Berlin. Will Penny Kunden verschrecken oder was steckt hinter der Aktion des Discounters? Warum die Bauern die Kampagne heftig kritisieren.

Der Mozzarella kommt heute nicht in ihren Einkaufskorb. „Die Aktion ist vielleicht gut gemeint, aber 1,55 Euro sind mir einfach zu viel Geld“, sagt eine junge Mutter zu ihrer Freundin als sie verdutzt im Kühlregal den neuen, deutlich höheren „wahren“ Preis für ihren Käse bei Penny entdeckt. Sonst kostet er nur 89 Cent. Wie viele geht auch sie bei dem Discounter einkaufen, weil sie auf jeden Cent achtet und preisbewusst einkauft – erst recht in Zeiten hoher Inflation. Ein anderer junger Käufer findet die Aktion dagegen so gut, dass er sie durch den Kauf von gleich zwei Bio-Fruchtjoghurts für je 1,56 Euro statt vormals 1,19 Euro gerne unterstützt.

Penny startet in dieser Woche ein gewagtes Experiment. Statt Kunden mit Preissenkungen zu locken, wirbt der Discounter bis zum 5. August bewusst mit Preisaufschlägen. Der Hintergrund: Der Einzelhändler, der zur Rewe-Gruppe gehört, verlangt für neun ausgewählte Produkte aus seinem Sortiment von rund 3000 Artikeln so genannte „wahre“ Verkaufspreise anstatt der üblichen Marktpreise. Und zwar in allen bundesweit 2150 Filialen. So kostet ein veganes Schnitzel mit 2,83 Euro jetzt 14 Cent mehr, Bio-Würstchen mit 5,36 Euro sogar 2,07 Euro mehr.

Doch was ist ein wahrer Preis? Bei einem wahren Preis werden ökologische und soziale Folgen, die bei der Herstellung eines Produktes entstehen, in den Verkaufspreis miteinberechnet. Dazu zählen bei Lebensmitteln vor allem Folgen für das Klima, den Boden, das Wasser und die Gesundheit. Beim Klima werden beispielsweise Folgekosten für das klimaschädliche Gas Methan hinzugerechnet, die Rinder während der Verdauung produzieren. Bei Wasser geht es um Pestizide und Düngemittel, die das Grundwasser belasten, die aber auch die Gesundheit der Landwirte beeinträchtigen können. Beim Boden wird der Verbrauch natürlicher Flächen einberechnet.

Penny: Klimakosten verteuern Produkte drastisch

Dadurch wird manches Produkt fast doppelt so teuer. Die Preisdifferenz will Penny für einen guten Zweck spenden – an das Projekt Zukunftsbauer, das im Alpenraum für den Klimaschutz eintritt. Die Kampagne wird zudem wissenschaftlich von der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald begleitet. Die Forscher, die die wahren Preise berechnet haben, versprechen sich vor allem Erkenntnisse zum Kaufverhalten und zur Akzeptanz für das Thema.

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Das Projekt umfasst vier Bio-Produkte und fünf konventionell hergestellte Lebensmittel. In beiden Bereiche entstehen Zusatzkosten, allerdings verteuern sich Bio-Produkte nur maximal um 69 Prozent – bei den konventionellen sind es in der Spitze 94 Prozent.

Penny: Für diese neun Artikel werden eine Woche lang die „wahren Kosten“ verlangt - alle sind teurer.
Penny: Für diese neun Artikel werden eine Woche lang die „wahren Kosten“ verlangt - alle sind teurer. © dpa | Oliver Berg

So kostet die 300-Gramm-Packung Maasdamer Käse im Discounter jetzt mit 4,84 Euro fast doppelt so viel wie vorher mit 2,49 Euro. Für das Klima kommen laut Wissenschaftlern ökologische Zusatzkosten von 84 Cent allein wegen klimaschädlicher Emissionen hinzu, 12 Cent für die Grundwasserbelastung durch Düngemittel, 76 Cent für die Bodennutzung und 63 Cent für die Gesundheitsbelastungen. Aber auch der Preis für Bio-Würstchen steigt um 2,07 auf 5,36 Euro. Auch dabei schlagen sich nicht einberechnete Klimakosten für die Tierhaltung und Bodennutzung nieder.

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Penny: Lebensmittel dürfen nicht zum Luxus werden

Penny will mit der Aktion auf die negativen ökologischen Folgekosten aufmerksam machen. „Wir sehen, dass viele unserer Kundinnen und Kunden unter den unverändert hohen Lebensmittelpreisen leiden. Dennoch müssen wir uns der unbequemen Botschaft stellen, dass die Preise unserer Lebensmittel, die entlang der Lieferkette anfallen, die Umweltfolgekosten aktuell nicht widerspiegeln“, sagte Penny-Manager Stefan Görgens. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen an Bauern oder Hersteller, sondern „dass wir uns gemeinsam dieser Herausforderung als Gesellschaft stellen“.

Der Penny-Manager ist selbst gespannt, ob die Millionen Kundinnen und Kunden in den Filialen trotzdem zu den Produkten greifen werden. Görgens kalkuliert einen Umsatzrückgang im „einstelligen Millionenbereich“ ein. Damit Nichtverkauftes nicht weggeworfen werden müsse, seien bewusst haltbarere Produkte ausgewählt worden. Grundsätzlich stehe neben einer gerechteren Bepreisung auch fest: „Lebensmittel dürfen nicht zum Luxusgut werden“, sagte der Manager. Zentrale Herausforderung sei, dass sich jeder Mensch unverändert qualitativ hochwertige Lebensmittel leisten können müsse.

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Bauernverband wirft Penny Greenwashing vor

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßt, dass die Aktion zeige, „dass viele Nahrungsmittel ohne Rücksicht auf Umwelt und Klima erzeugt werden“, sagte Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht. So entstünden Schäden und damit Kosten, für die Konsumenten sonst nicht bezahlen. Der Umweltschützer fordert die Handelskonzern jedoch auch auf, Landwirten endlich faire Preise für ihre Produkte zu bezahlen, damit sie nachhaltig und umweltfreundlich wirtschaften können.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch bezeichnet die Penny-Aktion als „reinen PR-Gag“. Auch der Deutsche Bauernverband sieht die Aktion sehr kritisch: „Die Penny-Aktion ist vor allem ein auf Kosten der Bauern ausgetragenes Greenwashing-Projekt eines Discounters, der sich ansonsten wenig für faire Bepreisung interessiert“, sagte der Generalsekretär Bernhard Krüsken. „Anstelle solcher aktivistischer Effekthaschereien sollte das Unternehmen Penny lieber die tatsächlichen Leistungen der heimischen Landwirtschaft anerkennen, wertschätzen und vor allem angemessen entlohnen.“