Braunschweig. In Braunschweig sind mehr als 100 Zulassungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsfunktionen für die zivile deutsche Luftfahrt angesiedelt. Ein Besuch.

Wer sich mit den großen Unternehmen und Behörden in Braunschweig beschäftigt, kommt am Luftfahrt-Bundesamt (LBA) am Forschungsflughafen nicht vorbei.

Luftfahrt-Bundesamt – ein großer Arbeitgeber in Braunschweig

Rechts und links der Hermann-Blenk-Straße, zuletzt noch einmal gewachsen mit einem im Februar 2022 eröffneten zweiten Dienstgebäude, sind im Zuständigkeitsbereich des Bundesverkehrsministeriums mehr als 100 Zulassungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsfunktionen für die zivile deutsche Luftfahrt angesiedelt.

Luftfahrt-Bundesamt in der Datengrafik.
Luftfahrt-Bundesamt in der Datengrafik. © Jürgen Runo

Vor allem die Kontrolle der Luftfahrtunternehmen und ihres Personals, die Zulassung von Luftfahrzeugen und die Überwachung von Luftfahrt-Herstellungsbetrieben gehören zu den Aufgaben des LBA.

Seit 2012 ist Jörg Mendel, 1962 in Münster geboren, dessen Präsident, ebenso Vorstandsmitglied im Verein Forschungsflughafen. An ihm schätzt er besonders die Synergie-Effekte und sagt: „Eine ganz tolle Kooperation, aber auch noch weiter ausbaufähig.“

Präsident des Luftfahrt-Bundesamtes: Jörg Mendel.
Präsident des Luftfahrt-Bundesamtes: Jörg Mendel. © Henning Noske

2008 bis 2012 wurde Jörg Mendel als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Weltluftfahrtorganisation ICAO im kanadischen Montreal berufen. Selbst besitzt der Jurist den Pilotenschein. „Ich wollte mehr verstehen, worüber Flieger reden“, sagt er.

Akutes Problem im Luftfahrt-Bundesamt: unbesetzte Stellen

Und dann sprechen wir über aktuelle Aufgaben, unbesetzte Stellen und mehr in einer Bundesoberbehörde, deren Kräfte häufig Spezialaufgaben mit zahlreichen internationalen Kontakten erfüllen.

Kommen wir gleich zu einem wichtigen Thema. Wie steht es angesichts der aktuellen Gefährdungslagen um die Sicherheit der kritischen Infrastruktur im Luftfahrt-Bereich?

Was viele gar nicht wissen, weil es ja auch eher ungewöhnlich ist: Luftfahrtbehörden sind zwar welt- oder europaweit auch für die Sicherheit auf Flughäfen zuständig, für die Kontrollen von Passagieren und Gepäck und für die Luftraumüberwachung. So ist das etwa bei der französischen Behörde, sie hat allerdings auch 12.000 Mitarbeiter. In Deutschland ist das jedoch anders. Als Luftfahrt-Bundesamt sind wir für die genannten Bereiche nicht zuständig.

Hierzulande gibt es mehrere Luftfahrtbehörden, auch des Bundes. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung in Langen bei Frankfurt beispielsweise ist für die gesamte Flugsicherung im Luftraum zuständig. Die Bundespolizei ist zuständig für die Kontrolle von Passagieren und Gepäck. Die Sicherheit auf den Flughäfen wiederum ist Aufgabe der Länder. Aber klar, auch wir als Luftfahrt-Bundesamt haben viel mit kritischer Infrastruktur zu tun.

Denn das Luftfahrt-Bundesamt ist die Aufsichtsbehörde über die Luftfahrt-Unternehmen. Unsere Mitarbeiter prüfen hier die Sicherheit, zum Beispiel im Bereich Cyber-Security. Hier kooperieren wir mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Außerdem sind wir für die Sicherheit in Instandhaltungsbetrieben und die Sicherheit der Unternehmen in den Lieferketten zuständig. Auch unsere eigene IT beispielsweise müssen wir absichern. Dafür benötigen wir IT-Spezialisten, mehr, als sie uns bislang zur Verfügung stehen.

Corona scheint überwunden. Was waren die Auswirkungen?

Als Luftfahrt-Bundesamt sind wir ziemlich gut durch die Pandemie gekommen. Die Arbeitsfähigkeit war stets hergestellt. Wir haben die Pandemie zudem genutzt, uns weiter umzustellen und anzupassen, Stichworte sind elektronische Bearbeitung, Digitalisierung, E-Akte. Fast alle Dienstleistungen, die wir anbieten, werden wir in naher Zukunft online anbieten, zum Beispiel Verkehrszulassungen, Lizenzen, Zulassungen etwa von Flugschulen und Simulatoren und vieles mehr.

In die Schlagzeilen gerät das Luftfahrt-Bundesamt eher selten.

Das mag wohl auch an der beschriebenen spezifischen Aufgabenstruktur in Deutschland liegen. Gleichwohl sind es mit der Kontrolle der Luftfahrtunternehmen, der Lizensierung der Piloten und der Zulassung für Luftfahrzeuge wesentliche Bereiche, für die wir zuständig sind. In dem Umstand, dass wir eher weniger in den Schlagzeilen sind, sehe ich nicht unbedingt einen Nachteil.

Wie steht es um die medizinischen Untersuchungen der Piloten, für die Sie zuständig sind?

Wir führen die Untersuchungen zwar nicht selbst durch, für uns sind Fliegerärzte tätig, die vom Luftfahrt-Bundesamt die Zulassung erhalten. Wenn bei diesen Untersuchungen etwas auffällt, dann muss hier bei uns eine Entscheidung getroffen werden: Flugtauglich, ja oder nein – oder mit Einschränkungen oder Auflagen. Auch diese Entscheidung bei uns muss zwingend von Ärzten getroffen werden. Dafür haben wir zwar genügend Stellen – aber wir können sie nicht alle besetzen.

Klar, ein Arzt möchte den Patienten, den Piloten auch sehen. Auch die Bezahlung fällt etwas geringer aus als etwa im Krankenhaus. Da ist auch Verwaltungsarbeit zu leisten. Aber dafür gibt es bei uns auch keine Schicht- und Nachtdienste, stimmt hier in allen Bereichen die Work-Life-Balance.

Wir bieten jetzt auch Teilzeitmodelle an, haben die Stellen bundesweit ausgeschrieben, sprechen auch niedergelassene Fliegerärzte an, mit Honorarvereinbarungen für uns tätig zu werden. Dennoch sind wir in diesem wichtigen Bereich noch unterbesetzt. Das führt leider zu Wartezeiten, wenn Piloten wegen einer Diagnose zu uns verwiesen worden sind und am Boden bleiben müssen. Denn Sicherheit geht vor.

Sie haben ohnehin Probleme mit der Personalgewinnung?

Nach wie vor haben wir fast 100 vakante Stellen. Das treibt uns um, wir müssen und wollen sie besetzen. Das ist ein Aufruf: Es gibt hier in Braunschweig einen interessanten Arbeitgeber, bewerbt Euch bei uns! Wir suchen IT-Kräfte, Luftfahrt-Ingenieure, Piloten, Ärzte und Verwaltungsmitarbeiter, stellen permanent ein.

Das ist ungewöhnlich für eine Behörde, wenn ja woanders oft von Stellenkürzungen die Rede ist.

Wir sind ein interessanter Arbeitgeber, haben flexible Arbeitszeitmodelle, bieten Home-Office an – bis zu vier Tage in der Woche. Eine Kern-Arbeitszeit, die es früher gab, wurde abgeschafft und durch einen Rahmen von 6 bis 20 Uhr ersetzt.

Die Mitarbeiter-Zufriedenheit ist hoch. Auch die Unterbringung in unseren beiden Gebäuden dies- und jenseits der Hermann-Blenk-Straße ist sehr gut, es gibt ausreichend Parkplätze. Auch die Sicherheit in der Luftfahrt ist schließlich ein Thema, das seinen Reiz ausstrahlt.

Wie gut ist das Verhältnis zur Stadt Braunschweig?

Ausgezeichnet. Wir haben nur einen großen Wunsch und eine Sorge. Bei Stau auf der A2 – und das ist leider oft der Fall – wird die Hermann-Blenk-Straße zur Ausweichstrecke, auch für LKW, die hier mit großen Tempo zwischen unseren beiden Gebäuden hindurchbrummen. Dort bewegen sich jedoch sehr oft am Tag auch unsere Mitarbeiter, die zwischen unseren Gebäuden wechseln müssen. Das ist gefährlich! Hier wünschen wir uns Abhilfe, mehr Sicherheit, sei es mit Zebrastreifen oder einer Bedarfsampel-Anlage. Leider hat sich noch nichts getan. ich möchte nicht warten, bis hier ein Unfall passiert.

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