Braunschweig. Die Stadtverwaltung mietet für Kriegsvertriebene aus der Ukraine außerdem alle Zimmer in zwei Hotels an. Turnhallen werden noch umgebaut.

Auf so viele Flüchtlinge in so kurzer Zeit ist keine Stadt vorbereitet. Braunschweig setzt jetzt alle Hebel in Bewegung: Zwei komplette Hotels werden angemietet, das 50 Jahre alte Büro-Hochhaus an der Otto-von-Guericke-Straße wird Flüchtlingsunterkunft. Und das ist noch nicht alles

Wenn der Ausschusses für Planung und Hochbau 80 Minuten über die Frage diskutiert, ob drei Mietverträge abgeschlossen werden sollen oder nicht, dann weiß man schon, dass es um mehr geht als Mietverträge. Einstimmig am Ende die Zustimmung. Weil, so Lisa-Marie Jalyschkow (Grüne), „alternativlos“. Bedenken, dass weder Sozial- noch Integrationsausschuss oder Bezirksräte eingebunden wurden, rückten in den Hintergrund. Denn hinter den Anträgen verbarg sich im Grunde ein SOS-Signal des Krisenstabs und der Arbeitsgruppen der Stadtverwaltung.

200 Feldbetten in der Stadthalle, 50 weitere Notplätze im Foyer

Hochbau-Dezernent Holger Herlitschke beschrieb die gegenwärtige Situation so: „Die Kapazitäten sind ausgeschöpft.“ 200 Feldbetten in der Stadthalle, 50 weitere Notplätze im Foyer. Länger als 72 Stunden soll dort niemand bleiben. Rund 150 Plätze in der Sporthalle Nauenburg Straße – das heißt: Leichtbauwände mit Tür aus dem Messebau, keine Decke und „kleiner Schallschutz“. Viele der Flüchtlingen sind privat untergekommen. Herlitschke: „Dafür sind wir unendlich dankbar. Die Hilfsbereitschaft wird aber nicht ewig anhalten. Darauf müssen wir vorbereitet sein.“

In Hotels sind bereits Zimmer angemietet. Das hieße: Kleingruppen von Flüchtlingen verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet. Das klassische Modell, die Flüchtlingsbetreuung an einen freien Träger zu vergeben, funktioniert so nicht. In der Stadtverwaltung ist damit mittlerweile nicht nur die Sozialverwaltung, sondern auch die Jugendhilfe befasst. Es soll zentralisiert werden. Es gehe auch, so der Stadtrat, „um Aufwand und Geld“. Neue Strukturen müssen her und das schnell.

Bereits am Freitag, 1. April, sollen alle 45 Zimmer des Centro Hotel Celler Tor, Ernst-Amme-Straße, für sechs Monate angemietet werden. Die Mietdauer kann um drei Monate verlängert werden.

Tennishalle soll zum Spielplatz werden

Im Vienna House Easy an der Salzdahlumer Straße findet noch eine Brandschau statt. Geht die Prüfung positiv aus, soll ein Mietvertrag für sechs Monate abgeschlossen werden. Beginn am 15. April. Alle 176 Zimmer nebst Veranstaltungsräumen, Aufzügen und Stellplätzen, Küche zur Nutzung und Tennishalle als Spielfläche werden angemietet. Es besteht die Option, den Mietvertrag um zweimal drei Monate zu verlängern.

Die Stadtverwaltung wird auch einen langfristigen Vertrag abschließen. Das alte Büro-Hochhaus an der Otto-von-Guericke wird dazu flott gemacht. Verstöße gegen Baurecht und Brandschutz sorgten dafür, dass es seit dem Jahr 2018 leer steht. Die Nachnutzung ist kompliziert. Das Gebäude liegt in einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel. Vor zwei Wochen noch stellte Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer eine Wohnnutzung in Aussicht – abhängig vom Ergebnis eines Lärmschutzgutachtens des Eigentümers.

Davon ist mittlerweile keine Rede mehr. Leuer: „Die Genehmigungsfähigkeit kriegen wir hin.“ Es sei nur temporäres Wohnen geplant. Sind die Brandschutzauflagen erfüllt, mietet die Stadt vom 1. Mai an 30 möblierte Appartements bis zum siebten Geschoss. Von Ende September an sollen weitere 30 Appartements bis hinauf zur zehnten Etage folgen. Mietdauer: sechs Jahre. Anschließend kann jährlich um zwölf Monate verlängert werden.

Neue Flüchtlingsunterkünfte könnten gebaut werden

Doch all das werde nicht reichen, so Herlitschke. Er verwies darauf, dass sich die Belegungsquote ändere. Die Zahl der Flüchtlinge könnte dauerhaft, unabhängig von Flüchtlingen aus der Ukraine, bei einem Prozent der Einwohnerzahl liegen. In Braunschweig somit 2500. Zurzeit bringe die Stadt 1600 Flüchtlinge unter. „In einer Turnhalle finden etwa 120 bis 180 Personen Platz.“

Sein Fachbereich habe bereits mit der Auswahl geeigneter Hallen begonnen. Schul- und Vereinssport gelte es zu berücksichtigen und auch bauliche Bedingungen. „Duschcontainer sind kaum zu bekommen. Zwei bis drei weitere Halle haben wir aber in der Hinterhand.“

Auch alte Pläne aus 2015 zu Flüchtlingsunterkünften werden wieder aus der Schublade geholt und geprüft. 16 waren einst geplant. Acht wurden gebaut. Eine Projektgruppe, so Herlitschke, sei eingerichtet. Ein Ergebnis: Zwei weitere Standorte seien eventuell möglich. Planung und Bau würden aber Jahre dauern.

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