Wolfsburg. Die Hälfte des Werbe-Budgets der Marke soll künftig in digitales Marketing fließen.

Dass Volkswagen seinen Vertrieb umkrempelt, gab die Marke bereits vor wenigen Wochen bekannt. Künftig will VW seine digitalen Dienstleistungen und Autos direkt an den Kunden verkaufen – ohne den Umweg über den Händler. Nun passt die Kernmarke des Konzerns dafür auch das Marketing an, wie sie gestern mitteilte.

Zwar bleibe das Budget mit 1,5 Milliarden Euro bis 2020 stabil, die Effizienz soll jedoch um 30 Prozent steigen. Zugleich erhöhen sich die Ausgaben für digitales Marketing laut Volkswagen auf fast 50 Prozent im Vergleich zu 25 Prozent in 2015. Sogenannte Kampagnenelemente – wie zum Beispiel Anzeigen oder Filme – sollen verfünffacht werden. Ziel ist künftig vor allem eines: den Kunden direkt und personalisiert anzusprechen.

Jochen Sengpiehl, Marketing-Chef der Marke Volkswagen PKW, sagte: „Auf Basis unseres neuen Vertriebsmodells werden wir künftig in der Lage sein, direkt mit unseren Kunden zu kommunizieren. Bislang war das im Wesentlichen dem Handel überlassen. Künftig werden wir daher unsere Angebote viel stärker als bislang personalisieren.“

Gesteuert werden soll das über drei international agierende Werbe-Agenturen, statt wie bisher über 40 verschiedene. Die New Yorker Agentur Omnicom Group ist für Europa und Südamerika verantwortlich, die britische WPP für den nordamerikanischen Markt, in China hat Cheil, das zur Samsung-Gruppe gehört, für VW den Hut auf.

„Die Marke wird straffer und zentraler geführt und erreicht mit den neuen Partnerschaften ein bislang nicht gekanntes Level an Marketing-Innovationskraft“, sagte dazu gestern Jürgen Stackmann, der Vertriebsvorstand der Marke Volkswagen. Für den Autobauer ist es laut Mitteilung nicht weniger als ein „fundamentaler“ Wandel in der Absatzförderung, der ansteht.

Eingerichtet werden zudem vier sogenannte „Powerhouses“ – Schaltzentralen, in der laut einer Sprecherin „die besten Köpfe“ verschiedener Marketing-Sparten Kampagnen von der Strategie über die Ausführung bis hin zum Vertrieb erarbeiten sollen. Sie sollen in Berlin, New York, Sao Paulo und Peking eröffnet werden.

Im kommenden Jahr warten schon große Aufgaben auf die neu geschaffenen Strukturen: Die Vermarktung des Golf 8 sowie des ersten ID.-Modells stehen an. Beide Modelle fahren voll vernetzt und können dem Kunden Dienstleistungen anbieten, die vermarktet werden wollen. Etwa den Zustell-Dienst „We Deliver“, der Pakete in den Kofferraum zustellen lässt. 2020 will VW außerdem eine neue Webseite an das Netz bringen, auf der Kunden sich mit ihrer personalisierten VW-Identifikationsnummer einloggen können, um beispielsweise dort ebenfalls Dienstleistungen zu buchen.

Laut Professor Stefan Bratzel, Leiter des Auto-Instituts in Bergisch-Gladbach, ist die Umstellung des Vertriebs – und damit auch des Marketings – „hochnotwendig“ für VW. Die deutschen Hersteller BMW und Daimler seien in puncto Dienstleistungen schon weiter – etwa beim Car-Sharing. Doch diese beiden und VW hätten dennoch den Vorteil, im internationalen Branchenvergleich weit vorn zu sein. Die Konkurrenz kommt aber längst nicht nur aus dem eigenen Metier: Google, Apple und Alibaba drängen ebenfalls in den Sektor Mobilitätsdienstleistungen. „Es ist ein Kampf der Welten“, sagt Bratzel.

Am Ende müsse das digitale Ökosystem, das Volkswagen aufbaue, für den Kunden so attraktiv sein, dass er eben eine Sitzmassage oder ein Leistungs-Update buche.

Um diese den Kunden schmackhaft zu machen, nimmt VW nun jedenfalls zwar nicht mehr Geld in die Hand, baut aber sein Marketing komplett um – für ein „ganzheitliches und individualisiertes Kundenerlebnis“.