Berlin. Der Sommer 2022 hat gezeigt: Genügend Wasser ist nicht mehr überall in Deutschland selbstverständlich. Umweltministerin Lemke reagiert.

Starkregen, Stürme, Dürre, fehlende Niederschläge oder heiße Sommer – die Wetterextreme nehmen weltweit zu. Auch wenn die Wasserversorgung in Deutschland noch gesichert ist, sind ernsthafte Probleme nicht ausgeschlossen. Mancherorts sinken die Wasserpegel, Fischweiher trocknen aus, Wälder leiden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will einer Verschlechterung gezielt vorbeugen. Dazu hat das Ministerium eine Nationale Wasserstrategie entwickelt, die am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll.

Warum ist eine Wasserstrategie notwendig?

Die vergangenen Dürrejahre haben deutliche Spuren in Wäldern, Seen, Flüssen und in der Landwirtschaft hinterlassen. „Wasser ist für uns lebenswichtig. Wir müssen alles dafür tun, um unser Wasser zu schützen - für uns und nachfolgende Generationen“, sagt Lemke unserer Redaktion. „Die Folgen der Klimakrise für Mensch und Natur zwingen uns zum Handeln.“ Die Nationale Wasserstrategie ist Grundlage für ein modernes Wassermanagement. Alle Kräfte von Bund, Ländern, Kommunen, Forschung und Wasserwirtschaft würden dafür gebündelt. „Sauberes Wasser ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“

Was ist konkret geplant?

Das Aktionsprogramm umfasst 79 Maßnahmen, die schrittweise bis 2050 umgesetzt werden sollen. Zu den Kernzielen gehört, dass es auch in 30 Jahren und darüber hinaus noch überall und jederzeit hochwertiges und bezahlbares Trinkwasser geben soll. Gewässer und Grundwasser sollen sauber sein. Der naturnahe Wasserhaushalt soll gestärkt und wiederhergestellt werden. Infrastruktur und Wassernutzung werden an die Folgen der Klimakrise angepasst. Die Wasserstrategie betreffen die Landwirtschaft und Naturschutz, Verwaltung und Verkehr, Stadtentwicklung und Industrie.

Wie gut ist Deutschland mit Wasser versorgt?

Die Trinkwasserversorgung in Deutschland ist aktuell gesichert. Doch der Niederschlag ist schon heute ungleich verteilt. So fällt im Osten und Nordosten im Schnitt weniger Regen und Schnee als im Westen und Süden. Laut Umweltbundesamt verfügen die Gebirgsregionen in Süddeutschland über 10- bis 20-mal mehr Wasser als Brandenburg. Wenn 20 Prozent des verfügbaren Wassers von Menschen genutzt wird, sprechen Experten von Wasserstress. Dieser zieht oft Umweltprobleme nach sich. So können Moore und Feuchtgebiete austrocknen, Wälder unter der Trockenheit leiden.

Wie können sich die Bundesländer helfen?

Regionen sollen sich gegenseitig mit Wasser aushelfen. So will das Bundesumweltministerium mit den Ländern Verbundnetze und Fernleitungen planen, die Wasser aus nassen Regionen in trockenere Gegenden bringen sollen. Damit könnten regionale Unterschiede ausgeglichen werden. In Baden-Württemberg und Hessen gibt es bereits erste Fernleitungen.

Wie entstehen Wasserprobleme?

Nicht nur Dürre, auch zu viel Wasser kann zum Problem werden – wie die Zerstörungen durch die Sturzfluten im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen vor zwei Jahren gezeigt haben. Extremwetterereignisse stellen Kommunen und Länder vor große Probleme, so Lemke. Kommunen und Länder sollen künftig per Gesetz dazu verpflichtet werden, Gefahren und Risikokarten für Starkregen zu erstellen. Diese sollen bei Bebauungsplänen berücksichtigt werden.

Sauberes aus dem Wasserhahn - das soll es nach Wunsch des Umweltministeriums auch noch 2050 geben.
Sauberes aus dem Wasserhahn - das soll es nach Wunsch des Umweltministeriums auch noch 2050 geben. © dpa | Patrick Pleul

Was können Städte beitragen?

Städte sollen künftig mit mehr Grün und weniger versiegelten Flächen geplant werden. Diese so genannten Schwammstädte können Wasser besser speichern und machen Städte klimaresistenter. Zudem steige dadurch die Lebensqualität, ist die Ministerin überzeugt.

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Was wird gegen Wasserverschmutzung getan?

In Gewässern finden sich immer wieder Pestizide, Mikroplastik und Rückstände von Medikamenten. Die Verschmutzung der Gewässer, des Grundwassers ist laut Umweltministerium weiter zu hoch und ein Risiko für die Gesundheit. Der konsequente Schutz des Wassers habe Priorität, der Eintrag von Schadstoffen müsse verhindert werden, fordert Lemke. „Sauberes Wasser muss immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar sein.“

Was verändert sich für Hersteller?

Wer wasserschädliche Produkte oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt, muss künftig verstärkt zur Beseitigung von Schäden in den Gewässern beitragen. Hierzu will Lemke eine geplante EU-Regelung zur erweiterten Herstellerverantwortung unterstützen und schnellstmöglich einführen. Die Abwasserabgabe soll durch eine Spurenstoffabgabe ergänzt werden. Um Einträge von Düngemitteln und Pestiziden aus der Landwirtschaft zu reduzieren, soll der Ökolandbau gestärkt werden.

Wie kann der Wasserhaushalt gestärkt werden?

Eine gesunde Natur ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass sich Wasser in der Landschaft hält. Dazu sollen Ökosysteme gestärkt werden, um Wasser in Dürrezeiten zu speichern oder als Überschwemmungsflächen bei Hochwasser zur Verfügung zu stehen. Moore sollen wieder vernässt, Flüsse und Auen renaturiert und Wälder wiederhergestellt werden. Dafür stehen mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) bis 2026 allein vier Milliarden Euro zur Verfügung. Zudem muss die Wasserinfrastruktur modernisiert und der Küstenschutz ausgebaut werden.

Wer nutzt Wasser?

Jährlich werden rund 20 Milliarden Kubikmeter Wasser gebraucht. Davon entfallen 44,2 Prozent auf den Energiesektor. Der Bergbau und das verarbeitende Gewerbe nutzen 26,8 Prozent des Wassers, 2,2 Prozent werden für die Beregnung in der Landwirtschaft verwendet. In die öffentliche Wasserversorgung fließen 26,8 Prozent des Aufkommens.

Pro Tag verbraucht im Schnitt jede Person knapp 130 Liter Trinkwasser. In Privathaushalten wird das meiste Wasser fürs Baden und Duschen (36 Prozent) verwendet, 27 Prozent fließen in die Toilettenspülung, 12 Prozent gehen ins Händewaschen, 6 Prozent ins Geschirrspülen und 4 Prozent ins Essen und Trinken.

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Muss Wasser gespart werden?

Das Umweltministerium will Anreize zum Wassersparen insbesondere in der Industrie und Landwirtschaft schaffen. Wasserintensive Nutzung soll, wo möglich, auf wassersparende Methoden umgestellt werden. Denkbar ist die Weiterentwicklung von Wasserentnahmeentgelten und smarte Wassertarife.