Wolfsburg. Ein Verkehrschaos blieb Montagfrüh aus. Zwar fahren wegen des Streiks Züge und viele Busse nicht, doch die meisten Fahrgäste sind darauf eingestellt.

Das befürchtete Verkehrschaos angesichts des Mega-Streiks im öffentlichen Dienst, zu dem die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EV aufgerufen hatten, blieb am Montag in Wolfsburg aus. Im Gegenteil. Auf den Straßen herrschte am Morgen ganz normaler, ja gar entspannter, (Berufs-)Verkehr – schließlich sind auch Osterferien.

Zwischen 7 und 9 Uhr in der Früh gab es weder Staus im Osten – sprich „freie Fahrt“ auf der Marie-Curie-Allee und der Dieselstraße – noch im Westen. Auch auf der Heinrich-Nordhoff-Straße reihte sich nicht Stoßstange an Stoßstange.

Großer Streik: Zugausfälle am Montag auch bei Enno

Zwar fahren den ganzen Tag lang keine Züge – die Deutsche Bahn stellte den Fern- und Nahverkehr komplett ein und auch die Enno-Linien Hannover-Wolfsburg und Wolfsburg-Hildesheim fahren aktuell nicht – und nur vereinzelt Busse, aber die Pendler und Reisenden hatten offensichtlich auf die Warnungen, die seit Tagen ausgesprochen wurden, gehört und sich entweder schon am Wochenende oder erst gar nicht auf den Weg gemacht.

Auch Volkswagen hatte seine Mitarbeiter gebeten – wenn möglich – von zu Hause aus zu arbeiten, oder sich „rechtzeitig auf den Weg“ zu machen. Folge: gespenstische Leere auf dem Willy-Brandt-Platz, in der Eingangshalle des Wolfsburger Hauptbahnhofes und auf den Zustiegen des Zentralen Omnibusbahnhofs, kurz ZOB, auf Höhe der Markthalle.

Streik in Wolfsburg: Gähnende Leere am Hauptbahnhof

Diejenigen, die sich trotzdem ins Foyer des Hauptbahnhofes „verirrt“ hatten, trieb das Prinzip Hoffnung um. So auch David R.: „Ich hatte die leise Hoffnung, dass wenigstens der Enno fährt“, sagte der 32-Jährige, der gerade mit der Buslinie 380 aus Helmstedt in Wolfsburg eingetroffen war. David R. fährt jeden Tag eine Stunde lang mit dem öffentlichen Personennahverkehr, um an seinen Arbeitsplatz in Peine zu gelangen. Wäre er am Montag aus Wolfsburg fortgekommen, hätte ihn die Strecke zweieinhalb Stunden gekostet.

„Nur ins Bett“ wollte Jürgen S., der bei einem Sicherheitsdienst arbeitet und gerade seine Nachtschicht an der VW-Arena absolviert hatte. Jeden Tag pendelt er zwischen seinem Wohnort Braunschweig und der VW-Stadt – nur am Montag musste er sich von einer Bekannten abholen lassen, „damit ich am nächsten Tag fit und ausgeschlafen meinen Nachtdienst wieder antreten kann“. Seit mehr als acht Jahren nimmt Jürgen S. schon in weiser Voraussicht jeden Tag die Regionalbahn, die ein Stunde eher fährt: „Mit dem Enno ist immer irgendwas, eine einzigartige Katastrophe jeden Tag.“

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Wenig los beim Bäcker in der Wartehalle im Hauptbahnhof

Weil sich im Bahnhofsgebäude kaum Passanten befanden, war’s auch entsprechend ruhig in der
Filiale der Brotmeisterei Steinecke. „Eigentlich ist hier an den Wochentagen zwischen 5 und 6 Uhr morgens die Hölle los, da bedienen wir in der einen Stunde schon mal locker 100 Kunden“, berichtete Filialleiterin Anika Thiele. Doch Montag waren es in den ersten zweieinhalb Stunden gerade einmal geschätzte 40 Kunden. „Wir haben entsprechend weniger Ware geordert und weniger Snacks vorbereitet und wenn das so weitergeht, dürfen die Mitarbeiter früher nach Hause gehen“, erläuterte Anika Thiele.

Ein paar Meter weiter an den Bushaltestellen vor dem Hotel Innside by Meliá und noch weiter an den Haltestellen am ZOB standen auch nur vereinzelt Menschen herum. Darunter auch drei Mitarbeiter aus den Werkstätten der Lebenshilfe – die entsprechend erfreut waren, als ein Bus der Linie 202, die die Strecke von Brackstedt nach Detmerode bedient, hielt und Busfahrer Asad Sabotic die Türen öffnete.

„Wir fahren heute nur nach einem Notfall-Fahrplan“, erklärte der Angestellte von Bischof-Reisen, die sich nicht an dem Streik beteiligten. Drum fuhr auch in Sichtweite noch ein Bus der Linie 212 vorbei, den die Aufschrift Duckstein-Pollitz-Busreisen zierte. Der Streikfahrplan der WVG ist online zu finden unter www.wvg.de.

In keinen der Busse konnte Kacper Stachanczyk einsteigen. Der 23-Jährige, der eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert, wollte nach Braunschweig fahren und hatte „irgendwo gelesen, dass der Bus fährt“. „Aber ich habe meinem Chef schon Bescheid gesagt, dass ich heute wohl nicht mehr kommen werde“, bedauerte der junge Mann.

745 Fahrten der WVG fallen am Montag in Wolfsburg aus

Insgesamt fielen am Montag laut Petra Buerke, Pressesprecherin der Wolfsburger Verkehrs-GmbH, 745 WVG-Fahrten aus. „Die Subunternehmen fahren mit zehn Bussen in Summe 123 Fahrten“, teilte Petra Buerke auf Anfrage mit. Die WVG verfügt über eine Flotte von 94 Bussen und 220 Busfahrern, der Streik dauert von Betriebsbeginn bis Betriebsende.

Ebenso verwaist wie der Rest der City war am Morgen auch das Busdepot der Verkehrsgesellschaft in der Borsigstraße, wo sich in der Halle die Fahrzeuge dicht an dicht reihten: Wo in der Vergangenheit die Mitarbeiter lautstark auf ihre Forderungen aufmerksam gemacht hatten, flatterte lediglich ein Transparent mit der Aufschrift „Wir streiken“ einsam im kalten Wind.

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