Wolfsburg. Kurz vor dem Bibliothekstag am 24. Oktober gab die Stadt Wolfsburg noch krassere Einschnitte für die Büchereien bekannt. Befürchtet wird ein Kollaps.

Das Jubiläumsjahr steht unter keinem guten Stern: Ausgerechnet im Jahr, in dem die Wolfsburger Stadtbibliothek ihr 80-jähriges Bestehen feiert, hat die städtische Institution mit nie dagewesenem Personalmangel zu kämpfen. Kurz vor dem „Tag der Bibliotheken“, der am Dienstag, 24. Oktober, deutschlandweit und auch in unserer Stadt begangen wird, verkündete die Stadt eine neue Hiobsbotschaft: Es geht nicht ohne weitere Einschnitte!

Denn anders als nach den ersten Einschränkungen erhofft, die im September wegen fehlender Mitarbeiter erfolgten, hat sich die Situation nicht verbessert - sondern im Gegenteil sogar noch weiter verschlechtert! Kurz vor dem Wochenende hat die Stadtverwaltung bekanntgegeben, dass von dem aktuellen Personalmangel nun auch die Zentralbibliothek und die Lernzentren nicht mehr verschont bleiben.

Drastische Einschnitte in Wolfsburger Stadtbibliothek und Lernzentren

Wegen der gegenwärtig fehlenden Mitarbeitenden nimmt die Verwaltung drastische Anpassungen vor: In der Stadtbibliothek im Alvar-Aalto-Kulturhaus und in den Lernzentren an den Schulen werden die Öffnungszeiten gekürzt. Zwar teilte die Stadt mit, dass das lediglich vorübergehend der Fall sein werde, doch der Zeitraum ist doch eher länger: Die Maßnahmen sollen am Montag, 6. November, in Kraft treten „und werden voraussichtlich bis zum 31. Juli 2024 andauern“, heißt es. Und weiter: „Für die Übergangszeit können wir bedauerlicherweise nur ein eingeschränktes Angebot anbieten.“

Konkret bedeutet das: In der Zentralbibliothek wird der Donnerstag als Schließtag eingeführt. In den Lernzentren an den Schulzentren in Fallersleben und Vorsfelde sowie an den betroffenen Schul-Standorten in Westhagen wird es zusätzliche Schließtage geben.

Akuter Personalmangel in Bücherei der Stadt Wolfsburg

„Der akute Personalmangel ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, darunter den Weggang von Mitarbeitenden, erfolglose Verfahren zur Nachbesetzung offener Stellen sowie krankheitsbedingte Ausfälle“, hatte die Stadt erklärt und versichert, dass man weiter versuche, dem Personalmangel entgegenzuwirken und die offenen Positionen „schnellstmöglich und bestmöglich“ zu besetzen. Schon die Schließung der Stadtteilbüchereien in Detmerode, Fallersleben, Vorsfelde und der Nordstadt hatte die Verwaltung Ende August mit starker und anhaltender Personalnot begründet.

Anfang September war die Lage in der Stadtbibliothek Thema im Schul- und Bildungsausschuss. Auf der Tagesordnung stand ein mündlicher Bericht samt Präsentation. Danach sind die Aussichten ziemlich düster - kein Wunder also, dass die zusätzlichen und umfassenden Einschränkungen bei der Stadtbücherei gleich bis Ende Juli 2024 angekündigt sind.

2023 schon mehr als 100 ungeplante Bücherei-Schließungen

In puncto Ausgangssituation für die schwierige Situation werden in der Präsentation gleich mehrere gewichtige Punkte genannt:

  • Es gibt keine kontinuierliche Bücherei-Leitung. Aktuell ist auf der Stadt-Homepage zu lesen, dass es eine Doppelspitze als kommissarische Leitung gibt. Die langjährige Bücherei-Leiterin Petra Buntzoll war in diesem Jahr in den Ruhestand gegangen; ihre Nachfolgerin hörte aus persönlichen Gründen nach wenigen Monaten wieder auf.
  • Die Stellen-Wiederbesetzung insgesamt ist schwierig.
  • Seit dem Wiederstart nach Corona zeigt sich ein verändertes Nutzerverhalten: Veranstaltungen in der Stadtbibliothek sind stärker gefragt, ebenso die Nutzung der Online-Angebote. Dafür wird weniger Medienausleihe konstatiert.
  • 2023 gab es in der Wolfsburger Stadtbibliothek insgesamt bisher mehr als 100 „kurzfristige und ungeplante Schließungen“.

Der Krankenstand in der Bücherei beträgt laut Präsentation 10 Prozent. Laut Stellenplan beträgt das Soll umgerechnet 45 Vollzeitstellen. Doch derzeit sind nicht einmal 40 volle Stellen besetzt; die Stellen-Vakanz wird mit 8,14 Vollzeitäquivalent (VZÄ) angegeben. Auch die Altersstruktur des Personals wird angeführt.

Erschwerte Umsetzung des Bibliothekskonzepts in Wolfsburg

In der Präsentation wird eine erschwerte Umsetzung des Bibliothekskonzepts konstatiert. Voraussetzung dafür seien einst unter anderem die genannten 45 Stellen gewesen, darunter die dauerhafte Einstellung von vier Auszubildenden. Doch eine adäquate fachliche Betreuung sei nicht möglich, und im Anschluss gebe es keine Planstellen. Eine weitere Voraussetzung sei die Einführung der automatisierten Ausleihe an allen Standorten gewesen. Doch das sei aus baulichen Gründen in der Hauptstelle und in den Zweigstellen nur mangelhaft realisierbar. Und auch die räumliche Verbindung von Kinder- und Familienbibliothek sowie die geplante Jugendbibliothek seien aus Denkmalschutzgründen im Alvar-Aalto-Kulturhaus nicht umsetzbar und daher zu personalintensiv.

„Die Transformation der Gesellschaft findet keine Umsetzung in der Bibliothek, weil die räumlichen Rahmenbedingungen den 60er Jahren entsprechen und damit Entwicklungsbeschränkungen einhergehen“, lautet die fachliche Einschätzung des Status Quo, die die erst kürzlich ausgeschiedene Bücherei-Leiterin vornahm. Ihr Fazit bezüglich des internen und externen Reformstaus fällt alarmierend aus: „Kollaps droht.“

„Die Personalsituation ist knapp gestrickt. Immer wieder müssen Personallöcher gestopft werden.
Christa Westphal-Schmidt, SPD, Vorsitzende Schul- und Bildungsausschuss

Stopfen von Personallöchern in Stadtbibliothek an der Tagesordnung

Und nun? Als nächste Schritte werden Entwicklung und Diskussion von Alternativen für das zukünftige Leistungsspektrum der Bibliothek angekündigt. Das betrifft Öffnungszeiten, Standorte, Inhalte und mehr.

Das Urteil der Schul- und Bildungsausschuss-Vorsitzenden Christa Westphal-Schmidt fällt ernüchternd aus: „Die Personalsituation ist knapp gestrickt. Und der Fachkräftemangel macht sich nun auch in diesem Bereich bemerkbar.“ Das führe dazu, dass die verbliebenen Mitarbeiter stark belastet seien. „Immer wieder müssen Personallöcher gestopft werden.“

Für die Sozialdemokratin ist klar: „Wir müssen uns in den nächsten Wochen und Monaten sehr intensiv mit der Situation befassen. Aber kurzfristig sind sicher keine Lösungen zu erwarten.“ Sie spricht von einer Gemengelage. Die Ausschuss-Vorsitzende möchte dem Diskussionsprozess nicht vorgreifen, benennt aber schon zwei Punkte, die ihr persönlich wichtig sind: „Die Lernzentren müssen erhalten bleiben. Und ich halte auch die aufsuchende Arbeit des Personals in den Kitas und Schulen für sehr wichtig.“ Damit möglichst bei allen Kindern und möglichst frühzeitig Leseförderung erfolgt.

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