Wolfsburg. Im Raum steht der Vorwurf des Völkermordes im Westen Chinas. Das VW-Werk müsse geschlossen werden, verlangt der Weltkongress der Uiguren.

Voller Optimismus und mit den besten Absichten begann Volkswagen 2013 die wirtschaftliche Erschließung des chinesischen Westens. Ein neues Werk sollte gebaut werden – als erster Automobilhersteller investierten die Wolfsburger in ein Produktionswerk in der Region Xinjiang. Urumqui war das 102. Konzernwerk von Volkswagen. Es wird als das aktuell umstrittenste in die Geschichte des Unternehmens eingehen. Das Engagement fiel dem Autobauer bleischwer auf die Füße.

Das VW-Topmanagement ist nicht in Wolfsburg

Schon am 1. September werden die Bahnreisenden, die am Hauptbahnhof eintreffen, mit dem VW-Dilemma in Ürümqui konfrontiert. Die Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen und der Weltkongress der Uiguren demonstrieren gemeinsam gegen die Drangsalierungen und den Terror, denen die moslemische Ethnie der Uiguren in Xinjiang durch die chinesische Regierung ausgesetzt sein soll. Zudem soll eine Petition an den neuen Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume übergeben werden. Der Zeitpunkt ist insofern schlecht gewählt, als sich das gesamte Topmanagement heute nicht in Wolfsburg aufhält. Im portugiesischen Lissabon findet heute die Global Top Management Conference statt. Beschäftigen müssen wird sich der neue Vorstandsvorsitzende dennoch mit der heiklen und imageschädigenden Thematik. „Volkswagen muss sein Schweigen zum Völkermord an den Uigurinnen und Uiguren beenden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und der Weltkongress der Uiguren (WUC) fordern den neuen VW-Chef Oliver Blume am Tage seines Arbeitsbeginns als CEO in Wolfsburg auf, das VW-Werk in Urumqi zu schließen“, heißt es in der Ankündigung der Demonstration.

„Herr Blume hat die Chance zum Neustart“

Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Völker sieht das Unternehmen und den neuen Vorstandschef unter Handlungsdruck. Schließlich haben auch Bundesregierung und die IG Metall deutlich gemacht, dass sie Menschenrechtsverletzungen in China künftig sanktionieren wollen. „Herr Blume hat die Chance zu einem Neustart. Wir erwarten, dass Volkswagen sich dafür einsetzt, dass unabhängige Journalisten das Werk besuchen dürfen und dass Herr Blume sich mit den Angehörigen der in China inhaftierten Uiguren trifft“, fordert Schedler gegenüber unserer Zeitung. Blumes Vorgänger Diess hatte sich weitgehend ahnungslos gezeigt, wenn es um die Menschenrechte in Xinjiang ging. Dabei hat das Unternehmen nun sogar eine hochrangig angesiedelte Menschenrechtsbeauftragte installiert, die sich sicherlich gut mit dem Thema auskennt.

Der Vorwurf lautet: Völkermord durch Chinas Regierung

„Eine Geschäftstätigkeit in der Region, die die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte achtet, ist unmöglich geworden. Die chinesische Regierung begeht Völkermord an den Uiguren und lässt mittels ihrer lückenlosen Überwachung keine unabhängigen und glaubwürdigen Audits für Unternehmen zu. Unter Blumes Vorgänger Herbert Diess hatte der VW-Konzern versucht, die verheerende Menschenrechtslage kleinzureden und jeden Vorwurf von Zwangsarbeit in seinen Lieferketten zurückgewiesen“, heißt es in der Einladung der beiden Organisationen. „Als global agierendes Unternehmen steht der Volkswagen-Konzern für individuelle Freiheit, faire Arbeitsbedingungen, offenen Welthandel, wirtschaftliche Entwicklung und friedliches Zusammenleben. Maßstab sind dabei die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte. So tritt Volkswagen weltweit auch entschieden gegen Zwangsarbeit in Zusammenhang mit seinen geschäftlichen Aktivitäten ein. Ebenso arbeiten wir mit unseren weltweiten Partnern an der Einhaltung dieser Werte. Dementsprechend adressieren wir alle kritischen Themen, die unser Geschäft betreffen, im Austausch mit unseren Partnern und Behörden auf allen Ebenen. Wir befürworten den konstruktiven Dialog und verschließen uns diesem grundsätzlich nicht“, schreibt Volkswagen zu den Vorwürfen.

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