Braunschweig. Pat Jabbers alias Pat Müller folgen Zehntausende bei Instagram. Der Big-Brother-Finalist startet als Trauerredner durch – mit berührender Geschichte.

„Einfühlsamkeit ist die wichtigste Fähigkeit in meinem Beruf“, sagt Patrick Müller, den seine Freunde „Pat“ nennen. Der 34-Jährige arbeitet als Trauerredner in Braunschweig und Region. Wenn Verstorbene nicht kirchlich beerdigt werden, engagieren Hinterbliebene über Bestattungsinstitute oft Müller, damit er eine Abschiedsrede hält.

Die Einfühlsamkeit braucht Müller vor allem bei den Vorgesprächen mit den Angehörigen. Sie sind essenziell für den Job, denn nur durch die Geschichten der Hinterbliebenen kann Müller der Trauerrede eine persönliche Note geben. „Es darf auch mal eine Anekdote sein, die den Verstorbenen in seinen Eigenheiten beschreibt“, sagt Müller als Gast in unserem Braunschweig-Podcast „Yes BS“. Da dürfe – natürlich mit respektvoller Rücksicht auf die Trauersituation – in der Kapelle auch mal geschmunzelt werden. „Wenn den Angehörigen ein lustiger Spruch ihres Liebsten im Gedächtnis geblieben ist, warum soll er dann nicht auch damit in Erinnerung bleiben?“, sagt Müller. Meist werde er von Bestattungsinstituten für die Reden vermittelt.

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Die beklemmende Stimmung sei bei den Vorgesprächen meist sofort zu greifen, am deutlichsten etwa, wenn Eltern ihr viel zu früh verstorbenes Kind zu Grabe tragen müssen. „Da ist eine Schwere im Raum, die ist wirklich bedrückend“, so Müller. Doch sein Job sei es, den Angehörigen in der Trauer Halt zu geben. Nah am Wasser gebaut, das sei er nicht. „Ich darf als Trauerredner nicht anfangen zu weinen, wenn ich in Gesichter voller Tränen blicke“

Müller überstand Trauer über Tod beider Eltern

Die Trauer, sie spielte in Pat Müllers eigenem Leben lange eine zentrale Rolle. Binnen weniger Jahre verlor er beide Eltern an den Krebs. Der Vater starb, als Müller 17 Jahre alt war, die Mutter verlor er, als er 24 Jahren alt war. Die Mutter kämpfte lange gegen die Krankheit, der Vater nur kurz. Neben Schule und Studium musste Pat Müller beide Elternteile nacheinander pflegen und ihnen seelischen Beistand leisten. Seine Psyche sei zu jener Zeit ohnehin bereits angeschlagen gewesen. Müller erzählt, dass er in der Schule wegen seines damaligen Übergewichts gemobbt worden sei, sich mit 15 Jahren als schwul geoutet habe. Damals habe er auch seinen ersten festen Freund gehabt. „Bei dem, was damals alles passiert ist, dachte ich: Das Leben ist nur schlimm. Ich könnte heute auch heroinabhängig in irgendeiner Ecke liegen, wenn ich abgestürzt wäre.“

Eine Freundin von mir hat jeden Abend bei mir übernachtet, um für mich da zu sein. Ohne so ein tolles Umfeld hätte ich das nicht überstanden.
Pat Müller, Trauerredner, über die Trauer um seine Mutter

Es kam anders: Dank des Einsatzes seiner Freunde überstand Müller die Trauer. „Eine Freundin von mir hat jeden Abend bei mir übernachtet, um für mich da zu sein. Ohne so ein tolles Umfeld hätte ich das nicht überstanden“, sagt er heute. Eine Kur in einer Klinik für Psychosomatik, ermöglichte es ihm in den Studienalltag zurückzukehren.

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Patrick Müller alias "Pat Jabbers", Influencer, Ex-Big-Brother-Finalist beim CSD 2022 in Braunschweig. © Pat Müller | Privat

Trauerredner sei er geworden, weil er sich über die Rede bei der Beerdigung seiner Mutter geärgert habe. „Ich habe dem Redner so viel über sie erzählt, und am Ende kamen nur unpersönliche Kalendersprüche. Da dachte ich: Das will ich besser machen.“

Aufgrund der Erfahrung mit dem Tod seiner Eltern sei es ihm wichtig, dass Verstorbene so in Erinnerung blieben, wie sie zu Lebzeiten waren, statt sie auf ein Podest zu heben. „Mein Vater war ein Choleriker“, sagt Müller. Er habe den Familienhund geschlagen und ihn, den Sohn, häufig angeschrien. Seine Mutter hingegen bezeichnet er als seine „beste Freundin“. „Sie war eine coole Socke, eine ganz tolle Person“. Zehn Jahre nach ihrem Tod müsse er zwar nur noch selten weinen, doch an Weihnachten packe es ihn, meist pünktlich zur Mittagszeit an Heiligabend. „Das ist für mich ein besonders melancholisches Fest, weil ich immer an unsere Familienfeiern denken muss.“

Influencer und Big-Brother-Finalist, aber am liebsten Trauerredner

Doch Trauer ist nicht alles in seinem Leben. Unter dem Namen „Pat Jabbers“ (vom englischen Verb „to jabber“ = quatschen) baute er sich als Influencer eine Gefolgschaft auf Instagram auf, die er mit kleinen, bunten Videoclips bespaßt. Dort verkleidet er sich auch mal als Frau, als Krähe oder führt kleine Sketche auf. Durch die Teilnahme bei der Reality-Show„Big Brother“, bei der er 2020 bis ins Finale vordrang, schossen seine Followerzahlen zeitweise auf 70.000 hoch. Mit Produktplatzierungen verdient er sich etwas dazu und teilt sonst seinen Alltag mit seinen Fans.

Anders als viele Reality-TV-Teilnehmer will er seine Zeit bei „Big Brother“ nicht missen. Die Staffel der Sendung hat aufgrund der Corona-Pandemie sogar historischen Wert: Denn Pat und die anderen Teilnehmer lebten von März bis Mai 2020 in Isolation unter Dauerbewachung, wie es das Konzept erfordert. „Wir waren drinnen völlig ahnungslos“. Die Kandidaten erfuhren von den Corona-Maßnahmen erst, nachdem Deutschland bereits im ersten Lockdown war. „Wir dachten zunächst, das sei ein Witz von den Machern der Sendung“, sagt Müller. Als er aus der Isolation in den Alltag entlassen wurde, habe er lange gebraucht, um sich an Regeln wie Abstand halten und Maske tragen gewöhnen müssen. Sogar die New York Times berichtete über die Gruppe aus dem Big-Brother-Haus, die wohl als eine der letzten in Deutschland von der Pandemie erfuhr.

Ruhm im Internet ist für Müller zweitrangig. „Wenn ich zwischen Influencer und Trauerredner wählen müsste, würde ich mich immer für den Trauerredner entscheiden“, sagt er.

Was Pat Müller als „To-do-Liste des Todes“ bezeichnet und warum er trotz Mobbing in der Schulzeit positiv auf sein Coming-out damals blickt, erfahren Sie in Folge 20 des Podcasts „Yes BS“, jetzt in der BZ-E-Paper-App, auf Spotify und Apple Music.