„Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ – dieser „weise“ Satz war einer der ersten, die ich als Kind im Lateinunterricht übersetzen musste. Was es mit diesem Leben auf sich hat, begreift man spätestens, wenn man aus Schule oder aus dem Studium kommt. Bei 38 bis 40 Stunden Arbeit pro Woche, begreift man schnell, was von diesem Leben übrig bleibt: wenig.

Um Freunde zu treffen, braucht es plötzlich wochenlange Planungen und WhatsApp-Korrespondenzen. Natürlich muss man noch zum Sport , denn man möchte ja gesund bleiben. Und ganz vorne stehen der Partner und die Familie – die sollen ja nicht zu kurz kommen. Viele setzen daher schon in anderen Aspekten des Lebens den Rotstift an. Wie soll da die Zeit bleiben, sich politisch zu engagieren? In wöchentlichen Treffen über bundes- oder kommunalpolitische Themen zu reden und seine politische Meinung in Sitzungen zu vertreten?

Das Durchschnittsalter im Braunschweiger Rat zeigt die Antwort ganz plastisch auf: Die Zeit kommt meist erst mit dem höheren Alter. Das ist demokratiefeindlich, denn Demokratie ist idealerweise mehr als nur alle paar Jahre ein Kreuz zu machen. Wir müssen uns daher fragen, wie viel Arbeit der Mensch und die Gesellschaft braucht und ihr guttut – und wie die Grundsicherung trotzdem funktionieren kann. Denn noch muss man es sich leisten können, Arbeitszeiten im regulären Betrieb zu reduzieren, um den Arbeitsumfang eines Teilzeit- oder Vollzeitjobs in einem Ehrenamt zu stemmen. Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Schlagwort in dieser Diskussion. Gerade in Zeiten wie diesen braucht man ein breites politisches Engagement aller bürgerlichen Milieus, um sich der Radikalität entgegenzustellen, die sich in Deutschland ausbreitet. Aber das braucht Zeit – ein wertvolles Gut. So wie eine stabile Demokratie.