Braunschweig. Angesichts der Energiekrise kommt der Start des neuen Altholz-Heizkraftwerks in Braunschweig spätestens Mitte November gerade passend.

Ab Oktober müssen alle Gaskunden in Deutschland höhere Preise zahlen: Die staatliche Gas-Umlage soll Gasversorgern wie Uniper zugute kommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibendes Gas aus Russland kaufen müssen. Die genaue Höhe ist noch nicht bekannt. Fakt ist aber: Die Umlage bleibt nicht die einzige Erhöhung, die in diesem Jahr noch bevorsteht. Wie viele andere Energieversorger kündigt auch BS Energy eine weitere Preiserhöhung an.

Wann soll sie greifen? „So bald wie möglich“, sagt Vorstand Volker Lang. „Jeder Monat, den wir das nicht machen, kostet uns richtig Geld.“

Dabei hat es in diesem Jahr aufgrund der Energiekrise schon Erhöhungen gegeben: Seit April zahlen Kunden von BS Energy für Gas rund 39 Prozent mehr, nachdem der Preis bereits im Februar um 24 Prozent angehoben worden war. Für Fernwärme sind seit April je nach Tarif bis zu 57 Prozent mehr fällig, und für Strom müssen rund 29 Prozent mehr gezahlt werden. Ein kleiner Lichtblick war der Wegfall der EEG-Umlage, den BS Energy im Juli an die Kunden weitergegeben hatte – eine Senkung, die in der aktuellen Lage schnell verpufft ist.

„Die Kurve geht seit einem Jahr nur nach oben“

Volker Lang macht deutlich: „Die bisherige Preisanpassung vom April reicht nicht aus, um die zusätzlichen Kosten zu tragen – weder bei Strom noch bei Gas oder Fernwärme. Die hohen Gaspreise haben dazu geführt, dass auch die Strompreise massiv nach oben gegangen sind.“ Der Strompreis am Großhandelsmarkt lag ihm zufolge vor cirka einem Jahr bei 50 bis 60 Euro pro Megawattstunde – inzwischen seien es mehr als 340 Euro.

„Die Kurve geht seit einem Jahr nur nach oben“, so Lang. „Das wird irgendwann voll auf die Kunden durchschlagen. Die Bundesnetzagentur geht von einer Verdreifachung der Endkundenpreise aus. Wie viel es am Ende sein wird, ist schwer zu prognostizieren. Es wird weit über dem sein, was wir kennen.“

Jens-Uwe Freitag, Vorstandsvorsitzender von BS Energy.
Jens-Uwe Freitag, Vorstandsvorsitzender von BS Energy. © Nils Hendrik Mueller

„Wir schauen im Moment nicht zu sehr auf Rentabilität“

Jens-Uwe Freitag, Vorstandsvorsitzender von BS Energy, betont: „Entscheidend ist die Liquiditätssicherung für Stadtwerke. Wir müssen das alles vorfinanzieren. Das raubt viel Liquidität. Wir sind aufgrund unserer Anteilseigner relativ gut aufgestellt, und wir schauen im Moment nicht zu sehr auf Rentabilität. Aber die nächste Preiserhöhung zum Kunden muss so schnell wie möglich umgesetzt werden. Spätestens im Oktober wird es soweit sein. Dann steht regulär die nächste Fernwärmepreis-Anpassung an, und dann werden wir auch die Preise für Strom und Gas weiter anheben müssen.“

Um wie viel? Das lasse sich noch nicht sagen, so Freitag. Die Werte würden voraussichtlich Mitte August bekanntgegeben. Grundversorger sind verpflichtet, ihre Kunden per Brief sechs Wochen vor einer geplanten Preisänderung zu informieren.

Ein Beispiel aus Köln: Kunden von RheinEnergie müssen ab 1. Oktober etwa das 2,3-Fache des aktuellen Preises zahlen.

Und die Gas-Umlage kommt noch obendrauf. Sie soll sich laut dem Bundeswirtschaftsminister voraussichtlich zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde bewegen. Bei einem durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr wären das 300 bis 1000 Euro.

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„Auf einen Schlag Verdreifachung des Preises und mehr“

„Es wird leider an vielen Stellen sehr weh tun“, sagt Jens-Uwe Freitag, „vor allem auch bei den gewerblichen Kunden. Wer einen langfristigen Vertrag bis 2023 hat, kann dann auf einen Schlag eine Verdreifachung des Preises und mehr erleben.“

Generell sei die soziale Abfederung ein Riesenthema, so Volker Lang. „Insbesondere, wenn die Erdgaspreise durch weitere Umlagen – wie die Umlage nach dem Energiesicherungsgesetz und die Gasspeicherumlage – weiter steigen, sind politische Maßnahmen aus unserer Sicht erforderlich. Aber man sollte nicht nur den Energiepreis direkt stützen. Wichtig ist auch das Signal, dass Gas und Strom eingespart werden müssen!“

Direkt neben dem 198 Meter hohen Schornstein des Heizkraftwerks Mitte entsteht das neue Biomasse-Heizkraftwerk.
Direkt neben dem 198 Meter hohen Schornstein des Heizkraftwerks Mitte entsteht das neue Biomasse-Heizkraftwerk. © BS Energy

Ist im Winter Braunschweigs Wärmeversorgung gesichert?

Im Herbst, spätestens Mitte November, will BS Energy die zwei neuen Kraftwerke an der Hamburger Straße in Betrieb nehmen: ein Biomasse-Heizkraftwerk mit dem Hauptbrennstoff Altholz und ein Gasturbinen-Heizkraftwerk. „Das Projekt erfährt aufgrund der geopolitischen Situation einen zusätzlichen Umsetzungsdruck, insbesondere die Biomasseanlage“, sagt Freitag.

Zusätzlich soll Gas teilweise durch Heizöl ersetzt werden, besonders in der schon bestehenden Gas- und Dampfturbinen-Anlage. Bis zu 400 Tonnen Heizöl würden dafür im Winter täglich benötigt. Parallel dazu bleibt das Kohlekraftwerk länger am Netz. Allerdings: Auch Kohle und Heizöl sind deutlich teurer geworden.

„Wir gehen davon aus, dass wir mit diesen Maßnahmen relativ gut durch den Winter kommen, wenn wir die Logistikketten gut in den Griff bekommen“, so Freitag. „Heizöl ist tendenziell verfügbar, aber Transportkapazitäten sind knapp. Wir können nicht mit 20 LKW pro Stunde fahren, parallel muss ja auch die Biomasseanlage beliefert werden. Wir prüfen gerade, was möglich ist.“ Angedacht sind Lieferungen beispielsweise per Eisenbahn. Konkretere Aussagen seien noch nicht möglich, die Prüfungen liefen noch.

Das neue Gasturbinen-Heizkraftwerk entsteht neben der bestehenden Gas- und Dampfturbinen-Anlage.
Das neue Gasturbinen-Heizkraftwerk entsteht neben der bestehenden Gas- und Dampfturbinen-Anlage. © BS Energy

„Wird man nicht schon jetzt zu einer Rationierung kommen müssen?“

Mit Blick auf ganz Deutschland meint Freitag: „Die Speicher sind für den bevorstehenden Winter bisher gut gefüllt, auch wenn die gesetzlich verlangten Füllstände noch nicht erreicht sind. Wir müssen aber bedenken, dass vor allem der Winter 2023/24 problematisch werden wird. Wenn wir aus dem bevorstehenden Winter 2022/23 mit fast leeren Speichern herausgehen und kein russisches Gas mehr fließt, wird es sehr schwer, die Speicher wieder zu füllen.“

Es dauere noch länger, bis die Alternativen wirksam würden, insbesondere die ausreichende Belieferung mit verflüssigtem Erdgas (LNG). Deswegen stelle sich die Frage: „Wird man nicht trotzdem schon jetzt zu einer Rationierung kommen müssen?“ Gaseinsparung müsse der zentrale Hebel sein.

Dr. Volker Lang, Vorstandsmitglied beim Braunschweiger Energieversorger BS Energy.
Dr. Volker Lang, Vorstandsmitglied beim Braunschweiger Energieversorger BS Energy. © BS Energy

Wem wird in Braunschweig vielleicht das Gas abgedreht?

Volker Lang: „Wenn es zur Gasmangellage kommt, wird uns das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Dann agiert die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler nach dem Notfallplan Gas. Wenn es soweit kommt, hätte das signifikante volkswirtschaftliche Folgen, weil insbesondere jene Kunden Gas kaum durch andere Brennstoffe ersetzen können, die es stofflich verwenden oder mit hohen Temperaturen arbeiten.“

BS Netz habe alle Kunden in Braunschweig klassifiziert. „Es gibt geschützte und nichtgeschützte Kunden, sowohl beim Gas als auch bei der Fernwärme“, erläutert Lang. „In der Fernwärme sehen wir das Risiko von Versorgungseinschränkungen als gering an, da wir ja auch Kohle, Biomasse und Heizöl als Brennstoff einsetzen können. Die Kunden, die nicht geschützt sind und mit einer Drosselung oder einem Stopp rechnen müssen, wissen Bescheid.“ 58 Unternehmen seien entsprechend informiert worden. Es handele sich vor allem um Industriekunden. Privathaushalte sind bislang geschützt – noch.