Salzgitter. Zehn Streifenwagen jagten zu Jahresbeginn über 85 Kilometer einen Kombi, der mit Tempo 200 floh – nun wird deutlicher, warum.

Es war eine filmreife Verfolgungsfahrt, die sich zwei Kriminelle Anfang Januar mit der Polizei lieferten: von Salzgitter bis an eine Straßenlaterne im rund 85 Kilometer entfernten Thale. Glücklicherweise ohne Verletzte – auch wenn sich ein Beamter an einer Straßensperre durch einen Sprung in Sicherheit brachte. Nach einer vermeintlichen Routinekontrolle raste das Duo (29, 37) damals mit einem Kombi und Tempo 200 davon, auf ihren Fersen befanden sich zeitweise 10 Streifenwagen. Viele Details der wilden Flucht blieben bis heute im Dunkeln.

Anklageerhebung wegen Automatensprengungen steht bevor

Mittlerweile ist klar: Die Polizei geht davon aus, dass sie die Sprengung eines Geldautomaten in Salzgitter verhinderte – oder zumindest das Ausbaldowern eines Tatortes. Die Staatsanwaltschaft Halberstadt, die den Fall übernahm, will demnächst Anklage erheben gegen die beiden polizeibekannten Männer.

Die Strafverfolger legen ihnen drei Sprengungen in Sachsen-Anhalt zur Last, in einem Fall soll es beim Versuch geblieben sein. Die Explosionen verursachten erhebliche Gebäudeschäden. Der 29- und 37-Jährige sitzen mittlerweile schon hinter Gittern, gegen beide liegt ein Haftbefehl vor, erklärt Hauke Roggenbuck, Oberstaatsanwalt in Halberstadt.

Nach der Verfolgungsfahrt aus Salzgitter nach Thale hatte man im Fahrzeug diverse Utensilien gefunden, die für Sprengungen benötigt werden. Während der Flucht warfen die Männer Roggenbruck zufolge gar eine Gasflasche aus dem Auto in Richtung ihrer Verfolger – „mit dem Ziel, einen Unglücksfall herbeizuführen“, so der Sprecher der Halberstädter Staatsanwaltschaft.

Wenige Tage zuvor, am 7. Januar, gab es in Salzgitter-Lichtenberg einen fehlgeschlagenen Sprengungsversuch. Ob er ebenfalls den beiden Männern zuzurechnen ist, dazu laufen die Ermittlungen. Danach intensivierte die Polizei Salzgitter ihre Maßnahmen auch in der Nacht.

Mehrere Beinahe-Kollisionen

Die strafrechtlichen Vorwürfe wegen dieser Fahrt – Urkundenfälschung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – sind laut dem Oberstaatsanwalt noch nicht Teil der bevorstehenden Anklage. Allein hierfür drohen ihnen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Schwerere Vorwürfe – etwa den eines versuchten Tötungsdeliktes – standen nie im Raum. Dafür war die Situation für die Verfolger aus Sicht der sachsen-anhaltinischen Staatsanwaltschaft offenbar letztlich nicht brenzlig genug.

Der Fahrer war am frühen Morgen des 10. Januar gegen 4 Uhr angesichts einer Kontrolle vor der Polizei in Salzgitter-Lebenstedt geflohen. Auslöser dieser waren der Polizei zufolge die auffälligen, falschen Kennzeichen des Fahrzeugs gewesen.

Insgesamt waren bis zu zehn Streifenwagen an der Verfolgung beteiligt, die 50 Minuten später im Ostharz endete. Beinahe hätte der Fahrer beim Umfahren einer Straßensperre in Blankenburg einen Polizisten erfasst. Auf der A36 in Richtung Halle kam es nach Polizeiangaben mehrfach beinahe zu folgenschweren Kollisionen.