Braunschweig. Autor Mario Bekeschus, Regierungsrat im Wissenschaftsministerium in Hannover, stammt aus Braunschweig. Sein Debüt „Gaußberg“ überrascht angenehm.

Nahe der Hindenburgschleuse in Hannover-Anderten treibt eine Leiche im Mittellandkanal. Das rechte Handgelenk ziert ein Tattoo: ein Vereinswappen mit rotem Löwen. Bald bestätigt sich die Vermutung, dass die Tote mit den schweren Kopfverletzungen aus der ungeliebten Nachbarstadt stammt. So erhält Wim Schneider den Auftrag, eine gemeinsame Ermittlungsgruppe mit Braunschweiger Beamten zu bilden. Weil der eigenwillige, aber erfahrene Kommissar ursprünglich von dort stammt. Und noch den einen oder anderen Kollegen kennt. Wie Manfred Wiegand, mit dem er mal befreundet war, bevor Schneiders Karriere etwas steiler verlief...

Das ist die Grundkonstellation in Mario Bekeschus’ Roman „Gaußberg“. Eine weitere Blüte aus dem florierenden Genre Regionalkrimi. Mit der Besonderheit, dass hier gleich zwei Städte spürnasentechnisch erschlossen werden. Bekeschus nennt seinen Wurf denn auch „Niedersachsen-Krimi“. Zur eigenen Überraschung hatte der 43-jährige Debütant, als er sich schließlich entschloss, Exposé und Manuskript an vier Verlage zu schicken, umgehend zwei Angebote auf dem Tisch. Nun liegt sein erster Roman in den Buchläden (Gmeiner-Verlag, 345 Seiten, 14 Euro). Und verkauft sich vor allem in Braunschweig recht gut, wie Bekeschus im Videogespräch strahlend erzählt.

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„Hannover ist mein Zuhause, Braunschweig meine Heimat“

Die literarische Premiere des Regierungsrats im Hannoveraner Wissenschaftsministerium hat autobiografische Hintergründe. „Hannover ist mein Zuhause, Braunschweig meine Heimat“, lautet seine Formel. Aufgewachsen ist er an der Oker-umflut nahe dem titelgebenden Gaußberg. Als Kind faszinierte ihn die damals halb verfallene Villa, die einst der Komponist und Mathematiker Hans Sommer (1837-1922) bewohnte. Ein leerstehender Gründerzeitbau mit dunklem Geheimnis ist auch ein Kristallisationspunkt seines Niedersachsen-Krimis.

Bekeschus wollte ursprünglich Journalist werden. Nach dem Abi absolvierte er aber erstmal eine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt in Hildesheim. Die machte ihm überraschend viel Spaß, und noch mehr die erste Stelle in der Verwaltung der Leibniz-Universität Hannover. Zumal er ohnehin mal aus Braunschweig hinaus wollte, wie Bekeschus erzählt.

Mario Bekeschus mag beide Städte: Braunschweig ist heimeliger, Hannover urbaner

Autor Mario Bekeschus (43) arbeitet als Regierungsrat im Wissenschaftsministerium in Hannover. 
Autor Mario Bekeschus (43) arbeitet als Regierungsrat im Wissenschaftsministerium in Hannover.  © Privat | Privat

In der Hinsicht sei Hannover allerdings kein Zuckerschlecken gewesen: „Diese ewigen Frotzeleien, wenn man seine Herkunft outet, ich kann’s nicht mehr hören.“ Reflexartiges Hannover-Bashing in der alten Heimat nerve ihn nicht minder. Er möge beide Städte, das heimelige Braunschweig wie das doppelt so große, anonymere Hannover, das dafür aber kulturell vielfältiger, bunter und urbaner sei. Er sehe sich und seinen Roman auch als Brückenbauer, sagt Bekeschus.

Inspiriert hätten ihn vor allem die Thriller von Jussi Adler-Olsen und namentlich dessen Held Carl Mørck. „Ein Kommissar mit Ecken und Kanten!“, schwärmt Bekeschus (als gäbe es mit Ausnahme von Derrick irgendeine aalglatte Ermittlerfigur). Schon vor Jahren habe er seinen Kommissar Wim Schneider ersonnen, einen bärbeißigen, alleinstehenden Mittfünfziger mit Prostata-Problemen und digitaler Legasthenie, aber viel kriminalistischer Intuition. Relativ schnell seien damals die ersten 80 Seiten entstanden – aber dann lange liegengeblieben. Bis ihn der Corona-Lockdown und eine längere Erkrankung dazu brachten, das Manuskript nochmal hervorzuholen und in einer Art Schaffensrausch in wenigen Monaten zu vollenden, wie Bekeschus erzählt.

Eine lesbische Jungkommissarin treibt die Handlung voran

Und schreiben kann er, der Herr Regierungsrat, zu dessen Aufgaben im Ministerium neben der Betreuung von Forschungseinrichtungen auch das Verfassen von Grußworten gehört. Seine Sätze sind flüssig, der Rhythmus und die Sprachbilder stimmen, Dialoge und Beschreibungen kommen auf den Punkt. Auch die „Gaußberg“-Charaktere sind markant: der grummelige Wim Schneider, sein biegsamer Vorgesetzter Dr. Jörg Cassensmeier, der verkrachte Braunschweiger Journalist Sebastian Schmidt, der eine unliebsame Nazigeschichte recherchiert, der smarte Hannoveraner Immobilienmakler David Simonis mit der russischen Model-Freundin, der seine Finger nach Braunschweiger Filetstücken ausstreckt.

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Krimi-Debütant Bekeschus kann Figuren gestalten, wenn sie auch nicht frei von Stereotypen sind. Gekonnt deutet er die unterschwelligen Spannungen zwischen Schneider und seinem zu kurz gekommenen Braunschweiger Kollegen Manfred Wiegand an oder die Affäre, die sich zwischen der emsigen lesbischen Jungkommissarin Rosalie Helmer und einer in den Fall verwickelten attraktiven Lehrerin anbahnt. Diversität bei den Figuren sei ihm ein Herzensanliegen, betont Bekeschus, der selbst einen festen Lebenspartner hat.

Auch der Plot seines Krimis funktioniert gut bis zum finalen Showdown, in dem alle Rätsel etwas lehrbuchartig aufgelöst werden.

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Im Blog Mario_schreibt legt Bekeschus seine Anfängerfehler offen

„Gaußberg“ ist kein literarisches Meisterwerk, aber doch ein erstaunlich gut geschriebenes, unterhaltsames Krimidebüt. Und sein aufgeweckt wirkender Schöpfer versteht sich geschickt zu vermarkten, betreibt etwa auf Instagram den Autoren-Blog Mario_schreibt, in dem er sich mit Kollegen austauscht und offen über seine Anfängerfehler berichtet – „etwa draufloszuschreiben, dann über Polizeiarbeit zu recherchieren und daraufhin vieles umschreiben zu müssen“.

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Sein zweites Manuskript sei er schon professioneller angegangen. Da verschlage es den Ermittler Wim Schneider in eine Harzer Kurklinik, in der es natürlich auch mörderisch zugeht. Wenn sich „Gaußberg“ so gut verkaufe wie erhofft, werde es in einiger Zeit erscheinen.

Am Donnerstagabend liest Mario Bekeschus ab 20 Uhr im Livestream der Buchhandlung Graff aus „Gaußberg“. Zudem bietet der Stadtführer Thomas Baumgarten Führungen zum Krimi und zum Mathematiker Carl Friedrich Gauß an, erstmals am 8. März. Mehr Infos unter braunschweigerzeiten.de