noch ein wenig fremd ist, mit jemandem zusammen zu drehen, mit dem die Chemie absolut stimmt. Max und ich wollten diese Idee, diese Geschichte gemeinsam mit einem sehr vertrauensvollen Regisseur erzählen, und wir wollten dafür 150 Prozent geben.

Corinna Melcher: Man hätte die Rolle des Kay prinzipiell auch mit einer Frau besetzen können, oder? Die Geschichte hätte auch so funktioniert.

Koffler: Das ist eine schöne Bemerkung. Aber natürlich sucht man Geschichten mit einem möglichst großen inneren Konflikt.

Corinna Melcher: Verstehe. Ich hatte das aber wirklich als Lob gemeint. Eben weil Ihr diese Liebesgeschichte so natürlich spielt.

Koffler: Und trotzdem wird es noch existenzieller und geht noch tiefer, wenn man sich nicht nur neu verliebt, sondern auch seine eigene Sexualität neu kennenlernt und sich neu hinterfragen muss.

Riemelt: Und dann kommt noch die soziale Ächtung hinzu...

Koffler: Und dadurch wird der freie Fall, das Herauskatapultiertwerden aus dem eigenen Leben noch viel größer, viel schmerzvoller, viel bedrohlicher.

Daniela Rettig: Ich stelle mir vor, dass man auch in seinem Umfeld viel über so eine Rolle spricht. Hat sich Euer Denken und das Umfeld durch den Film verändert?

Nadine Haufe: Und müsst Ihr Euch jetzt häufig erklären? Ihr hattet ja auch eine große Geschichte im Männer-Magazin.

Riemelt: Man muss nur erklären, dass die Leute differenzieren sollten. Wer den Film gesehen hat, sollte verstehen, dass nichts für immer feststeht. Dass man nie so arriviert sein wird, dass man sagen könnte: Das bin jetzt ich, und ich werde immer so bleiben.

Koffler: Ich nehme das übrigens als Kompliment, wenn die Leute anfangen, mich als Privatperson mit dem zu verwechseln, den sie auf der Leinwand gesehen haben. Das zeigt ja, dass sie einem abnehmen, was man gespielt hat. Persönlich kann ich sehr gut trennen zwischen dem, der ich bin, und dem, was ich spiele.

Riemelt: Dem setzt man sich aber permanent aus, als Schauspieler, dass die Leute in dir das sehen, was sie sehen wollen.

Corinna Melcher: Interessant ist, dass Leute Probleme damit haben, wenn Du einen Schwulen spielst – spielst Du aber einen Massenmörder, ist das ganz klar nur eine Rolle.

Riemelt: Genau – weil das soweit weg ist von einem selber.

Koffler: Ich hätte auch noch eine Frage – gibt es bei der Braunschweiger Polizei viele schwule oder lesbische Polizisten, die sich geoutet haben?

ZUR PERSON

Hanno Koffler wurde 1980 in Berlin geboren. Er studierte Schauspiel in Wien und wirkte in mehreren Kinofilmen mit, unter anderem in „Krabat“, „Anatomie 2“ und „Nacht vor Augen“, wo er die Hauptrolle eines Soldaten spielte, der traumatisiert aus Afghanistan zurückkehrt. Seit 2010 gehörte Koffler zum Ensemble des Braunschweiger Staatstheaters, das er am Ende dieser Spielzeit verlässt, um wieder verstärkt für Film und Fernsehen zu arbeiten.

Max Riemelt wurde 1984 in Berlin geboren. Der Schauspiel-Autodidakt debütierte 1997 in einer Nebenrolle des TV-Zweiteilers „Eine Familie zum Küssen“. 1998 bekam er die Hauptrolle in der Serie „Zwei Allein“. Mittlerweile hat Riemelt rund vierzig TV- und Kinofilme gedreht, u.a. „Mädchen, Mädchen“, „Napola – Elite für den Führer“ und „Die Welle“.