Wolfsburg. Bei den Mermaids Wolfsburg wird wöchentlich im Badeland trainiert. Unsere Reporterin wagt den Selbstversuch und räumt mit Vorurteilen auf.
Wenn plötzlich eine Meerjungfrau mitten im Wolfsburger Badeland schwimmt, dann strahlen nicht nur Kinderaugen. Magie und Faszination breiten sich in den heiligen Hallen des Badelands aus. Andrea Schneider liegt auf einem künstlichen Felsen neben dem Wellenbad, schwingt ihre bunte Meerjungfrauen-Flosse in die Höhe und lächelt in die Kamera. „Oh, eine Meerjungfrau!“, hört man Badegäste vor Staunen sagen. Schneider ist als Meerjungfrauen-Lehrerin sozusagen eine Profi-Meerjungfrau und hat das Mermaiding vor ein paar Jahren nach Wolfsburg geholt. Und trotzdem kämpft diese Sportart noch immer mit Vorurteilen.
„Ich mache den Sport bereits seit fast neun Jahren“, erzählt die 40-jährige Sportlerin, die Monoflossen-Schwimmen und Freediving miteinander kombiniert. Leistung, Körperhaltung und Freiheit – das sind Dinge, die Schneider an dem Sport begeistern. „Unter Wasser hört man nichts, man hat sich danach aber trotzdem ausgepowert.“
Wolfsburger Meerjungfrau gewinnt Preis in China
Mittlerweile ist sie über die Wolfsburger Grenzen hinaus bekannt. Erst im September war sie für die Mermaids Open Championship und den International Mermaid Performance Contest nach China gereist, um gegen mehr als 60 professionelle Mermaids und Mermen aus Ländern wie China, USA oder Deutschland anzutreten. „Ich bin überaus dankbar, dass ich auserwählt wurde und mir das Vertrauen entgegengebracht wurde, als erste deutsche Meerjungfrau bei diesem internationalen Contest mitmachen zu dürfen, um das professionelle Mermaiding zu zeigen“, sagt die gebürtige Wolfsburgerin, die in China für die beste Performance ausgezeichnet wurde.
Trotzdem stünden solche Wettbewerbe noch am Anfang und bisher fehle noch mehr geschultes Personal, um solch eine Weltmeisterschaft größer und internationaler austragen zu können. Um ihre Expertise, die Schneider über die vergangenen Jahre gewinnen konnte, auch weltweit einzubringen, sitzt die 40-Jährige als eine der ersten Personen mit im Regelwerk-Komitee, um Anpassungen und Änderungen zu machen.
Mermaids Wolfsburg: Aus dem Badeland auf die Kinoleinwand
Auch in einem Kinofilm spielte Schneider bereits mit, nachdem Warner Brothers auf sie als Meerjungfrau aufmerksam gemacht wurde. „Die haben mich gefragt, ob ich Lust auf eine Kinofilm-Produktion hätte“, erinnert sich Schneider. Gemeinsam mit zwei weiteren Performer Mermaids wurde sie dann für den Film „Rheingold“ gecastet. Eine Woche vor Weihnachten ging es im Jahr 2021 gemeinsam mit zwei weiteren Mermaid-Darstellerinnen nach Mexiko für die Filmaufnahmen.
Drehanfragen für Kinofilme, internationale Wettbewerbe und Reisen rund um die Welt – und trotzdem kämpft Schneider noch immer mit Vorurteilen. Ist Mermaiding überhaupt Sport? Ist das nicht einfach nur gut aussehen? Vor allem Männer hätten mit den Vorurteilen noch einmal mehr zu kämpfen als Frauen. „Sie werden schnell abgestempelt“, sagt die Meerjungfrau auf Zeit.
Mermaid Wolfsburg – ein Selbstversuch in einer Meerjungfrauen-Flosse
Unsere Social-Media-Redakteurin Christina Wicke wollte es genauer wissen und hat den Sport mal so richtig unter die Lupe, oder besser gesagt, unter die Schwimmbrille genommen. Und das bedeutet nicht, dass sie mal eben in eine Flosse geschlüpft ist und ein paar Meerjungfrauen-Bewegungen unter Wasser gemacht hat. Zu dem „Crashkurs“ gehören ein circa zehnminütiges Aufwärmprogramm und etliche Schwimm- und Tauchübungen. Stellte sich heraus: So einfach wie es aussieht, ist Mermaiding gar nicht.
Schon das Anziehen der Meerjungfrauen-Flosse verlangte ihr so einige Kräfte ab. „Das Anziehen der Flosse war vergleichbar mit dem Reinschlüpfen in eine Strumpfhose. Nur deutlich schwieriger, weil die Flosse die Beweglichkeit ordentlich einschränkt“, erzählt Christina. Stehen sei übrigens unmöglich, hat man die Flosse einmal an. Ausgestattet mit einer Taucherbrille ging es für unsere Redakteurin nach einem Aufwärmprogramm mit Dehnen dann ins Sportbecken des Badelands Wolfsburg.
Zuerst hat sie am Beckenrand gelernt, die Flosse im Wasser zu bewegen. „Der Widerstand der Flosse im Wasser war viel stärker als erwartet. Daher war das Bewegen per se schon viel anstrengender, auch wenn die Hälfte vom Körper noch draußen hing“, sagt Christina. Im Wasser musste sie dann erstmal lernen, mit der Flosse zu schwimmen, sowohl über als auch unter Wasser. Fazit: „Nach rund 40 Minuten intensiver Einzelbetreuung im Wasser ist mir erstmal bewusst geworden, dass Mermaiding mehr Tauchen als Schwimmen ist. Und Tauchen ist nun mal nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Aber ich ziehe den Hut vor allen Meerjungfrauen: Das ist echt anstrengend!“

Mermaiding: Ganzkörper-Training, Konditions- und Lungentraining
Dass diese Sportart anstrengend ist, weiß Schneider selbst: „Es ist ein Ganzkörper-Training. Am besten ist es für den unteren Rücken. Aber auch die Schultern werden trainiert.“ Muskelkater ist also nicht ausgeschlossen. Denn beim Meerjungfrauen-Schwimmen werden jegliche Muskelpartien angesprochen. Kein Wunder. Schließlich besteht ein Trainingsprogramm aus Konditions- und Lungentraining, Freediving sowie Statik-Training. Bedeutet: Die Teilnehmenden halten die Luft länger an und hängen sich an den Beckenrand – gestaffelt für zwischen 30 Sekunden und zweieinhalb Minuten.
„Jeder kann mit Mermaiding anfangen. Die Voraussetzung ist aber, dass man den Freischwimmer besitzt“, sagt die Wolfsburger Nixe, die einmal wöchentlich, immer sonntagsvormittags, ihre Gruppen im Badeland Wolfsburg trainiert. „Wasserzeit ist sehr begrenzt“, sagt die Wasser-Sportlerin. Sonntags bietet sie ihren Teilnehmenden dann entweder Schnupperkurse oder Trainingseinheiten an. „Wir versuchen, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Dass jeder, der Kurse machen will oder es neu lernen möchte, die Möglichkeit bekommt, ins Becken zu kommen“, sagt Schneider.