Trockenheit

Dauer-Frischluft für gestresste Aller-Fische in Wolfsburg

| Lesedauer: 9 Minuten
Ein kraftvoller Belüfter ist nun am Aller-Düker in Vorsfelde im Einsatz, damit das von Entengrütze überzogene Wasser mehr Sauerstoff für die Fische bekommt.

Ein kraftvoller Belüfter ist nun am Aller-Düker in Vorsfelde im Einsatz, damit das von Entengrütze überzogene Wasser mehr Sauerstoff für die Fische bekommt.

Foto: Helge Landmann / regios24

Wolfsburg.  Nach dem Fischsterben und dem Feuerwehr-Rettungseinsatz ist am Aller-Düker in Vorsfelde nun ein Belüfter im Einsatz. Leser üben klare Kritik.

Für viele Fische kam diese Hilfe zu spät: Nach der kurzfristigen Aktion von Dutzenden Feuerwehrleuten, die am Dienstag mit großen Fahrzeugaufgebot anrückten und Wasser aus dem Mittellandkanal in den darunter gelegenen Aller-Düker pumpten, mussten hunderte tote Tiere aus dem stinkenden Wasser geholt werden.

Um diese unangenehme Aufgabe kümmerten sich bereits am Mittwoch Mitglieder des Angel- und Gewässerschutzvereins (AGV) Vorsfelde und Umgebung. Und es war auch frustrierend: Denn erst im Frühjahr hatte der Verein für viel Geld neue Fische in die Aller gesetzt. Die nun großenteils dem massiven Fischsterben aufgrund akuten Sauerstoffmangels in dem gestressten Gewässer zum Opfer fielen.

Kritik am späten Handeln der Verantwortlichen

Unter unseren Facebook-Usern kam klare Kritik am späten Handeln der Verantwortlichen auf, in erster Linie an der Stadt. „Letztendlich wird zu spät entschieden, jedes Jahr aufs neue Probleme mit den Gewässern und es wird nicht draus gelernt. Es muss früher eingegriffen werden. Das haben aber nicht die Vereine in der Hand. Den Schuh können sich andere anziehen“, kritisierte eine Leserin. „Leider wieder zu spät wie immer“, beklagte eine andere Userin. „Wichtig ist, das sich im Rathaus etwas tut“, forderte ein weiterer Leser. Für die kritischen Beiträge gingen auf Facebook etliche Daumen hoch.

Doch die Stadt hatte die weitere Verantwortung für das Schicksal von Tausenden weiterer Fische, die sich nach Schätzung des AGV-Vorsitzenden Thorsten Fricke in ihrer Not am Aller-Düker gesammelt haben, auf den Verein geschoben. Der werde sich ums Abfischen und Umsetzen der Tiere in den Mittellandkanal kümmern, hatte es am Mittwoch seitens der Stadt geheißen. Und: „Weitere Wasserzugaben sind derzeit nicht geplant.“

Doch der Angel- und Gewässerschutzverein hatte deutlich gemacht, dass ein Abfischen am Düker schwierig werde, da helfe nur Belüften für mehr Sauerstoff im Wasser. Linderung brachte seit Donnerstagmorgen ein Belüfter, der nach Informationen unserer Zeitung vom Wasserverband Vorsfelde in die Aller gesetzt wurde.

Braunschweiger Feuerwehr informierte auf Facebook über Hilfsaktion

Unterdessen informierte die Braunschweiger Feuerwehr bereits am Mittwochmorgen auf Facebook über ihre Unterstützung bei der Feuerwehr-Aktion am Aller-Düker: Unter der Überschrift „BS hilft in WOB – Fischsterben in der Aller vorerst abgewendet!“ berichtete die Wehr darüber, während die Stadt Wolfsburg darüber am Mittwoch erst auf Nachfrage informierte.

Alarmstufe Rot hatte es am Dienstag für die Fische in der Aller gegeben: Schon seit Wochen ist der Fluss auf einigen Abschnitten trockengefallen. In ihrer Not hatten sich sehr viele Tiere am Aller-Düker in Vorsfelde gesammelt, weil das Wasser dort noch etwas höher steht. Doch irgendwann ging den Fischen die Luft aus. Mit einem Großaufgebot rückte die Feuerwehr an, um Wasser aus dem Mittellandkanal umzupumpen.

Mit mehreren Rohren saugten die Feuerwehr-Einsatzkräfte der Wolfsburger Berufsfeuerwehr, aus Vorsfelde und Braunschweig am Dienstag zigtausende Liter Wasser aus dem Mittellandkanal an und pumpten es in hohem Bogen in die tiefer gelegene Aller. Und zwar dort, wo das Flüsschen durch drei Rohre unter dem Kanal hindurch auf dessen Nordseite geführt wird.

Tausende Fische kämpften in der Aller ums Überleben

Dort tummelten sich tausende Fische und kämpften ums Überleben, schnappten nach Luft. Doch für viele Tiere kam die Rettung zu spät: Fotos und ein Film zeigen, dass viele Fische tot im Wasser treiben. Entstanden sind die Aufnahmen am Dienstagnachmittag und -abend: Der Wolfsburger Naturfotograf und -filmer Reinhold Wagner hat die Aktion am Aller-Düker verfolgt, Fotos gemacht und ein Youtube-Video produziert. Titel: „Rettungsversuch – Fischsterben am Aller-Düker“.

„Unter dem Düker gibt es eine tiefe Stelle, wo sich auch in normalen Zeiten Fische sammeln. Wenn es aber immer mehr Fische werden und es immer wärmer wird, haben sie irgendwann zu wenig Sauerstoff“, erklärt Stefan Ludwig, zweiter Vorsitzender und Gewässerwart des Angel- und Gewässerschutzvereins (AGV) Wolfsburg-Vorsfelde und Umgebung. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in Wolfsburg in den vergangenen 50 Jahren schon einmal so wenig Wasser hatten.“ Er befürchtet weitere solcher dramatischen Situationen.

Feuerwehren kämpfen gegen Aller-Fischsterben in Wolfsburg

Wolfsburger filmte Hilfsaktion für Youtube-Video

Genau wie Reinhold Wagner. Der Naturschützer, der seine Streifzüge seit Jahren fotografisch und filmisch dokumentiert, hatte vom AGV von dem Rettungseinsatz erfahren und war dabei, hat eindrucksvolle Fotos und einen nachdenklich stimmenden Kurzfilm produziert und sagt: „Die Aktion war wichtig, um kurzfristig für Entlastung zu sorgen. Aber das muss sicher auch in anderen Gewässern gemacht werden.“

Im Hilfseinsatz für die Aller-Fische war am Dienstag auch AGV-Vorsitzender Thorsten Fricke. Er berichtet, dass ihn am Morgen die Außenbezirks-Leiterin der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Vorsfelde, Carmen Müller, angerufen habe. „Sie sagte mir, dass zahlreiche tote Fische am Aller-Düker treiben.“ Montagnachmittag habe der Verein noch kontrolliert, „da waren dort noch keine toten Fische“.

Angel- und Gewässerschutzverein alarmierte Stadt und Aller-Ohre-Verband

Jedenfalls alarmierte Fricke nach seiner Schilderung sofort die Stadt Wolfsburg und den Aller-Ohre-Verband, woraufhin die Feuerwehren mit einem Großaufgebot anrückten. „Die haben massivst Wasser in die Aller gepumpt“, berichtet der Vereinsvorsitzende. Es sei eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Stadt, Aller-Ohre-Verband, Mittellandkanal-Verwaltung und den Feuerwehren gewesen.

Die Stadt bestätigte am Mittwoch: „Durch das Trockenfallen der Aller kam es zu einem Fischsterben am Aller-Düker. Vor dem Aller-Düker gab es noch Wasser, einen Austausch oder Frischwasserzulauf gab es jedoch nicht mehr. Die noch verbleibenden Fische zeigten eine Notatmung.“ Weil der AGV befürchtet habe, dass bei einem Umsetzungsversuch die noch lebenden Fische unter Stress ebenfalls sterben, habe man entschieden, Frischwasser aus dem Kanal zuzuführen.

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Wolfsburger Feuerwehr bekam Verstärkung aus Vorsfelde und Braunschweig

Die Untere Wasserbehörde habe die Wolfsburger Berufsfeuerwehr angefragt, die wiederum die Freiwillige Feuerwehr Vorsfelde und die Braunschweiger Feuerwehr angefordert habe, um mit drei Pumpen einen Volumenstrom von 550 Kubikmetern pro Stunde zu erreichen. „Insgesamt wurden rund 2000 Kubikmeter Wasser in Abstimmung mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt entnommen“, hieß es seitens der Stadt.

Bis gegen 20 Uhr lief die Aktion, die eine Wasserstandszunahme um etwa zehn Zentimeter gebracht habe. „Weitere Wasserzugaben sind derzeit nicht geplant.“ Im nächsten Schritt solle der AGV kurzfristig die noch lebenden Fische in den Kanal umsetzen.

Vorsfelder Vereinsvorsitzender hofft auf Unterstützung vom THW

„Das war eine super Aktion. Aber wenn das nicht wieder gemacht wird, haben wir bald wieder das Problem“, prophezeit der AGV-Vorsitzende. Jedoch könne die Stadt das nicht leisten, heiße es. „Dabei bräuchten wir ein Notstromaggregat und eine Wasserpumpe, die bei Bedarf laufen kann.“ Vielleicht könnte die Stadt auch das Technische Hilfswerk anfordern, hofft er.

„Das Becken am Aller-Düker kann man nicht abfischen“, betont der AGV-Vorsitzende. An die Fische in den Betonröhren komme man mit Keschern und dergleichen nicht ran. „Da hilft nur das Belüften.“

AGV-Mitglieder sammeln tote Fische am Aller-Düker

Am Mittwoch waren nach Angaben von Thorsten Fricke rund 15 AGV-Mitglieder dabei, die toten Fische einzusammeln. „Zirka 250 tote große Fische waren es bis Mittwochmittag schon.“ Darunter Hechte, Karpfen, Schleien, Barsche und Rotfedern. „Das ist schlimm anzusehen. Und es stinkt fürchterlich.“

Zudem hätten sich dort noch zigtausende weitere Fische gesammelt – die sich zuvor auf etwa drei Kilometern in der Aller verteilten. Doch auf etlichen Abschnitten fließt kein Wasser mehr. Der AGV-Vorsitzende ist frustriert: „Wir haben erst im Frühjahr für tausende Euro auch vom Aussterben bedrohte Fischarten in die Aller gesetzt, Bitterlinge und kleine Glasaale. Unsere Mitglieder versuchen jetzt, die aus den letzten Pfützen zu retten.“

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