Braunschweig. Die Irrfahrt wird für die Suche nach zusätzlichem Fahrpersonal in Bus und Bahn genutzt. Es wird natürlich gründlich ausgebildet.

Wie kann es sein, dass 23-jährige Laien mit einer 30 Tonnen schweren Straßenbahn auf Irrfahrt durch Braunschweig gehen? Die Polizei ermittelt. Die BSVG nutzt mittlerweile die Irrfahrt, um eins der größten Probleme des Unternehmens zu verringern: Es fehlt Fahrpersonal.

Die strafrechtliche Bewertung der Irrfahrt ist angelaufen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig erwartet Ermittlungsergebnisse der Polizei. Sprecher Dirk Oppermann sagt zum Stand: „Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Beweise müssen ausgewertet und Zeugen angehört werden. Die Verdächtigen müssen vernommen werden. Anschließend muss alles für die Staatsanwaltschaft zusammengetragen werden. Das dauert Wochen.“

Bei der BSVG wird mittlerweile das Sicherheitskonzept optimiert, um eine Wiederholung zu verhindern. An spöttischen Kommentaren hat es nicht gefehlt. Vorgeschlagen wurde zum Beispiel, die BSVG solle die Beschuldigten doch einfach als Straßenbahn-Fahrer einstellen.

Die BSVG kontert elegant. Auf ihrer Facebook-Seite heißt es: „Ihr habe mehr Lust auf Straßenbahn? Dann müsst ihr nicht gleich eine Bahn bei uns klauen! Bewerbt Euch doch lieber ganz offiziell.“ Teil einer Werbekampagne um neue Mitarbeiter. In der vergangenen Woche erst wurden neue Plakate an den Haltestellen ausgehängt. Tenor: Bewerberinnen sind selbstverständlich auch höchst willkommen.

Student fährt Straßenbahn im Nebenjob

Wie genau die zwei 23-Jährigen vergangenen Donnerstag die Straßenbahn aus dem Jahr 1995 in Betrieb nahmen, wird zwar immer noch ermittelt, aber jahrelange Erfahrung benötigt man dazu nicht.

Die BSVG folgt mittlerweile dem Beispiel anderer Straßenbahn-Städte und bietet das Fahren im Nebenjob an. In der TU wurde um Fahrpersonal geworben. Zunächst erfolglos. Mittlerweile ist ein erster studentischer Straßenbahnfahrer auf Braunschweigs Schienennetz unterwegs.

Unvorbereitet betritt jedoch niemand das Führerhaus. Eine Prüfung ist selbst obligatorisch für die, die Vorkenntnisse mitbringen. BSVG-Sprecher Felix Weitner erklärt die Ausbildung so: „In den ersten vier Wochen stehen Fahrschulfahrten an, bei denen die Grundlagen vermittelt werden. Am Ende dieser Phase erfolgt eine Zwischenprüfung durch den Betriebsleiter.“

Falls bestanden, „werden innerhalb von vier Wochen etwa 20 reguläre Dienste mit einer erfahrenen Stadtbahnfahrerin oder Stadtbahnfahrer gefahren“. Die BSVG spricht von „Mentoren“, die Fragen beantworten, Hilfestellung leisten und beispielsweise auch den Umgang mit den Fahrgästen schulen. Es schließe sich eine mehrtägige Prüfungsvorbereitung an. Den Abschluss bilden eine theoretische und praktische Prüfung durch den Betriebsleiter.

Ausbildung zum Bus- und Tram-Fahrer möglich

Wobei das nur ein Weg der Qualifizierung ist. Der BSVG-Sprecher: „Die BSVG bildet Fachkräfte im Fahrbetrieb aus, was eine klassische Ausbildung ist und in deren Rahmen die Auszubildenden zu Bus- und Stadtbahnfahrern ausgebildet werden.“

Wert hat diese Prüfung nur in Braunschweig. Der BSVG-Sprecher: „Wegen der technischen Eigenheiten der Fahrzeuge und des Streckennetzes bildet jeder Verkehrsbetrieb nur mit Gültigkeit für das eigene Verkehrsnetz aus.“ Braunschweig ist ohnehin anders – die einzige Straßenbahn-Stadt Deutschlands, deren Spurweite statt der üblichen 1435 Millimeter nur 1100 Millimeter aufweist. Straßenbahn sind Sonderanfertigungen. Die ältesten im Regelbetrieb stammen aus dem Jahr 1995, der Tramino 2 stammt aus dem Jahr 2019. Der Gewichtsunterschied zwischen den Baureihen beträgt 20 Tonnen.

Die größte Hürde für Neueinsteiger sei, so Weitner, „dass über die gesamte Dienstdauer eine sehr vorausschauende, wachsame Fahrweise erforderlich ist. Es ist viel Konzentration notwendig, um das Fahrzeug sicher und für die Fahrgäste komfortabel durch den Stadtverkehr zu führen.“ Sechs Monate Probezeit.