Ehra-Lessien. Landkreis und Kreisvolkshochschule ziehen positive Bilanz des Projekts in Ehra-Lessien nach dem ersten Jahr – Das ist das Erfolgsrezept

Normalerweise sieht das Land vor, dass Kinder geflüchteter Familien umgehend die Regelschulen der Umgebung besuchen. Für die Gemeinschaftsunterkunft in Ehra-Lessien gibt es eine Ausnahme: das Projekt Vor-Schule. Diese Bilanz ziehen Landkreis und Kreisvolkshochschule (KVHS) nach dem ersten Jahr.

„Die Kultusministerin ist kein Fan davon“, weiß Landrat Tobias Heilmann, „sie beharrt auf die Schulpflicht an Regelschulen, aber wir haben uns nicht beirren lassen.“ Denn der Kreis habe gute Gründe gehabt, die Vor-Schule auf dem Gelände des Camps einzuführen: Die Schulen der Samtgemeinde Brome seien mit den Kindern aus dem Camp überlastet gewesen.

Josefin zum Felde, die Leiterin der Stabstelle Integration im Landkreis Gifhorn.
Josefin zum Felde, die Leiterin der Stabstelle Integration im Landkreis Gifhorn. © Reiner Silberstein

„Die Grundschule Ehra ist einzügig und hat immer sämtliche Schüler aufgenommen“, sagt Josefin zum Felde, die Leiterin der Stabstelle Integration. Das habe dazu geführt, dass zeitweise die Hälfte aller Mädchen und Jungen der Schule aus dem Camp kamen – und sich in den ersten Monaten teils nicht einmal verständigen konnten. „Das war für die Schule nicht zu stemmen.“ Zum Vergleich: Von der Flüchtlingsunterkunft Clausmoorhof können die Kinder auf mehrere Grundschulen der Stadt Gifhorn verteilt werden.

Für die Kinder ist die erste Zeit eine enorme Herausforderung

Und gerade in den ersten Wochen der Ankunft der Flüchtlingsfamilien gebe es viel Fluktuation: Sie ziehen in Wohneinheiten anderer Kommunen oder verlassen das Land wieder. „Das ist auch für die Kinder eine enorme Herausforderung“, so zum Felde, „kaum beginnen sie, sich in einer Grundschule zu integrieren, sind sie schon wieder weg.“ Dazu komme, dass die wenigsten Grundschulen Fachkräfte für Deutsch als Fremdsprache (DaF) haben.

Aus all diesen Umständen hatte der Kreis zusammen mit der KVHS die Projektlösung erarbeitet: Die Mädchen und Jungen bekommen die ersten drei Monate in eigens auf dem Gelände hergerichteten Räumen in zwei altersgemischten Gruppen à zehn Kinder 20 Stunden Unterricht in der Woche – für diese Zeit von der regulären Schulpflicht befreit und auch in den regulären Ferien. Dort könne viel intensiver auf die Kinder eingegangen werden. Hinterher werden sie auf mehrere Grundschulen in Brome und der Gemeinde Sassenburg verteilt.

„Die Grundschulen erhalten dann auch standardisierte Erfassungsbögen über die Kenntnisse, das Verhalten und den Sprachschatz der Kinder“, sagt zum Felde, „die sind für die Schulen eine große Erleichterung.“ Gestartet hatte die Vor-Schule mit einer zehnköpfigen Gruppe und wurde gleich im März vergangenen Jahres um 100 Prozent erweitert. Zum Felde: „Jetzt ist das Baby groß geworden.“ Die Lehrkräfte seien „mit Herzblut und großem Engagement“ dabei, lobt sie.

Wertschätzung gibt Gefühl des Willkommen-Seins

Das Projekt habe sich zu einer „ausgelagerten Willkommensklasse“ entwickelt, sagt Heilmann – „wir machen die Kinder fit für die Regelschulen“. Es werde den Kindern die Chance gegeben, erst einmal adäquat anzukommen. Diese freiwillige Leistung lässt sich der Kreis rund 170.000 Euro jährlich kosten. Und eigentlich müsse sich das Land freuen, so der Landrat: „Das spart sich dadurch die DaF-Lehrer.“

Inga Neubauer, Leiterin der KVHS.
Inga Neubauer, Leiterin der KVHS. © Reiner Silberstein

Genau diese Unterrichtseinheit werde in der Vor-Schule groß geschrieben, sagt Inga Neubauer, die Leiterin der KVHS. „Wenn die Eltern mitbekommen, dass den Kindern geholfen wird, macht das auch etwas mit ihnen. Das ist Wertschätzung, sie fühlen sich willkommen.“ Die Räume seien mittlerweile nicht mehr nur provisorisch hergerichtet, sondern verschönert worden. „Das Projekt ist eine runde Sache.“

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