Wolfsburg/Gardelegen. Der Autobauer hat die aktuelle Lage bei Boryszew Kunststofftechnik in Gardelegen auf dem Radar. Dort gibt es einen Warnstreik.

Ein 24-stündiger Warnstreik beim VW-Zulieferer Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH in Gardelegen könnte Auswirkungen auf die Produktion in den Werken Wolfsburg und Zwickau haben. VW betonte auf Anfrage, man beobachte die Entwicklung bei der Firma mit Sitz in Sachsen-Anhalt. Dass der Autobauer auf eventuelle Versorgungsengpässe inzwischen relativ flexibel reagieren kann, hat die Task-Force angesichts der weltweiten Chip-Krise und der Versorgungsengpässe bei Kabelbäumen nachgewiesen. Die Gewerkschaft IG BCE hat in Gardelegen zu einem Warnstreik aufgerufen, der von Montag morgen 6 Uhr bis Dienstag morgen 6 Uhr dauert. Hintergrund sind gescheiterte Tarifverhandlungen bei Boryszew. Stärker als das Wolfsburger Stammwerk könnte die E-Auto-Fabrik in Zwickau von einem längerem Streik bei Boryszew betroffen sein. BAP ist seit 2019 einer der Hauptlieferanten von Teilen für die innovative MEB-Plattform (Modular Electric Toolkit), mit der der Konzern Elektroautos baut.

„Die Blockadehaltung der Geschäftsführung aufbrechen“

Die Vorwürfe der Gewerkschaft sind heftig. „Die Leute haben einfach keinen Bock mehr auf das Verhalten der Geschäftsführung, das jegliche Wertschätzung vermissen lässt. Denn nach insgesamt 5 Verhandlungsrunden und einer Protestkundgebung im März dieses Jahres, gibt es in der aktuellen Tarifrunde bei Boryszew noch immer kein verhandlungsfähiges Angebot des Arbeitgebers. Die betriebliche Tarifkommission hat daraufhin die Tarifverhandlungen bereits am 15.06.2022 für gescheitert erklärt. Die Fronten sind dadurch unnötig verhärtet. Es gilt solidarisch die Blockadehaltung der Geschäftsführung aufzubrechen“, heißt es in einer Pressemitteilung der IG BCE. Die Gruppe Boryszew Automotive Plastics (BAP) mit Stammsitz in Warschau besteht aus Unternehmen, die auf die Massenproduktion von hochwertigen Kunststoffteilen für den Automobilsektor spezialisiert sind, die innerhalb und außerhalb von Autos verwendet werden, einschließlich verzinkter und lackierter Kunststoffteile und Spritzgussformen für die Herstellung dieser Elemente. BAP ist Teil der Kapitalgruppe Boryszew SA, die seit 1996 an der Warschauer Börse notiert ist und eine der größten Industriegruppen in Polen ist. Die Boryszew-Gruppe ist auf die Herstellung von Autoteilen, die Verarbeitung von Nichteisenmetallen und die Industriechemie spezialisiert. Es betreibt 30 Produktionsstätten und F&E-Zentren in Europa, Asien und beiden Amerikas. In Gardelegen beschäftigt BAP rund 550 Mitarbeiter/innen. Schließungsgerüchte aus dem Vorjahr hatte das Unternehmen dementiert. Ein weiteres Werk gibt es in Prenzlau.

„Dann muss VW damit leben, dass die Bänder stillstehen werden“

Jan Melzer, Gewerkschaftssekretär und Verhandlungsführer der IGBCE, wird mit dieser Aussage zitiert: „Die Beschäftigten haben innerhalb der letzten 2 Jahre durch Entgeltverzicht von durchschnittlich 20 Prozent während der Kurzarbeitsphase dafür gesorgt, dass der Standort weiter existiert. Jetzt wo die Produktion wieder auf voller Leistung läuft, verlangen sie einen gerechten Anteil. Allein die extrem gestiegenen Lebenshaltungskosten zwingen uns dazu hier härtere Bandagen zu fahren. Wie soll ein Mitarbeiter mit 11,10 Euro Stundenlohn einer Steigerung der Strom und Gaskosten von bis zu 150 Prozent verkraften, ohne dafür einen Ausgleich zu erhalten. Das Entgeltniveau bei Boryszew liegt sogar noch unter dem der Leiharbeit. Jeder Mitarbeiter im Supermarkt erhält einen deutlich höheren Stundenlohn als bei Boryszew. Die Kolleginnen und Kollegenmüssen aber dafür im 4-Schichtsystem unter widrigsten Arbeitsbedingungen ihre Leistung erbringen. Das soll wenigstens entsprechend vergütet werden. Es ist Aufgabe des Managements, die derzeit höheren Energie- und Rohstoffkosten an den Kunden, sprich Volkswagen, weiterzureichen. Wenn das nicht gelingt, muss VW auch damit leben, dass durch Streiks in der Folge auch die Bänder in Wolfsburg und Zwickau stehen werden. Den Vorgeschmack bekommen sie bereits mit diesem ersten Warnstreik.“

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