Braunschweig. Wie können Gaststätten und Hotels diesen Winter überstehen? Fieberhaft wird nach Lösungen gesucht.

Es ist eine vertrackte Gemengelage, eigentlich schon längst eine katastrophale: Für die Hotels und Gaststätten in Braunschweig und in der Region steigen durch Krieg und Energiekrise gerade nicht nur alle Kosten in einem bislang nicht gekannten Ausmaß. Zudem nimmt und nimmt die Corona-Pandemie einfach kein Ende.

Mehr noch: Alle Experten rechnen damit, dass die nächste Infektionswelle nicht nur bevorsteht, sondern bereits begonnen hat. Und auch das ist noch nicht alles: Die insgesamt lähmende Lage mit bedrückender Ungewissheit führt dazu, dass immer mehr Menschen im Zweifelsfall immer lieber und immer öfter schlicht zuhause bleiben.

Das alles in Summe ist pures Gift für Gaststätten und Beherbungsbetriebe. Viele könnten diesen Winter nicht überleben.

Manche Gastronomen und Hoteliers sind jetzt auf einen Ausweg verfallen, der einerseits auch nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein erscheint, andererseits aber eine zusätzliche Einnahmequelle im Konsens mit der Kundschaft verheißt. Einen einheitlichen Namen dafür gibt es noch nicht, mal wird es „Energie-Euro“ genannt, mal Energiepauschale – und auch schon mal salopp „Gas-Trinkgeld“ oder „Rettungsschluck“.

Gastronomen oder Hoteliers erheben dann pro Gast oder Deckel einen „Energie-Soli“ in Höhe von einem, zwei oder drei Euro – zusätzlich zur ohnehin aufgelaufenen Rechnung. Schon berichteten „Goslarsche Zeitung“ und NDR über das Beispiel eines Hotels im Harz, schon sorgte ein Wirt in Bayern bundesweit für Schlagzeilen, der einen „Energie-Euro“ auf Maß und Radler packte und sich prompt einen rechtlichen Rüffel vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband einhandelte.

So einfach ist die Sache nicht. Auch in Braunschweig gebe es bereits Bestrebungen und Vorschläge, die Kundschaft an Theke, Stammtisch und Rezeption über eine solche Energiepauschale an den krisenhaft exorbitant gestiegenen Kosten zu beteiligen, bestätigte der hiesige Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands, Mark Alexander Krack, im Interview mit unserer Zeitung.

Mark Alexander Krack, Geschäftsführer des DEHOGA-Kreisverbandes Region Braunschweig-Wolfenbüttel.
Mark Alexander Krack, Geschäftsführer des DEHOGA-Kreisverbandes Region Braunschweig-Wolfenbüttel. © Dehoga | Privat

Herr Krack, was sagt man beim DEHOGA-Kreisverband Braunschweig-Wolfenbüttel zu diesem Instrument einer Energiepauschale oder eines „Energie-Euros“, das ja unterschiedlich beurteilt wird?

Tatsächlich ist das auch bei uns bereits ein Thema, wir haben im Vorstand darüber beraten. Wir halten davon in dieser Form überhaupt nichts!

Jeder Gastronom oder Beherbergungsbetrieb ist selbstverständlich gehalten, seine Preise in eigener unternehmerischer Verantwortung zu kalkulieren. Und natürlich gehört es zu einer solchen Kalkulation und beeinflusst sie, wenn die Kosten stark steigen. Für Energie, Warenbeschaffung, Personal – das sehen wir ja gerade schmerzlich.

Keine Frage, dass sich das auf die Preise auswirkt. Nun aber separat zu sagen, wir packen gewissermaßen noch einen Euro oder mehr drauf, das halten wir für rechtlich zweifelhaft. Und zwar aus folgenden Gründen: Gewerbebetriebe sind zur Transparenz bei der Endpreisgestaltung angehalten. Sie sind frei, diesen zu gestalten. Deshalb ist es glücklicher, einen Gesamtpreis ohne solche Aufschläge zu gestalten. Auch wenn er höher liegt, was entsprechend zu kommunizieren ist.

Kann so ein Soli-Gedanke nicht aber auch Bindungen vertiefen und helfen in verzweifelter Lage?

Tatsächlich verstehe ich einen solchen Ansatz durchaus, weil man ja den Kunden, auch Stammkunden, so explizit signalisieren müsste: Das ist unser Normalpreis, aber so ist halt jetzt die reale Lage – und dann packen wir noch etwas drauf. Damit will man auch zeigen: Wenn das alles vorbei ist, können wir zu den alten, gewohnten Preisen zurückkehren.

Dagegen ist im Prinzip gar nichts einzuwenden. Doch es ist sehr schwierig in der Außendarstellung, weil ja keiner weiß, wie überhaupt und wie dynamisch sich die Preisentwicklung noch darstellen wird.

Anordnen oder vorscheiben können Sie als DEHOGA nichts?

Nein, um Himmels willen. Auf Wettbewerbsgeschehen nehmen wir keinen Einfluss. Das hat auch kartellrechtliche Gründe.

Aber Sie äußern sich skeptisch. Wie steht es um das Thema in Ihrem Verbandsbereich?

Wir erhalten dazu auch Anfragen. Nein, wir empfehlen es nicht. Es ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg.

Der eine oder andere Hotelier oder Gastronom könnte trotzdem zu solch einem Instrument greifen, wird es aber vermutlich offen und offensiv im Dialog mit den Kundinnen und Kunden tun.

Das muss er oder sie! Es bleibt bei der Verpflichtung zur Transparenz bei der Endpreisangabe. Da darf nichts irreführen, intransparent sein. Was gar nicht geht, das wäre es, wenn am Ende eine Energiepauschale oder ein „Energie-Euro“ auf der Quittung steht, von der vorher keiner was wusste. Es ist insgesamt besser, Preise transparent so zu gestalten, dass sie die tatsächliche Kostenentwicklung auch wiederspiegeln.

Und trotzdem bleibt die Frage: Wie kommen Ihre Mitglieder über diesen Winter?

Das ist eine absolut berechtigte Frage. Wenn ich die Antwort wüsste, dann wären wir schon weiter. Niemand kann im Moment absehen, wie die Preisentwicklung weitergehen wird. Niemand weiß, wie sich die Dinge mit dem Krieg in der Ukraine mit all den Auswirkungen auf das Energiegeschehen weltweit weiterentwickeln werden. Keiner weiß, wie sich die Lieferkettenproblematik weiter gestalten wird, Stichwort Verfügbarkeit bestimmter Waren.

Das alles ist extrem schwierig. Was ich sagen kann: Keiner gibt in unseren Mitgliedsbetrieben die Hoffnung auf! Aber Sorgen, Besorgnis, das ist überall zu spüren. An die Politik können wir nur einen Appell richten: Was ihr jetzt tut, um zu helfen, tut es schnell! Gebt Gas! Wir brauchen schnell Klarheit: Wie geht es weiter? Wie wird uns geholfen? Wie wird der Kosten-Deckel, wie sieht er aus? Gibt es Hilfen für Unternehmen, wenn sie zumachen oder zeitweilig schließen müssen? Was ist mit Kurzarbeitergelt? Das sind die entscheidenden Fragen, mit denen wir die Politik konfrontieren.