Braunschweig. Der Schulabschluss ist geschafft – doch wie geht es danach weiter? Psychologin Lea Weigand rät: bloß keinen Druck machen!

Aus und vorbei: Rund 2.000 junge Menschen kehren nach den Sommerferien nicht an ihre Schule zurück. Sie haben ihren Schulabschluss in der Tasche. Für viele steht schon fest, was sie nach der Schule machen wollen, wo es sie beruflich hinzieht – andere schwanken noch.

Auf der einen Seite die Freude über die neue Freiheit, auf der anderen Seite der Erwartungsdruck: Über diese ganz besondere Situation der Schulabgänger haben wir mit Lea Weigand (40) gesprochen, die seit 2014 als Schulpsychologin beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung in Braunschweig arbeitet.

Frau Weigand, können Sie sich noch an Ihren Schulabschluss erinnern und daran, wie Sie sich gefühlt haben?

Ja. Ich war sehr erleichtert und stolz, es geschafft zu haben. Ich könnte mir vorstellen, dass es heute vielen SchulabgängerInnen ähnlich ergeht. In diesem Moment erscheint einem der Schulabschluss als sehr, sehr bedeutsam. Dass der Schulabschluss oder die Abschlussnote irgendwann an Bedeutsamkeit verlieren, wenn man beruflich die nächsten Schritte gemacht hat, erkennt man erst später in der Rückschau.

Stand für Sie schon in der Schulzeit fest, was sie nach der Schule machen wollen?

Lange stand für mich fest, was ich auf keinen Fall wollte, nämlich studieren. Erst im 13. Jahrgang, als ich Pädagogik als Fach hatte und wir uns dort am Rande mit Psychologie beschäftigt haben, fing ich Feuer. Da fiel meine Entscheidung, doch zu studieren.

Nach der Schule hat man die Chance, sich zu verwirklichen, die Weichen für sein späteres Leben zu stellen. Doch ist das nicht auch eine Bürde, ein großer Druck, der auf den Jugendlichen lastet?

In der Schule beschäftigen sich die SchülerInnen ja schon lange vor dem Abschluss mit dem Thema Berufswahl, oft wird damit schon im 8. Schuljahr begonnen. Es ist also ein langer Prozess, und im Laufe dieses Prozesses machen sich die Mädchen und Jungen immer mal wieder Gedanken darüber, welchen Beruf sie sich vorstellen können. Im Idealfall reift die Entscheidung also über eine lange Zeit.

Manche sind dennoch unsicher – vielleicht auch, weil die Eltern oder andere Erwachsene manches anders sehen als sie selbst. Was raten Sie?

Ich rate dazu, auf seine eigenen Fähigkeiten und Interessen zu achten. Das erhöht die Chance, im Beruf später zufrieden und erfolgreich zu sein.

Was, wenn die Eltern die Berufsvorstellung ihrer Kinder ablehnen – vielleicht, weil in der Branche nicht so gut gezahlt wird oder sie als nicht sicher gilt?

Wichtig ist es, darüber zu sprechen. Eltern können ihre Argumente nennen, sollten aber auch Vertrauen in die Entscheidung ihres Kindes haben. Sie sollten sich selbst hinterfragen: Geht es ihnen wirklich um die Bedürfnisse ihres Kindes, oder doch vielleicht um eigene Bedürfnisse? Sie sollten bedenken: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind später glücklich wird in seinem Beruf, ist größer, wenn sein Herz daran hängt.

Wer jetzt die Schule abschließt, hat alle Möglichkeiten – in so vielen Berufen werden Leute gesucht. Ist das nicht eine traumhafte Ausgangssituation?

Jein. Wir sollten nicht vergessen, dass es auch sehr viele Unsicherheiten für die jungen Menschen gibt. Der Krieg in Europa, die sich anbahnende Klimakatastrophe, die Pandemie, die steigenden Preise – die vielen Krisen der vergangenen Jahre haben die Jugendlichen geprägt. Das ist eine andere Ausgangslage als vielleicht vor 20 Jahren. Im schlimmsten Fall kann so etwas Zukunftsängste auslösen. Ich habe schon Fragen gehört wie: Macht es überhaupt Sinn, Kinder zu kriegen in dieser Welt? Wer trotz aller Krisen und den coronabedingten Schulschließungen seinen Schulabschluss geschafft hat, darf stolz darauf sein.

Gerne wird vom Ernst des Lebens gesprochen, der nach der Schule beginnt. Oder Jugendliche werden permanent gefragt, was sie nach der Schule machen wollen. Entsteht dadurch Druck?

Natürlich. Wir sollten uns erstmal mit den SchulabgängerInnen über ihren Abschluss freuen, ohne gleich Erwartungen daran zu knüpfen. Der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft ist ohnehin sehr hoch.

Was empfehlen Sie denen, die noch nicht genau wissen, was sie nach der Schule machen wollen?

Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte sich etwas Zeit gönnen und sich in Ruhe umsehen: Praktika machen, vielleicht auch ein FSJ oder FÖJ, Beratungsangebote nutzen. Es ist auch okay, wenn man für ein paar Wochen oder Monate gar nichts macht. Zu viel Druck, ob von innen oder außen, ist das Schlimmste, was passieren kann.

Man sollte sich auch bewusst sein, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Lebenswege müssen nicht geradlinig sein. Man darf auch mal die Richtung wechseln, wenn man merkt, dass man sich auf dem falschen Weg befindet.

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