Remlingen. Unverstrahlte Lauge wird zu horrenden Preisen entsorgt. Dabei könnte sie in die Nordsee fließen. Der Steuerzahler zahlt die Zeche.

Mehr als vier Millionen Liter Wasser fließen jährlich unkontrolliert in die Asse. Auf ihrem Weg durch den Schacht reichern sie sich mit Salz an. Damit der Schacht nicht absäuft, wird die Lauge aufgefangen und in das alte Steinsalz-Bergwerk Mariaglück bei Eschede gebracht; der Betreiber lässt sich das bezahlen. Da die Lauge – anders als der Laugensumpf vor Kammer 12 – nicht radioaktiv belastet ist, könnte sie auch in die Nordsee fließen. Uwe Hildebrandt recherchierte die Antworten auf Ihre Fragen zum Thema Asse-Wasser.

Unser Leser Torsten Gottsmann (52) aus Sickte fragt:

„Ich würde die unbelastete Lauge aus der Asse einfach im Meer verklappen, das ist im Grunde genommen Salzwasser. Nur in die Flüsse sollten wir sie nicht kippen. Wie viel zahlt der Steuerzahler denn für die derzeitige Entsorgungsform?“

Fast 12 000 Liter Lauge werden täglich in der Asse aufgefangen. Das Wasser dringt über das Deckgebirge in den Schacht ein, reichert sich auf seinem Weg mit Salz an. Im Gegensatz zum Laugensumpf vor der Atommüllkammer 12 ist diese Lauge unverstrahlt, weil sie nicht durch Atommüllkammern geflossen ist.

Trotzdem muss das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für ihre Entsorgung tief in die Tasche greifen – und damit der Steuerzahler. 54,45 Euro sind pro Kubikmeter zu zahlen.

Wenn die BfS-eigene Asse GmbH die Lauge ans Tageslicht gebracht hat, wird sie mit Lastwagen in die Nähe von Eschede zum Schacht Mariaglück gefahren. Die dortige K+S Entsorgung GmbH kann sie gut gebrauchen, denn sie flutet gerade ihr altes Steinsalz-Bergwerk. Die Asse-Lauge läuft einfach in den Schacht. Warum muss dafür noch Geld bezahlt werden?

„Es geht darum, einen emotional belasteten Stoff anzunehmen“, sagt K+S-Sprecher Ulrich Göbel. Das Management der in Kassel ansässigen Firma weiß sehr wohl, dass das BfS keinen anderen Abnehmer für die Asse-Lauge gefunden hat. Sechs andere Bergwerks- und Entsorgungsbetriebe hatten die Annahme verweigert, K+S konnte die Preise diktieren. Knapp 800 000 Euro nahm der Konzern bereits seit 2009 allein damit ein, sowieso benötigte Lauge in sein Bergwerk laufen zu lassen. Hinzu bekommt ein Pauschalbetrag, den das BfS zu Beginn der Anlieferung zahlen musste.

Dennoch weist Göbel den Vorwurf der Abzocke zurück: „Wenn Sie sagen, das sei ein hoher Preis, dann weiß ich nicht, welchen Vergleichspreis sie heranziehen“, sagt Göbel. K+S könne die Lauge zwar bei sich aufnehmen, es brauche sie aber nicht. Göbel verweist auf den Aufwand, den sein Unternehmen habe. So müssten etwa Proben gezogen und die Lieferungen dokumentiert werden. „Die Flutung des Bergwerks Mariaglück geschieht primär durch Entnahme von Frischwasser aus einem Oberflächengewässer, die Asse-Wässer machen nur einen kleinen Prozentsatz aus“, erzählt Göbel: „Wir machen hier nicht das Geschäft unseres Lebens. Das alles bewegt sich am untersten Kalkulationsrand.“

Diese Einschätzung teilt der prominenteste Geschäftspartner der Kasseler allerdings nicht. In einer Kleinen Anfrage zitieren Bundestagsabgeordnete der Grünen die Bundesregierung, die nach dem Braunschweiger Asse-Workshop im Januar 2012 dem Bundesumweltausschuss Bericht erstattet hatte: „Laut Bundesregierung nehme nur ein Unternehmen dieses Wasser ab und nutze seine Monopolstellung hinsichtlich der Vertrags- und Preisgestaltung.“ Der Bund müsse viel Geld aufwenden, um „nicht-kontaminierte Salzlaugen aus der Asse abgeben zu können.“

Hinzu kommen übrigens die Transportkosten, die den Staat inzwischen 68 000 Euro im Jahr kosten. Vor diesem Hintergrund wagte es das BfS nun, mit einer alten Idee an die Öffentlichkeit zu gehen: Unverseuchte Salzlauge aus der Asse soll einfach in die Flüsse eingeleitet werden – und so in die Nordsee gelangen. In der Nordsee würden die gleichen Werte gemessen wie bei den Laugen in der Asse, erklärte BfS-Sprecher Werner Nording auch gegenüber unserer Zeitung.

Das BfS verwies darauf, diesen Vorschlag Landesumweltminister Stefan Birkner (FDP) bereits im Mai 2012 gemacht zu haben. Birkner lehnt jedoch eine Einleitung der Asse-Lauge in die Nordsee ab – auch aufgrund zu erwartender Proteste an der Küste.

Die Kritik an dem scheidenden Minister ruft dessen Parteifreund Björn Försterling, Landtagsabgeordneter aus Wolfenbüttel, auf den Plan: „Ich möchte wissen, wie viel Lauge das BfS in welchen niedersächsischen Fluss einleiten möchte. Bisher gibt es keinen entsprechenden Antrag der Behörde im Umweltministerium.“

Försterling fordert das Bundesamt in Salzgitter auf, deutlich Position zu beziehen und konkrete Lösungsvorschläge zu unterbreiten; erst dann könne die Politik entscheiden. Das BfS wolle sich nun einen „schlanken Fuß“ machen, erklärt der Liberale: „Die Behörde ist sich bewusst, dass das Einleiten der Asse-Lauge in welchen Fluss auch immer unpopulär ist. Deshalb will sie die Entscheidung der Politik zuspielen. Wozu brauchen wir aber BfS-Experten, wenn schon die Vorauswahl und die Vorschläge im Ministerium entstehen sollen?“

Was würde passieren, wenn also das BfS die Asse-Lauge in die Oker einleiten und diese durch Braunschweig fließen würde? Gäbe es Proteste? Es wird wohl nie soweit kommen, denn Salzwasser darf nicht ohne weiteres in Flüsse verklappt werden. „Das ist eine Beeinträchtigung der Binnengewässer, und dafür gäbe es im Moment keine Rechtfertigung“, sagt Jörg Röhmann (SPD), Vorsitzender der Asse-II-Begleitgruppe und Wolfenbütteler Landrat.

Die Untere Wasserbehörde seines Landkreises müsste die Einleitung der Asse-Lauge in einen Fluss genehmigen. Nur ein Notfall könnte eine solche Genehmigung rechtfertigen, sagt Röhmann. Ein Notfall wäre ein plötzlicher Anstieg der in den maroden Asse-Schacht eindringenden Wassermenge.

„Das Vernünftigste wäre, wenn man es direkt in die Nordsee verklappt und dort mit Schiffen hin bringt“, schlägt der Landrat vor. Zu diesem Zweck könnte, so ein Szenario, eine Pipeline zum Salzgitter-Stichkanal gebaut werden – ein aufwändiges Unterfangen.

Auch Röhmann ärgert sich über die hohen Preise, die für die Laugen-Entsorgung in Mariaglück zu zahlen sind. Dennoch hat ihn der Vorstoß des Bundesamtes für Strahlenschutz zu diesem Zeitpunkt überrascht.

Röhmann: „Wir müssen zwar auf den Fall vorbereitet sein, dass der Laugenzutritt erheblich ansteigt. Dafür brauchen wir ein Modell, und die Antwort kann die Nordsee sein.“ Der Landrat sorgt sich aber auch um einige andere Asse-Probleme, deren Bewältigung er gerne erst mal Priorität einräumen würde. So kommt etwa die Erkundung der Atommüllkammern nicht voran. Auch der Grüne Stefan Wenzel, der möglicherweise nächster Umweltminister wird, verweist auf andere Asse-Baustellen, denen man sich widmen müsse. „Wenzel hat recht“, sagt Röhmann.

Und so kann es gut sein, dass der alte Schacht Mariaglück für seine Betreiber eine Goldgrube bleibt. Spätestens 2016 wird der Spaß allerdings ein Ende haben – dann erlischt die Genehmigung, Wasser aus dem Flüsslein Aschau in den Schacht zu leiten. Mariaglück wird in drei Jahren geflutet sein, dann könnte doch noch Asse-Lauge in die Nordsee schwappen.