Braunschweig. Verdi-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller hört als Sprecher auf. Hintergrund seien Kontroversen um die Ausrichtung des Bündnisses.

Im Braunschweiger „Bündnis gegen Rechts“ herrscht offensichtlich Krisenstimmung: Verdi-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller stellt ab sofort seine Tätigkeit als Sprecher des Bündnisses ein. Hintergrund seien Kontroversen um die Ausrichtung des Bündnisses und um Kooperationen mit Dritten, schreibt er in einer Pressemitteilung.

Das Bündnis sei so erfolgreich und akzeptiert, wie wohl noch nie in den 23 Jahren seiner Geschichte, so Wertmüller: „Große und riesengroße Kundgebungen und Demonstrationen wie zu den AfD-Parteitagen und gegen Bragida stehen dafür.“ Das Bündnis sei eine ernstzunehmende Größe geworden, wenn in Braunschweig über Rechtsextreme, über die AfD, über Antisemitismus und Rassismus und über rechte Entwicklungen debattiert werde.

Wertmüller: Demonstrationen gegen Nazitrupps reichen nicht aus

Jedoch: „Einigen Gruppen im Bündnis gegen Rechts geht das wohl zu weit: Zu viel Austausch mit Stadt und anderen Institutionen, zu viel Kommunikation unter anderem mit der Polizei – das steht als Kritik im Raum.“ Er halte diese Entwicklung für falsch: „Wenn rassistische, antisemitische und andere rechte Strömungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, dann muss man auch dort in die Debatten einsteigen. Demonstrationen gegen Nazitrupps sind unverändert richtig, reichen aber alleine nicht aus.“

Auf Nachfrage konkretisiert Wertmüller das Ganze noch ein wenig. Er spricht zum Beispiel vom „Runden Tisch gegen Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus“, der im Sommer 2021 erstmals getagt hat – auf Initiative von Propst Lars Dedekind und der Stadt, und nach langem Drängen des Bündnisses. Viele Braunschweiger Institutionen und Organisationen nehmen am Runden Tisch teil, darunter zum Beispiel auch die Jüdische Gemeinde, der Rat der Muslime, die Kirchen, der DGB und die Polizei.

Sebastian Wertmüller beteiligte sich für das Bündnis auch am „Runden Tisch gegen Rassismus“.
Sebastian Wertmüller beteiligte sich für das Bündnis auch am „Runden Tisch gegen Rassismus“. © regios24 | Darius Simka/regios24

„Bündnis gegen Rechts“ muss sich neu organisieren

Insbesondere linksautonome Gruppen, die auch Teil des „Bündnis gegen Rechts“ sind, können sich damit offensichtlich nicht arrangieren. Bekanntermaßen sieht man dort nicht nur Rechtsextreme als Gegner an, sondern auch die Polizei und den Staat insgesamt. Oft genug wird das bei Demonstrationen des Bündnisses deutlich, wenn der schwarze Antifa-Block mitunter sehr dominiert.

Wertmüller zufolge ließ sich zuletzt keine gemeinsame Klammer mehr finden, um die vielen verschiedenen Bündnis-Gruppen auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Das Bündnis werde sich jetzt neu organisieren, sagt er. Wertmüller hofft, dass es weiter eine starke Stimme der Zivilgesellschaft in Braunschweig bleiben wird. Die Gewerkschaft Verdi gehöre dem Bündnis auch weiterhin an, aber nicht mehr in der bisherigen zentralen Rolle.

Was er noch betont: „Ich muss alle enttäuschen, die auf den Ausfall meiner Stimme in der Öffentlichkeit setzen. Verdi wird weiterhin ganz vorne dabei sein, wenn es gegen Nazis und Antisemiten geht – und ich als Person werde weiter zu vernehmen sein.“

Am Volkstrauertag demonstrierte das „Bündnis gegen Rechts“ gegen einen Aufmarsch Partei „Die Rechte“.
Am Volkstrauertag demonstrierte das „Bündnis gegen Rechts“ gegen einen Aufmarsch Partei „Die Rechte“. © Bernward Comes

Zum Bündnis gehören unter anderem Awo, Haus der Kulturen und Refugium

Wertmüller war viele Jahre im Organisationsteam des Bündnisses aktiv. Die Rolle des Sprechers hatte er Ende 2020 übernommen, nachdem David Janzen sich aus privaten Gründen zurückgezogen hatte. Das „Bündnis gegen Rechts“ besteht seit 1999. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem GEW und IG Metall, die Awo, das Haus der Kulturen, die Sozialistische Jugend, die Flüchtlingshilfe Refugium, die Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt, die Initiative Seebrücke, Linke, Jusos und Grüne.

Sie mobilisieren immer dann, wenn Rechtsextreme auf die Straße gehen – oder wenn die AfD zu Parteitagen nach Braunschweig kommt. Am Protest gegen die AfD-Bundesparteitag Ende 2019 beteiligten sich insgesamt 20.000 Menschen.

Mehr zum Thema