Fallersleben. Schlusspunkt unter einen jahrelangen Zankapfel: Der exklusive Bauplatz am Rande des Grüngürtels in Wolfsburgs beliebtestem Stadtteil ist vergeben.

Es ist der endgültige Schlusspunkt unter ein Politikum, das die Ratsgremien über mehrere Jahre beschäftigt hat. Und das, obwohl es nur um ein einziges Grundstück ging. Auf dem exklusiven Bauplatz auf der Streuobstwiese am südlichen Fallersleber Grüngürtel sind die Bagger angerollt. Ursprünglich wollte auf dem Filet-Grundstück ein Wolfsburger Promi bauen.

Schon seit Wochen laufen die Bauarbeiten am südlichen Ende des Rotekampwegs im Wohngebiet Landgraben, westlich der Sportanlagen am Windmühlenberg. Dort ist laut Bebauungsplan-Änderung ein Wohnhaus mit maximal zwei Wohneinheiten zulässig.

Ökologisch wertvolle Fläche darf nur zur Hälfte bebaut werden

Als Konsequenz aus den heftigen politischen Debatten wurde festgelegt, dass nur rund die Hälfte der ökologisch wertvollen Grünfläche – etwa 900 Quadratmeter – Baugrundstück werden darf und mehr als die Hälfte der Obstbäume erhalten werden muss. Auch der finale politische Beschluss zu dem als Promi-Bauplatz in den Fokus geratenen Grundstück war umstritten: Es gab im Rat der Stadt 15 Gegenstimmen, 26 Ratsmitglieder stimmten dafür, es gab 4 Enthaltungen.

Am Mittwoch stellte sich die Situation so dar, dass auf dem unteren Teil der Wiese noch diverse Obstgehölze standen, eines davon in Schieflage. Vier weitere Obstbäume im Bereich der Baustelle waren mit Absperrbaken gesichert. Ursprünglich standen auf der gesamten Streuobstwiese 17 Obstbäume; maximal 5 dürfen laut Ratsbeschluss gefällt werden.

So sah die Streuobstwiese noch im Sommer 2018 aus. Damals prangerte Gerhard Chrost vom BUND das Bauvorhaben auf der ökologisch wertvollen Fläche an.
So sah die Streuobstwiese noch im Sommer 2018 aus. Damals prangerte Gerhard Chrost vom BUND das Bauvorhaben auf der ökologisch wertvollen Fläche an. © regios24 (Archiv) | Anja Weber

2018 wurde bekannt, dass Wolfsburger Promi auf Wiese bauen wollte

Das Biotop war vor rund 30 Jahren auf Initiative des Fallersleber Kleingärtnervereins Neuland angelegt worden; mehrere Vereine beteiligten sich damals auch mit Spenden an der Schaffung. Die Kleingärtner übernahmen später die Pflege des Areals.

Die scharfe politische Debatte hatte ihren Ursprung 2018 nicht nur darin, dass eine biologisch wichtige Streuobstwiese angetastet werden sollte, die noch dazu ehrenamtlich angelegt worden war. Sondern es war auch öffentlich geworden, dass ein prominenter Wolfsburger dort bauen wollte. Und zwar, ohne dass der Bauplatz ausgeschrieben wird – per freihändiger Vergabe durch die Stadt. Als Konsequenz erließ die Stadt 2019 eine neue Vergaberichtlinie, während sich der einstige Bauinteressent im Zuge des Wirbels zurückzog.

Heftige Kontroverse um Grundstücksvergabe-Praxis in Wolfsburg

Die Angelegenheit hatte nämlich eine monatelange Diskussion über die städtische Vergabepraxis für einzelne Grundstücke ausgelöst, die an den langen Bauplatz-Wartelisten vorbei bevorzugt an bestimmte Bürger vergeben wurden, beispielsweise an „Führungskräfte dieser Stadt“. So zitierte Oberbürgermeister Klaus Mohrs in der Ratssitzung damals aus alten Rathaus-Unterlagen.

Die heftige Kontroverse über das von der Stadt gepflegte Vorgehen führte schließlich dazu, dass sie ihre Vergaberichtlinien neu fasste. Denn es soll weiter möglich sein, einzelnen Personen ein Grundstück in Wolfsburg offerieren zu können, ohne dass diese zuvor auf langen Wartelisten gestanden haben.

Bevorzugte Bauplätze für besondere Führungskräfte

Als Beispiele für solche Personengruppen wurden unter anderen herausgehobene Führungskräfte von Großunternehmen und Stadtverwaltung sowie Chefärzte und leitende Ärzte im städtischen Klinikum genannt.

„Da wird jetzt echt gebaut? Ist ja krass“, entfuhr es Ursula Mrongovius von den Grünen, die vor einem Jahr im Ortsrat gegen die Bebauungsplan-Änderung gestimmt hatte. Sie erinnert sich, dass sie damals noch versucht habe, ihre Ratsfraktion umzustimmen, die mit dem Bauprojekt mit Blick auf Nachverdichtung einverstanden war. „Da geht es nicht um Verdichtung, sondern um Vernichtung von Naturfläche“, sagte die Fallersleberin nun.

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„Diese Streuobstwiese zu erschließen, ist nicht das, was wir aus Naturschutzsicht wollten. Wir waren strikt dagegen“, erinnerte Sören Schlegel, der nun für die Grünen im Ortsrat sitzt, an seine und Mrongovius’ ablehnende Haltung.

Auch der damalige BUND-Vorsitzende Gerhard Chrost hatte sich schon vor vier Jahren vehement gegen Eingriffe auf der Streuobstwiese ausgesprochen. „Wir haben uns damals leider nicht durchgesetzt“, sagte er unserer Zeitung am Mittwoch. Er forderte, dass der Ersatz für die fünf gefällten Obstbäume in direkter Umgebung zeitnah erfolgen muss. „Falls nicht, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass Naturschutz in Wolfsburg keine große Rolle spielt.“