Wolfsburg. Das Landesbergbauamt informierte, was in Ehmen geplant ist und welche Risiken die Schachterkundung birgt. Was die Experten jetzt schon sagen können.

Kein Platz war mehr frei, als das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) am Dienstag zur Informationsveranstaltung in der Grundschule in Ehmen eingeladen hatte. Es ging um die Erkundung der Schächte I und II im ehemaligen Kalibergwerk im Westen von Wolfsburg. Dafür sollen die Grubenschächte angebohrt werden, um zu erfahren, was in mehr als 600 Metern Tiefe lauert.

Rund 80 Anwohnerinnen und Anwohner sowie weitere Interessierte ließen sich von der ausführenden Arbeitsgemeinschaft und Mitarbeitern des LBEG die Arbeiten präsentieren, über die das Landesbergbauamt vorab bereits informiert hatte. Es warteten viele spannende Fragen: Sind die Schächte mit Salzwasser vollgelaufen, gibt es dort Gasvorkommen, sind die Bauwerke so stabil wie vermutet?

Landesbergbauamt will Schächte des Ehmer Kalibergwerks erkunden

Um es vorwegzunehmen: So ganz genau wissen das die Experten noch nicht. Die Schächte sind derzeit unter anderem mit Betonplomben abgedichtet. Sie sollen verhindern, dass Süßwasser in das darunterliegende Grubengebäude eindringt und die Bausubstanz anlöst, wie das Landesbergbauamt erklärte. Beim Schacht I ist die Plombe nach der Stilllegung des Bergwerks 1925 in einer Tiefe von 240 Metern und beim Schacht II in 310 Metern Tiefe eingebaut worden.

Als erstes haben sich die Fachleute den Schacht I mitten im bewohnten Zentrum von Ehmen vorgenommen, der an der Oberfläche einen Durchmesser von etwa 7 Metern hat. Er soll 2024 erkundet und später saniert werden, bevor der Schacht II im Westen von Ehmen angegangen wird, berichtete das LBEG. Wie Heidrun Rauche von der Firma Ercosplan den Teilnehmern des Informationsabends erklärte, soll die Plombe mit einem Durchmesser von zirka 300 Millimetern durchbohrt werden, um Untersuchungsinstrumente ganz in die Tiefe herablassen zu können.

Aktuell ist der Schacht I mitten in Ehmen mit einer Stahlplatte abgedeckt.
Aktuell ist der Schacht I mitten in Ehmen mit einer Stahlplatte abgedeckt. © oh | LBEG

Experten wissen nicht, was unter Betonplomben in Schächten lauert

Rund 800.000 Kubikmeter Hohlraum vom Bergwerk, weiträumig unter der Ehmer Oberfläche verteilt, haben die Fachleute errechnet, ähnlich einem Kaninchenbau. Möglicherweise ist es aber längst weit weniger. 2018 hat das Bergamt mit ersten Arbeiten begonnen, 2021 gab es eine Kamerabefahrung bis zur Plombe. „Wir sind sehr erleichtert, dass der Pfropfen vom Schacht I noch da ist“, sagte Heidrun Rauche. „Die Proben sind nicht sehr versalzen und frei von toxischen Substanzen.“ Es gebe eine Verbindung zu Grundwasserleitern im oberen Schachtbereich. Derzeit werde versucht, einen alten Wetterkanal zur Frischluftzufuhr ein bis zwei Meter unter der Oberfläche mit Beton zu verfüllen.

Läuft in den nächsten Monaten alles nach Plan, ist das Durchbohren der Plombe im Frühjahr 2024 vorgesehen, erläuterte die Expertin. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun. Die Baustelleneinrichtung läuft schon. Dann muss eine gewaltige Plattform mit großen Stahlträgern aufgebaut werden. Auf der wird dann ein rund 50 Tonnen schweres Bohrgerät installiert, um den Betonpfropfen – eine Plombe – durchbohren zu können, wie Michael Grosser von der Bohrfirma H. Angers Söhne informierte. Im ausgefahrenen Zustand ist die Bohrvorrichtung 18 Meter hoch.

Sicherheitsvorkehrungen für Gruben-Erkundung in Wolfsburg

Bevor in die unteren zwei Drittel des Schachts I vorgedrungen werden kann, sind Sicherheitsvorkehrungen zu treffen: Damit keine eventuell vorhandenen Gase oder Flüssigkeiten austreten können, wird am Bohrloch eine Absperreinrichtung aufgebaut – ein Preventer. Der soll auch das vielleicht notwendige kontrollierte Ablassen von Gas aus dem Schacht ermöglichen.

Erst dann kann erkundet werden, wie es unter der Plombe aussieht, erklärten Thomas Finkeldey und Jens von den Eichen vom LBEG. Je nach Zustand des Grubengebäudes müsse es möglicherweise geflutet werden, wenn es nicht ohnehin schon mit salzhaltigem Wasser gefüllt ist. „Wie es unten aussieht, erzähle ich Ihnen in zwei Jahren“, kündigte Heidrun Rauche an.

Bei einer ersten Befahrung vor rund vier Jahren hat sich gezeigt, dass der Schacht Ehmen I bis drei Meter unter der Tagesoberfläche mit Wasser gefüllt ist.               
Bei einer ersten Befahrung vor rund vier Jahren hat sich gezeigt, dass der Schacht Ehmen I bis drei Meter unter der Tagesoberfläche mit Wasser gefüllt ist.                © oh | LBEG

Bergwerk wird verfüllt mit salzhaltigem Wasser, Kies und Schotter

In einer Pressemitteilung des Landesbergbauamts hatte es zuvor geheißen, dass die so genannte dauerhafte Verwahrung des Grubengebäudes Ziel der Maßnahme ist. Das sei dann der Fall, wenn es „mit salzhaltigem Wasser geflutet ist und die Schächte mit Gestein oder Schotter verfüllt sind“.

Doch von einer Verfüllung mit Steinen oder Schotter war am Dienstag keine Rede. Auf Nachfrage erklärte Pressesprecher Eike Bruns vom LBEG dazu, dass waagerechte Grubenanlagen mit festem Material wie Kies und Schotter aufgefüllt würden. Im senkrechten Kalischacht soll bei der Verfüllung üblicherweise im unteren Teil das Salzwasser stehen, nur oberhalb der Plombe soll mit festem Material aufgefüllt werden.

Die Arbeiten in Ehmen werden nach Aussage von Altbergbau-Experte Finkeldey mehrere Jahre dauern. Anlass ist ein landesweiter Sanierungsplan, den das Amt abarbeitet. Die Gesamtkosten der Erkundung werden voraussichtlich einen siebenstelligen Eurobetrag kosten.

Anwohner haben viele Fragen zu Sicherheitsvorkehrungen

Die Ehmer interessierten sich insbesondere für Sicherheitsvorkehrungen und Risiken. Einer erinnerte an den Gruben-Einbruch im Kalischacht in der Wolfsburger Innenstadt vor Jahrzehnten. Doch laut Finkeldey sei bei dessen Verfüllung teilweise sehr rustikal vorgegangen worden, so hätten sich große Hohlräume gebildet. „Die sind im Schacht Rothenfelde zusammengebrochen, nicht der Schacht selbst.“

Auf die Frage nach Gefahr für Wohnhäuser und von Erdfällen sagte Finkeldey: „Erstmal nicht.“ Der Schacht werde für die weitere Standsicherheit mit Salzwasser geflutet. „Wenn sie bis jetzt keine Schäden an ihren Häusern haben, ist der Schacht möglicherweise schon geflutet“, ergänzte von den Eichen.

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Wolfsburger Immobilienfirma hat Pläne mit Schacht-Grundstück

Nebenbei erfuhren die Anwohner auch, dass das Grundstück mit dem Schacht I, auf dem früher ein Wohnhaus stand, inzwischen einer Wolfsburger Immobilienfirma gehört. Deren mögliche Pläne seien aber kein Thema für die Info-Veranstaltung, sagte Heidrun Rauche. Auch der Pressesprecher kannte keine weiteren Pläne. Ohnehin ist Geduld gefragt bis zum Abschluss des Gruben-Projekts. Und laut Bruns dürfen alte Bergbau-Anlagen nicht direkt überbaut werden; zu Bohrlöchern müssten mindestens 5 Meter Abstand gehalten werden.

Auch zu einer möglichen geothermischen Nachnutzung des Bergwerks gab es einige Fragen. Thomas Finkeldey sagte dazu: „Wir werden alle gewonnenen Daten für mögliche Geothermieprojekte zur Verfügung stellen.“ Allerdings stellte Jens von den Eichen klar, dass man eventuell gar nicht bis ganz unten komme und ein Schacht unterhalten werden müsse, „das macht am Ende viele Geothermie-Projekte tot“.

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Das alte Ehmer Kalisalz-Bergwerk

Von 1899 bis 1925 wurden in Wolfsburg-Ehmen Stein- und Kalisalze gefördert. Dann wurde das Bergwerk der Gewerkschaft Einigkeit stillgelegt. Spätere Überlegungen zur Wiederaufnahme des Salz-Abbaus wurden als unwirtschaftlich verworfen.

Traurige Bekanntheit erlangte das Kalibergwerk im Ersten Weltkrieg durch das schwere Grubenunglück, das sich 1917 ereignete und mindestens 32 Bergleute das Leben kostete.

Das LBEG ist in Niedersachsen für Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren aus verlassenen Grubenbauen und Bohrungen zuständig, die nicht mehr der Bergaufsicht unterliegen. Es saniert zur Gefahrenabwehr alte Schächte und Stollen. Damit sollen Tagesbrüche oder andere größere Schäden an der Oberfläche vermieden werden.

In Ehmen sollen Schacht I mitten im Ort und Schacht II im Westen der Ortschaft untersucht und abgesichert werden. cc