Wolfsburg. Der Energieversorger LSW wird mit Anträgen auf Photovoltaik-Anlagen überhäuft. Der Balkonkraftwerk-Boom macht alles nur noch schlimmer.

Dass es heftig ist, ist schon länger klar. Aber dass sich die Situation so zugespitzt hat, ist ein Schlag ins Kontor für den Ausbau der Solarenergie in Wolfsburg: Der Energieversorger LSW wird mit Anträgen auf private Photovoltaik-Anlagen überhäuft. Die Folge: lange Wartezeiten. Verschärft noch dadurch, dass Balkonkraftwerke boomen. Und es gibt noch einen Grund.

Die Phase der extremen Lieferengpässe ist vorbei, selbst große Photovoltaik-Anlagen sind wieder deutlich besser zu bekommen als noch 2022. Doch neben anderen Faktoren kommt der LSW zentrale Bedeutung zu, was das Tempo bei der Genehmigung von PV-Anlagen und der Schaffung der Voraussetzungen betrifft. Als „Flaschenhals“ hatte der Geschäftsführer einer Wolfsburger Firma, die Solaranlagen installiert, den Energieversorger im Februar bezeichnet.

Selbst der Zählerwechsel für die Solaranlage dauert lange

Ein Problem ist der Stromzähler-Wechsel. Der ist immer dann erforderlich, wenn das Gebäude oder die Wohnung noch einen alten Ein-Richtungs-Zähler hat. Und zwar selbst bei den steckerfertigen Mini-Solaranlagen, den Balkonkraftwerken. Denn sonst würde der alte Zähler rückwärts laufen, wenn die Solarmodule Strom produzieren. Die LSW übernimmt den Zähler-Wechsel kostenlos. Aber: Selbst das dauert. Nach Lage der Dinge inzwischen noch viel länger als im Februar. Damals berichteten mehrere Wolfsburger Photovoltaik-Anbieter unisono, dass es wochenlange Wartezeiten für die Prüfung und Genehmigung von PV-Anlagen gebe. Einer sprach sogar von 30 Wochen bis zum Zählerwechsel.

LSW-Sprecherin Birgit Wiechert wollte das so damals nicht bestätigen, nannte aber auch keine Zeiten. Bei Balkonkraftwerken werde der alte Zähler „schnellstmöglich“ getauscht, wegen der erhöhten Nachfrage sei aber mit Wartezeiten zu rechnen, hieß es im Februar. Das gelte auch für große Anlagen, ebenso wie für deren Genehmigung. Die Entwicklung sei sehr dynamisch.

Interesse an PV-Anlagen durch Förderprogramm der Stadt Wolfsburg angeheizt

Daran hat sich nichts geändert. „Das Interesse zur Installation von Photovoltaik-Anlagen unterschiedlicher Größenordnung ist unvermindert stark“, konstatierte die LSW-Sprecherin auf eine aktuelle Anfrage. Durch das Stadt-Förderprogramm gebe es zudem eine weitere stetig steigende Tendenz. Zu den Anlagen, die auf Zählertausch und/oder Genehmigung warten, nannte die Sprecherin schwindelerregende Zahlen: „Aktuell sind rund 600 Anmeldungen erfasst, von denen zirka die Hälfte terminiert sind. Darüber hinaus existieren rund 700 offene Anfragen mit unterschiedlichem Bearbeitungsstand, die sukzessive bearbeitet werden.“

Und wie lange warten die Leute aktuell nun auf den Zählertausch und/oder die Genehmigung zum Betrieb der Solaranlage? „Liegen die Anträge vollständig und korrekt vor, setzt sich die LSW mit dem Anlagenbetreiber oder -errichter in Verbindung, um Termine zur Inbetriebnahme oder zum Zählertausch mit einem Vorlauf von zirka vier bis fünf Wochen zu vergeben“, berichtete die LSW-Sprecherin. Die Genehmigung hänge auch davon ab, wie komplex Mess- beziehungsweise Anlagensysteme eingebunden werden müssten, ob weitere Prüfungen und Anmeldungen nötig seien, die sich auf die Antwort- und Reaktionszeiten auswirkten.

Energieversorger LSW unterscheidet nicht zwischen großen und kleinen Photovoltaik-Anlagen

Übrigens unterscheidet die LSW nicht zwischen großen und kleinen PV-Anlagen. „In der Regel liegen die benötigten Unterlagen für das vereinfachte Verfahren schneller korrekt, im Gegensatz zu komplexeren Anlagen, vor. Jedoch ist die Anzahl der Anmeldungen auch ein Vielfaches höher, so dass es sich nur unwesentlich auf die Wartezeit zum Zählertausch auswirkt.“

Der Ansturm auf Balkonkraftwerke verschärft das Problem der langen Wartezeiten in Wolfsburg derzeit.
Der Ansturm auf Balkonkraftwerke verschärft das Problem der langen Wartezeiten in Wolfsburg derzeit. © dpa | Stefan Sauer

Und wie steht es mit personeller Aufstockung, von der im Umweltausschuss die Rede war? „Zwischenzeitlich greifen die Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung positiv auf die noch offenen Vorgänge, so dass sich die Prozesse zur Dokumentenprüfung verkürzen“, teilte Birgit Wiechert dazu mit. In Kürze sollen weitere Dienstleister beim Zählersetzen unterstützen, „um die Reaktionszeiten zu beschleunigen“. Dennoch seien Wartezeiten derzeit nicht vermeidbar, die LSW bitte weiterhin um Geduld.

Geduld der Solar-Fans in Wolfsburg wird arg strapaziert

Wie arg die Geduld der Solar-Fans strapaziert wird, ist immer wieder zu hören. Nur ein krasses Beispiel: Eine Wolfsburgerin hatte im April per Mail eine Anfrage zu einer kleinen PV-Anlage an die LSW geschickt und daraufhin eine automatisierte Antwort bekommen, dass ihre Anmeldung einer PV-Anlage eingegangen ist. Eine Antwort auf ihre Fragen: bis heute Fehlanzeige.

Nach zwei Monaten gelang es ihr endlich, einen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen. Seine Aussagen zeugten von einem Ansturm, der das Personal auf viele Monate hinaus beansprucht. Wie lange sie grob geschätzt warten muss, bis der Zählertausch erfolgt und sie das Balkonkraftwerk in Betrieb nehmen kann (für das alle anderen Voraussetzungen vorliegen), dazu vermochte der Mitarbeiter keinerlei Einschätzung abzugeben. Stattdessen Aussagen wie „Wir werden zugebombt mit Anträgen“ und „Wir sind im Grunde voll bis Jahresende“

LSW-Kunden ärgern sich über fehlende Rückmeldungen zu Anmeldungen oder Anfragen

Die LSW-Sprecherin dazu: „Das Beratungsaufkommen ist durch vielfältige Energiethemen massiv gestiegen.“ Die E-Mail sei automatisiert als Anmeldung erkannt worden; da es aber eine Anfrage und kein Anmeldevorgang gewesen sei, seien keine verbindlichen Aussagen möglich gewesen. Sie empfiehlt die Informationen auf der LSW-Homepage. Die der Wolfsburgerin aber nicht weiterhalfen.

Dass die Kunden keinerlei Rückmeldung auf Anträge oder Anfragen erhalten oder monatelang darauf warten müssen - damit soll bald Schluss sein. Wie unsere Zeitung erfuhr, war der vielfache Ärger darüber jüngst Thema im LSW-Aufsichtsrat. „Man hat das Problem erkannt“, war aus Aufsichtsratskreisen zu hören. Photovoltaik-Kunden sollen eine Rückmeldung erhalten - und Auskunft dazu, mit welcher Bearbeitungszeit zu rechnen ist.

Zahlen zum Photovoltaik-Ansturm in Wolfsburg

„Vergleicht man die Anzahl der PV-Anlagen im Wolfsburger Netzgebiet des ersten Quartals 2022 zu 2023, hat sich der Zubau nahezu verdreifacht“, berichtet Birgit Wiechert, Pressesprecherin der LSW. Ende 2022 waren in Wolfsburg nach Angaben des Energieversorgers 1819 Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 19,52 Megawatt installiert. Nur rund ein halbes Jahr später seien nun insgesamt rund 2100 PV-Anlagen unterschiedlicher Größe in Wolfsburg im Netz integriert.

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