Braunschweig. Wo fühlen sich Braunschweigerinnen und Braunschweiger bei Dunkelheit unwohl? Ein Stadtrundgang mit der Gleichstellungsbeauftragten und Stadtplanern.

Jetzt, im strahlenden Sonnenschein, wirkt es völlig harmlos. Vor dem Parkhaus Wilhelmstraße herrscht ein Kommen und Gehen. Passanten strömen in die Braunschweiger Geschäfte oder gegenüber zu den Behörden. Ununterbrochen rauscht der Verkehr in Richtung Fallersleber Straße.

Doch Braunschweigs Gleichstellungsbeauftragte Marion Lenz kennt den Ort auch anders. Nachts. Wenn die Laufkundschaft fehlt und die Straßenlaternen durch die hohen Platanen an den Seitenstreifen verdunkelt werden. Frauen, sagt sie, beschleicht dann ein ungutes Gefühl. Und nicht nur in diesem Parkhaus. Bei einem Rundgang mit Vertretern der Stadtplanung stellt sie weitere „dunkle Ecken“ von Braunschweig vor.

Braunschweigs Problemzonen: „Ab 17 Uhr gehen dort die Lichter aus“

Der Wilhelmsgarten zum Beispiel. Der Innenhof zwischen Wilhelmstraße und Bohlweg liegt mitten im Braunschweiger Zentrum und hat das, was in der Stadt kostbar ist – Parkplätze. Nur: Ringsherum stehen fast ausschließlich Bürogebäude. „Ab 17 Uhr gehen dort die Lichter aus. Wer dann zu seinem Auto möchte, ist allein. Hilferufe hört hier keiner mehr“, sagt Lenz.

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Auch die überquellenden Müllcontainer, die an diesem Tag vor einer der schmalen Zufahrten stehen, bereiten ihr Bauchschmerzen. „Sie versperren nicht nur Sichtachsen. Forschungen haben gezeigt, dass Orte, wo Müll steht oder liegt, eine bestimmte Klientel anzieht.“

Diese Klientel wird auch von Ecken angezogen, wo sich Wettbüros, Shisha-Bars oder Spielhallen häufen. Die Bohlweg-Kolonnaden sind deshalb nicht nur städtebaulich diskussionswürdig. Sie haben auch das Potenzial, schnell zu einem Brennpunkt zu werden. Regelmäßig schaut hier das Ordnungsamt vorbei. „Vor allem spätabends und nachts sammeln sich unter den Arkaden Gruppen junger Männer, die über den Bohlweg ziehen und durch Alkohol enthemmt und aggressiv sind“, kann Lenz berichten. Während männliche Passanten davon unbeeindruckt sind, würden Mädchen und jüngere Frauen die Kolonnaden, aber auch den Schlossplatz aus diesem Grund eher meiden. „Frauen berichteten, dass sie dort angemacht oder begrapscht wurden. Aber oft reicht auch schon das Gefühl, einer Horde Männern gegenüberzustehen, um abends lieber einen großen Bogen um den Bohlweg zu machen.“

Wo sich Freier und Dealer in Braunschweig treffen

Einen Bogen würden Frauen wohl auch am liebsten um das Parkhaus Wallstraße machen, das so ziemlich alle Sicherheitsrisiken in sich vereint: Der Kassenbereich liegt isoliert auf der Rückseite der Wallstraße. Gleich nebenan stehen die bunten Häuser des Rotlichtviertels. Das Gebäude selbst: ein zementgrauer Kasten mit einer Fassade aus schmutzigem Sichtbeton. Hier treffen sich Freier, Drogendealer und Prostituierte. Parkhaus-Nutzerinnen bekommen schonmal eindeutig zweideutige Angebote. „Die Organisation Plan International Deutschland hat vor zwei Jahren untersucht, wie sicher sich Frauen in deutschen Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München fühlen. Dabei kam heraus, dass sie sich tatsächlich genauso wenig angstfrei und sicher bewegen können wie in Lima oder Delhi.“

Stadtplaner und Polizei arbeiten längst daran, dieses Problem zu lösen, untersuchen bei Stadtrundgängen, wie der urbane Raum besser gestaltet werden kann, damit sich Passanten – egal, ob weiblich oder männlich – sicher fühlen können. Reicht die Beleuchtung? Gibt es freie Sichtachsen und gute Orientierungsmöglichkeiten? Sind Wohn- und Arbeitsbereich optimal durchmischt? Ist die Gegend belebt, findet also eine ausreichende soziale Kontrolle statt? Stadtplaner Bernd Schmidtbauer und sein Team schauen sich in dieser Hinsicht jedes Viertel in Braunschweig genau an.

„Was wir anstreben, ist eine Stadt der kurzen Wege. Arbeiten und Wohnen sollten möglichst dicht beieinanderliegen, monofunktionale Viertel, die zu einer bestimmten Tageszeit verwaisen, möglichst vermieden werden“, beschreibt Schmidtbauer die Marschrichtung. Auch für das Parkhaus Wallstraße gibt es schon eine Idee: Der Wendehammer ist einer der 20 Orte, bei dem sich die Verwaltung eine attraktivere Gestaltung – zum Beispiel durch einen Pocket-Park – vorstellen könnte. Und im Zuge des Rathaus-Neubaus könnten auch die Bohlweg-Kolonnaden irgendwann Geschichte sein.

Welche Erfahrungen haben Sie mit „dunklen Ecken“ in der Stadt gemacht? Was hat sich in den vergangenen Jahren verbessert? Schreiben Sie uns!

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei der Neuen Braunschweiger.