Berlin. Die Ampel-Regierung plant, das Fliegen zu verteuern. Das dürfte viele Reisende ärgern – denn die Ticketpreise drohen, stark anzuziehen.

Wer ab Deutschland im kommenden Jahr mit dem Flieger abhebt, muss sich auf höhere Preise einstellen. Die Bundesregierung plant, die Ticketsteuer zu erhöhen, um mehr Steuereinnahmen zu generieren. Das hat nicht nur Folgen für die Fluggäste, sondern auch für den Luftverkehrsstandort Deutschland. Wichtige Fragen und Antworten.

Warum will die Bundesregierung die Ticketsteuer erhöhen?

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Haushalt arbeitet die Bundesregierung schon mehrere Wochen daran, Löcher in ihrer Finanzplanung zu stopfen. Zunächst war eine innerdeutsche Kerosinsteuer erwogen worden, nun hat das Haus von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mitgeteilt, die Luftverkehrsabgabe erhöhen zu wollen. Ab dem kommenden Jahr soll das zu Mehreinnahmen in Höhe von bis zu 580 Millionen Euro jährlich führen.

Wie teuer werden Flugtickets dadurch?

Offizielle Angaben dazu machte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Nachfrage nicht. Innerhalb der Bundesregierung laufe dazu noch die Abstimmung, hieß es. Für unsere Redaktion hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) mögliche preisliche Auswirkungen berechnet. Demnach werden Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer der aktuellen Steuerschätzung für 2024 zufolge in Höhe von 1,68 Milliarden Euro erwartet.

„Leidtragende der Regierungspolitik sind die deutsche Bevölkerung“, kritisiert der Easyjet-Konzern.
„Leidtragende der Regierungspolitik sind die deutsche Bevölkerung“, kritisiert der Easyjet-Konzern. © picture alliance/dpa | Henning Kaiser

Sollen 580 Millionen Euro zusätzlich aus der Abgabe generiert werden, würde das eine Erhöhung um 34,5 Prozent bedeuten. „Bei proportionaler Anpassung der aktuellen Steuersätze müssten die Ticketpreise bei der Kurzstrecke um 4,39 Euro steigen, bei der Mittelstrecke um 11,13 Euro und bei der Langstrecke um 20,04 Euro“, sagte DIW-Steuerexperte Stefan Bach dieser Redaktion.

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Im vergangenen Jahr lag das Aufkommen der Luftverkehrsteuer bei rund 1,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr bis einschließlich Oktober hat der Staat durch die Abgabe bislang etwa 1,2 Milliarden Euro eingenommen. Erhoben wird die Steuer bei Reisebeginn von deutschen Airports. Die Höhe ist abhängig von dem Flugziel. Derzeit beträgt der Steuerbetrag auf Kurzstreckenflüge (bis zu 2.500 Kilometer Entfernung) 12,73 Euro pro Flugticket, auf Mittelstrecken (bis zu 6000 Kilometer) 32,25 Euro und auf Langstrecken (mehr als 6000 Kilometer) 58,06 Euro.

Wie sollten sich Verbraucher jetzt verhalten?

„Da die Steuer für bereits verkaufte Tickets voraussichtlich nicht mehr auf die Reisenden umgelegt wird, kann die Buchung von Tickets vor Einführung der Steuer für Reisende gegebenenfalls günstiger sein“, hieß es von der Flugrechteplattform Flightright. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg empfahl Kunden im Gespräch mit unserer Redaktion, Preise zu vergleichen. „Fluggäste haben es selbst in der Hand, ob sie sich die hohen Ticketpreise der Airlines gefallen lassen oder sich den Wettbewerb zunutze machen“, sagte er. Darüber hinaus empfiehlt der Luftfahrtkenner Stoßzeiten wie Ferien, Ostern oder Weihnachten zu meiden und Flexibilität hinsichtlich des Abflugortes zu zeigen. Für in Grenznähe wohnende Passagiere könne sich nach der Abgabenerhöhung auch der Blick ins Ausland lohnen.

Welche Stimmen kommen aus der Luftverkehrsbranche?

„Steigende Gebühren und Steuern verteuern den Luftverkehr in Deutschland stetig. In keinem anderen europäischen Land ist Fliegen teurer“, sagte eine Sprecherin des größten deutschen LuftfahrtkonzernsLufthansa dieser Redaktion. Erst im Jahr 2020 – mitten in der Pandemie – sei die Luftverkehrsteuer deutlich erhöht worden. Darüber hinaus hätten sich Flugsicherungsgebühren seit 2021 mehr als verdoppelt und ab 2025 würden die Luftsicherheitsgebühren um bis zu 50 Prozent steigen. „Während die meisten europäischen Länder wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben, liegt der deutsche Luftverkehr gerade einmal bei 80 Prozent der Kapazität von vor Corona“, so die Sprecherin weiter.

Werde Fliegen in und über Deutschland immer teurer, verlagere sich Verkehr in andere Länder. Passagiere könnten, um günstiger zu reisen, auf interkontinentalen Flügen an anderen Drehkreuzen umsteigen, was Konnektivität und Wertschöpfung in Deutschland koste, erklärte sie. Lufthansa-Zahlen verdeutlichen schon jetzt Mehrkosten für Airlines: Berechnungen des Konzerns zufolge liegen die staatlichen Kosten für den Abflug eines typischen Mittelstreckenflugzeugs Madrid, Paris und Warschau zwischen 200 und 1.500 Euro. In Deutschland hingegen müssten Fluggesellschaften mit 3.500 bis 4.000 Euro kalkulieren – und damit fast mit dem vierfachen.

Auch Easyjet hält nichts von den Plänen der Bundesregierung: „Selbstverschuldete Haushaltslöcher werden gestopft. Leidtragende der Regierungspolitik sind die deutsche Bevölkerung, die bereits heute die höchsten Flugpreise in Europa zahlt – sowie die wirtschaftliche Konnektivität des Landes, welche zu den Schlusslichtern in Europa gehört“, sagte der Deutschland-Chef der Airline, Stephan Erler. Kritik an der geplanten Erhöhung der Ticketsteuer kam auch von den Linken im Bundestag. „Statt zuerst diejenigen steuerlich zu belasten, die im Privatjet um die Welt jagen, greift die Ampel bei denen zu, die hart erarbeitet einmal im Jahr mit der Familie in den Urlaub fliegen“, sagte der frühere Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch.

Wie geht es jetzt weiter?

Unklar ist, wann genau die Steuererhöhung greifen soll. Zunächst muss das Bundeskabinett einen Beschluss fassen, Bundestag und Bundesrat müssen zustimmen. Branchenintern wird eine Steuererhöhung im ersten Quartal des neuen Jahres für unrealistisch gehalten. Ohnehin feilt die Bundesregierung derzeit noch an der Umsetzung weiterer Sparbeschlüsse: In Sachen Agrardieselerstattungen zeichnet sich laut „Bild“ inzwischen ein Kompromiss ab. SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese sagte, man suche nach einer Lösung für kleine Betriebe. Möglicherweise werden künftige Steuererstattungen auf eine maximale Liter-Anzahl pro Jahr und Betrieb beschränkt.

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