Walkenried. Keine Wiedervereinigung: Bahnstrecke spaltet weiterhin die ehemalige Grenzregion Walkenried - Ellrich. So soll sich das ändern.

Wiedervereinigung - das feiern die Menschen in Walkenried und Ellrich stets am 3. Oktober beim beliebten Rotbuchenfest. Doch auch wenn der Zusammenschluss Deutschlands bereits 1989 erfolgte, heute, im Jahr 2024, gibt es immer noch eine Grenze. Zwar ohne Zaun und Kontrollen, aber wenig entfernt von dem Punkt im Südharz. Genauer gesagt geht es um die Bahnverbindung zwischen den Kommunen auf der Seite von Niedersachsen und Thüringen. Bei einem Informationsabend rund um das Thema ÖPNV und die Probleme, die durch die Kürzung der Regionalisierungsmittel auf Bundesebene vor Ort entstehen, wurde das Problem zwischen Ost und West erneut angesprochen. Doch auch ein erster Lösungsansatz wurde erörtert. Darum geht es genau:

Bahnverkehr: Niedersachsen und Thüringen vernachlässigen den Südharz

Grundsätzlich lässt sich dabei Folgendes festhalten: Niedersachsen vernachlässigt seine Südostecke, Thüringen seine Nordostecke - zumindest, wenn es um den Bahnverkehr geht. Besonders arg zeigte sich das im sogenannten Geisterzug. Bis zum Jahr 2021 bot sich folgendes Bild: Am Bahnhof in Nordhausen startete werktags um 4.30 Uhr ein Zug Richtung Göttingen - und er blieb menschenleer. Weder an den Stationen Nordhausen-Salza, Niedersachswerfen, Woffleben noch in Ellrich konnte ein Fahrgast in die Regionalbahn einstiegen, erst in Walkenried öffneten sich die Türen erstmals für Pendler und Reisende. Der Grund: Der Freistaat Thüringen hatte die frühe Verbindung von Nordhausen seit dem Jahr 2014 aufgrund von zu geringen Nutzerzahlen und somit fehlender Wirtschaftlichkeit, wie es das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft erklärte, nicht mehr bestellt.

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Es hagelte Proteste und im Jahr 2021 lenkte das Land Thüringen ein, zumindest ein wenig: Seit dem Fahrplanwechsel zum 12. Dezember 2021 ist die Verbindung zumindest ab Ellrich nutzbar. Zu wenig, wie Verkehrsexperte Michael Reinboth von der Initiative Höchste Eisenbahn für den Südharz beim gemeinsamen Informationsabend des CDU-Stadtverbandes Bad Sachsa und des Gemeindeverbands Walkenried noch einmal untermauerte. Neben den fehlenden Halten des Frühzuges in Nordhausen, Niedersachswerfen und Woffleben stößt bei ihm und den Einwohnern der Region vor allem die weiterhin nicht angebotene Spätverbindung in Richtung Nordhausen auf Unverständnis.

Den Bürgerinnen und Bürgern in Bad Sachsa und Walkenried werde seitens des Landes Niedersachsen - und auch des ZVSN in Göttingen - das vorenthalten, was Osterode und Bad Lauterberg schon lange haben, nämlich eine Anbindung an den letzten Zug aus Göttingen, der um 23.29 in Herzberg eintrifft. Der vorangehende Zug verkehre nur Freitag und Samstag ab Herzberg weiter bis Nordhausen. Die Konsequenz: Der Ostzipfel des Landkreises Göttingen sei unter der Woche nach 20.48 Uhr von der Kreisstadt aus nicht mehr per ÖPNV erreichbar.

Der Bahnsteig am Bahnhof in Walkenried am Abend.
Der Bahnsteig am Bahnhof in Walkenried am Abend. © HK | Thorsten Berthold

Versuche, die Anbindung zwischen Ost und West zu verbessern, hatte speziell die Initiative Höchste Eisenbahn für den Südharz in der Vergangenheit viele gestartet, allerdings erfolglos. Der Grund: Die Landesnahverkehrsgesellschaft auf niedersächsischer Seite sieht das Land Thüringen in der Pflicht, einen Zug zu späterer Zeit zu bestellen, der dann von Walkenried bis Nordhausen fährt. Und auf der Gegenseite verweist man auf zu geringe Fahrgastzahlen und die Option, dass Niedersachsen Busse anbieten könne.

Kein Spätzug für den Südharz: Daran hakt es bis heute

Per einstimmigem Beschluss hatte auch der Ortsrat Walkenried den Landkreis Göttingen Ende Oktober 2022 dazu aufgefordert, dass dieser als Mitglied im Zweckverband Verkehrsverbund Südniedersachsen das Problem beheben solle - doch auch das blieb ohne Erfolg. Die Kreisverwaltung hatte Anfang Februar 2023 erklärt, dass man das Problem mit dem Einsatz eines Busses lösen wolle, für den auch die Finanzierung geklärt sei. Es gebe aber kein Unternehmen, das die Strecke bedienen können und wolle.

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Doch das soll nicht so bleiben. Beim Treffen in Walkenried vereinbarten die Teilnehmenden auf Vorschlag des CDU-Bundestagsabgeordneten Fritz Güntzler, einen runden Tisch zu initiieren. An diesem sollen die Bürgermeister aus Walkenried, Bad Sachsa, Ellrich, Vertreter der Landkreise Göttingen und Nordhausen, die Land- und Bundestagsabgeordneten für die beiden Kreise sowie Verkehrsexperte Michael Reinboth teilnehmen, um Möglichkeiten zu finden, die unsichtbare, verkehrstechnische Grenze im Südharz einzureißen - im 34. Jahr nach der Wiedervereinigung scheint dies überfällig.

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