Wolfsburg. Zwei fanatische Hobby-Historiker haben eine spezielle Häuserchronik mit Ansichten vom ältesten Wolfsburger Stadtteil veröffentlicht.

Wenn sich zwei fanatische Hobby-Historiker zusammentun, um eine Chronik der etwas anderen Art über das mehr als 1000 Jahre alte Fallersleben zu verfassen, kann dabei nur etwas Lesenswertes herauskommen. Und vor allem etwas Sehenswertes ­– denn Axel Claes und Friedrich Wandschneider haben ihrem frisch erschienenen Buch „Fallersleben im Wandel der Zeit“ im Titel einen wichtigen Zusatz gegeben: „Visuelle Häuserchronik“. Verblüffend, welche historischen Fotos aus der Altstadt und ihrer Umgebung das Duo dafür ausgegraben hat, die selbst alte Fallersleber vor Rätsel stellen.

An einem gut besuchten Vortragsabend im November haben die Autoren ihre Häuserchronik vorgestellt, die nicht nur für die Bewohner von Fallersleben interessant ist. Erzählt sie doch indirekt auch vom Wandel in Handel, Handwerk, Gewerbe und Städtebau insgesamt. Und trägt folgerichtig den Untertitel „Entwicklung vom Flecken zum Stadtteil einer Großstadt“. Inzwischen ist das rund 1200 Bilder starke Werk, in dem rund zweieinhalb Jahre Recherche stecken, bereits oft verkauft worden, berichtet das Duo stolz. Herausgeber ist der Kultur- und Denkmalverein Fallersleben, der den Druck finanzierte.

Üppig illustrierte Häuserchronik über Wolfsburgs ältesten Stadtteil

Ein Spaziergang von der Westerstraße über den Denkmalplatz bis hin zur Bahnhofstraße lässt sich in dem üppig illustrierten Werk unternehmen, das elf Straßen und Plätze behandelt. Wer nicht gerade über profundes Hintergrundwissen zu den Häusern in der Fallersleber Altstadt verfügt, hätte ohne die ergänzenden Informationen häufig keinen blassen Schimmer, um welches Gebäude es sich auf den Fotos aus früheren Zeiten handelt.

Unter den vielen Foto-Impressionen von früher und heute finden sich Pferdegespanne, alte Automobile und Landmaschinen sowie VW-Käfer in der Westerstraße und anderswo, Sitzgelegenheiten samt Sonnenschirm vor dem Hoffmannhaus, der Am Spieker ansässige Landwirt Pfeiffer und seine Familie samt Kuh-Gespann auf einem Bild von 1917, und 1970 verirrte sich sogar ein Ford Taunus in die Sandkämper Straße. Zum Alten Brauhaus findet sich auch ein Motiv vom verheerenden Brand 2007. Ein Bild von 2018 zeigt die Volksbank-Baustelle in der Bahnhofstraße.

Die visuelle Häuserchronik von Fallersleben zeigt auch Häuser, die es längst nicht mehr gibt: Die Marktstraße 3 (links) wurde in den 1930er Jahren abgerissen, das Grundstück geteilt. Einen Teil kaufte die Volksbank (die frühere Credit-Bank) und erweiterte dort später ihr Eckgebäude. Heute befinden sich dort Parkplätze und die Spielzone neben dem Bank-Neubau. Den anderen Gebäudeteil kaufte in den 30ern die Firma Großkopf und baute an ihr ursprünglich wesentlich schmaleres Haus Marktstraße 4 (rechts) an.
Die visuelle Häuserchronik von Fallersleben zeigt auch Häuser, die es längst nicht mehr gibt: Die Marktstraße 3 (links) wurde in den 1930er Jahren abgerissen, das Grundstück geteilt. Einen Teil kaufte die Volksbank (die frühere Credit-Bank) und erweiterte dort später ihr Eckgebäude. Heute befinden sich dort Parkplätze und die Spielzone neben dem Bank-Neubau. Den anderen Gebäudeteil kaufte in den 30ern die Firma Großkopf und baute an ihr ursprünglich wesentlich schmaleres Haus Marktstraße 4 (rechts) an. © Kultur- und Denkmalverein Fallersleben | privat

Leidenschaftliche Hobby-Historiker verfassten neue Fallersleber Häuserchronik

Der gebürtige Kieler Friedrich Wandschneider (72), der seit 1955 in Fallersleben wohnt, und der gebürtige Fallersleber Axel Claes (70) sind quasi prädestiniert als Autoren-Duo für solch ein Werk: Ehren-Ortsbrandmeister Wandschneider hat als Mitglied der Historik-AG der Freiwilligen Feuerwehr Fallersleben schon so manches Archiv-Schätzchen gehoben. USK-Ehrenmitglied Claes verantwortet schon seit mehr als 40 Jahren die Vereinshistorie des Uniformierten Schützenkorps Fallersleben. Die Autoren sind zudem Mitglieder im Kultur- und Denkmalverein Fallersleben und dort unter anderem in der Kostüm- und Theatergruppe bei Stadtführungen und Nachtwächterrunden aktiv. Kein Wunder, dass die zwei allein schon durch ihr breitgefächertes ehrenamtliches Wirken über ein enormes Wissen zur Geschichte der Hoffmannstadt verfügen.

Jedenfalls war es mitten in der Corona-Pandemie, im Frühjahr 2021, als es bei den beiden die Initialzündung für ihr Projekt gab. Die ursprüngliche Idee war ein Vortrag über das Fallersleber Schloss, erzählen die beiden beim launigen Gespräch im Wandschneider‘schen Hobbykeller. „Aber bei der Vorbereitung haben wir auch so viele Fotos von alten Fallersleber Bürgerhäusern gefunden, dass wir gesagt haben: Wir machen eine visuelle Häuserchronik“, blickt Wandschneider zurück. Dabei habe die Hauptlast zunächst bei Claes gelegen, da er selbst parallel an der Chronik zum 50-jährigen Bestehen des Wolfsburger Feuerwehrverbands arbeitete.

Nach Angaben in der Häuserchronik von Fallersleben erstmals 1603 erwähnt wurde das Haus Westerstraße 32, hier auf einer Aufnahme vor 1910. Darin befand sich bis zum erneuten Umzug Stilles Buchhandlung. Das Haus ganz links brannte 1910 ab und wurde beim Neubau aufgestockt.
Nach Angaben in der Häuserchronik von Fallersleben erstmals 1603 erwähnt wurde das Haus Westerstraße 32, hier auf einer Aufnahme vor 1910. Darin befand sich bis zum erneuten Umzug Stilles Buchhandlung. Das Haus ganz links brannte 1910 ab und wurde beim Neubau aufgestockt. © Kultur- und Denkmalverein Fallersleben | privat

Autoren-Duo klärte bei Recherche Irrtümer über Fallersleben auf

Lange sammelten und sichteten die beiden zunächst so vor sich hin, bis es irgendwann galt, Gestaltung, Druck und Finanzierung zu klären. Für die Autoren war klar, dass das im Selbstverlag nicht zu schaffen wäre. Also stellten sie ihr Projekt der Vorsitzenden des Kultur- und Denkmalvereins vor. Bärbel Weist schrieb dann auch ein Vorwort, ebenso wie die Autoren, ein Grußwort steuerte der Ortsbürgermeister bei. Im Anhang findet sich ein Bürgermeister-Verzeichnis. Das Logo, das alle Seiten kennzeichnet, ist eine Kombination einer einst von Hans-Bernhard Hildebrand gezeichneten Fallersleben-Silhouette und eines von Claes‘ Sohn entworfenen Pinselstrichs in den Fallersleber Farben mit Wappen davor.

„Wir sind beide Fallersleben-affin ­– und ein bisschen bekloppt“, versucht Claes den Antrieb für die Sisyphusarbeit zu erklären. Wandschneider ergänzt: „Es gibt so viele Sammler von Fotos und Unterlagen. Wenn die von uns gehen, kommt die nächste Generation und räumt auf.“ Dann würde vieles im Müllcontainer landen. „Daher musste das alles in ein Buch.“ Die beiden sind erstaunt, wie viele falsche Angaben zu Ansichten, Daten und Materialien in und über Fallersleben kursieren. In Detektivarbeit gelang es ihnen, Irrtümer aufzuklären, Häuserfotos zeitlich einzuordnen und vieles mehr. „Fallersleben wurde zum Beispiel erst 1911 elektrifiziert. An kleinen Dingen kann man viel festmachen“, erklärt Claes.

Eines der rund 1200 Fotos in der neuen Fallersleber Häuserchronik zeigt eine um das Jahr 1920 gemachte Aufnahme des Hauses Am Neuen Tor 10 auf der Nordseite der Straße, die ganz früher Lindenstraße und dann Neue Straße hieß. Es wurde um 1855 gebaut und nach 1962 abgerissen.
Eines der rund 1200 Fotos in der neuen Fallersleber Häuserchronik zeigt eine um das Jahr 1920 gemachte Aufnahme des Hauses Am Neuen Tor 10 auf der Nordseite der Straße, die ganz früher Lindenstraße und dann Neue Straße hieß. Es wurde um 1855 gebaut und nach 1962 abgerissen. © Kultur- und Denkmalverein Fallersleben | Privat

Kistenweise Fotos aus Fallersleben erstmals für Chronik zusammengestellt

Die Materialmengen, die für die Häuserchronik zusammengetragen, gesichtet und weiterverarbeitet wurden, sind kaum zu fassen: Allein fünf Kartons hat Christian Heine aus dem Nachlass seiner 2021 gestorbenen Tante Brigitte Blankenburg beigesteuert, die viele Jahre Vize-Präsidentin der Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft war, berichten die Autoren. Und 15 Ordner übernahm Claes aus dem Nachlass seines langjährigen Chronisten-Freundes Hans-Bernhard Hildebrand, der 2018 starb. Den beiden ist das Buch auch gewidmet.

Viele weitere haben Unterlagen bereitgestellt: darunter USK-Ehrenoberst Ernst Telge, Brauhaus-Wirt Hartmut Gehrmann, Ortsbürgermeister André Schlichting, Schützenkönig Frank Wöhler sowie Kultur- und Denkmalvereinsvorsitzende Bärbel Weist, die mehr als 40 Jahre als Ortsbürgermeisterin gewirkt hat und heute Heimatpflegerin von Fallersleben ist. Am Ende waren es mehr als 6500 Bilddateien.

Wir sind beide Fallersleben-affin ­– und ein bisschen bekloppt.
Axel Claes, Fallersleben, hat mit Friedrich Wandschneider die neue Fallersleber Häuserchronik veröffentlicht

Visuelle Häuserchronik von Fallersleben zum Selbstkostenpreis erhältlich

Als Recherche-Grundlage diente den Autoren die 1963 erschienene alte „Häuserchronik der Stadt Fallersleben“, verfasst von Dr. Richard Müller. Den Schwerpunkt legten sie jedoch auf Fotos. Beim Konzept orientierten sie sich an der neuen Fallersleber Erhaltungssatzung und machten für die Gegenüberstellung von früher und heute aktuelle Fotos.

Nur erahnen lässt sich, wie viel Material nicht den Weg in die Häuserchronik fand. „Wir haben noch etwa 200 Seiten zu etwa 80 Prozent fertig, zum Beispiel zu Denkmälern, Brunnen und Schwefelbad“, verrät Claes. Klar, dass sich die Frage stellt, ob es einen zweiten Teil geben wird. „Das wissen wir noch nicht“, antwortet das Duo vielsagend.

Die visuelle Häuserchronik von Fallersleben mit einer Auflage von 300 Stück umfasst 440 Seiten mit rund 1200 Bildern und wird zum Selbstkostenpreis von 32 Euro verkauft. Erhältlich ist sie bei der Versicherungsagentur Wöhler in der Bahnhofstraße und in der Postfiliale „Kleines Lädchen“ in der Westerstraße sowie bei den Verfassern Axel Claes, Telefon 05362/62120, und Friedrich Wandschneider, Telefon 05362/62320.

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