Berlin. Eine Heizung mit Biogas oder -öl statt Wärmepumpe und Co.? Wir haben zwei Experten gefragt, wie realistisch die Alternativen sind.

  • Wie sieht die Heizung der Zukunft aus? Fest steht: Es ist nicht nur eine Lösung möglich
  • Auch für Gas- und Ölheizungen besteht die Möglichkeit des Weiterbetriebs
  • Allerdings gibt es dabei verschiedene Hürden zu beachten. Welche das für Hausbesitzer sind, erklären Experten hier

Statt Wärmepumpe, Fernwärme oder Pelletheizung seine Gas- oder Ölheizung laufen lassen und in Zukunft mit klimaneutralen Brennstoffen weiter nutzen? Was nach all den Debatten über das Heizungsgesetz und die Wärmewende abstrakt klingt, könnte in Zukunft nicht abwegig sein. Schon länger wird in der Automobil- oder Heizungsbranche an solchen Lösungen getüftelt – zuletzt wurde etwa über HVO 100, einen sogenannten Hochleistungskraftstoff für Dieselmotoren, berichtet.

Gas- und Ölheizung aktuell noch erlaubt? Das steht im Heizungsgesetz

Das Besondere: Der Kraftstoff wird komplett aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen. Ähnliche Ersatzstoffe sind auch für die Ölheizung denkbar. Die Frage ist: Wie realistisch ist die Nutzung einer klimaneutralen Öl- oder Gasheizung mittelfristig? Wir haben mit Niels Alter, Energieberater für die Verbraucherzentrale Bayern, und Justus Menten, Architekt und Gründer des Berliner Start-ups Enter, über das Thema gesprochen.

Derzeit sind die Inhalte im Heizungsgesetz für Eigentümer von Bestandsgebäuden wenig relevant. Bisher greift die 65-Prozent-Quote für eine neue Heizung nur für Neubauten in ausgewiesenen Neubaugebieten. Für Heizungen im Bestand gelten teils lange Übergangsfristen. Theoretisch kann also auch jetzt noch eine Öl- oder Gasheizung neu eingebaut werden. Der Haken: Ab 2045 peilt Deutschland die Klimaneutralität an. Der Einsatz monovalenter Brennstoffe wäre ab dann nicht mehr möglich.

Biobrennstoffe für eine Heizung: Experten sehen entscheidende Hürde

Eine Nische bilden Heizungen mit Biobrennstoffen. In der Vergangenheit hatten wir mehrfach über als Alternative zum Gas und Gasheizungen mit Biogasnutzung (Biomethan) berichtet. Solche Möglichkeiten gibt es auch für die Ölheizung. Erst vor Kurzem war eine Studie mit über zehn Gas- und Ölheizungsvarianten veröffentlicht worden. Diese Anlagen laufen ganz oder bloß teilweise mit Bioheizöl. „Das lässt sich grob aus zwei Quellen erschließen“, erklärt Alter.

  1. Biomasse als Grundlage: Die Basis sind nachwachsende Rohstoffe wie Raps – vergleichbar mit der Produktion von Biogas
  2. E-Fuel-Technologie: Der benötigte Brennstoff wird mittels elektrischer Energie aus Wasser und Kohlenstoffdioxid gewonnen – die Grundlage dafür ist die Elektrolyse

Alter sieht hier primär ein Kapazitätsproblem. „Flüssige Biomasse steht bloß in begrenzter Menge am Markt zur Verfügung. Derzeit wird ein sehr großer Teil davon schon für den Bioanteil in Kraftstoffen benötigt.“ Ausgangsstoffe wie Abfälle oder Altfette stehen ebenfalls nur zu einer begrenzen Menge zur Verfügung. Ein ähnliches Problem gibt es auch bei E-Fuels. „Für die Herstellung werden große Mengen an Strom benötigt – dieser sollte aus ökologischen Quellen stammen.“

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© en2x | Pressegrafik

Bioöl statt fossiles Heizöl: „Diese Lösungen sind nicht immer ganz bio“

Bedeutet: Strom aus Kohlekraftwerken ist für die Elektrolyse keine Lösung. Daher ist in der Wärmewende auch häufig vom „grünen Wasserstoff“ die Rede. „In beiden Fällen werden Rohstoffe für die Herstellung benötigt, deshalb ist das ganze Thema Biobrennstoffe auch sehr komplex“, meint Justus Menten. Sein Unternehmen hat sich auf die Energieberatung spezialisiert und erstellt individuelle Sanierungsfahrpläne für Hausbesitzer und hilft bei der Vermittlung von Fachbetrieben.

Bei Bioheizölen warnt Menten vor Fallstricken. „Viele Händler und Lieferanten suchen jetzt auf allen Wegen nach Lösungen.“ Er rät, bei der Frage einer neuen Heizung immer auch perspektivisch zu denken. Benötigte Ressourcen für die Biobrennstoffe wie Strom oder Wasser könnten in Zukunft knapp werden. "Man muss sich bewusst sein, dass solche Lösungen eine Art Kompromisslösung darstellen und am Ende nicht ganz bio sind.“

Ressourcen treiben Heizölpreise in die Höhe: Alternative ist günstiger

Diese benötigten Ressourcen treiben wiederum die Verbraucherpreise nach oben. „Bioheizöl ist aktuell schon zwischen 15 und 20 Prozent teurer als normales Heizöl“, sagt Menten. Handelt es sich um ein Mischprodukt aus Bio- und normalem Heizöl, muss zudem der -Preis eingerechnet werden. „Der Faktor Ressourcenknappheit wird immer dazu führen, dass wir hier insgesamt höhere Kosten haben.“

Unterm Strich können Alternativen zur Öl- oder Gasheizung deshalb interessanter sein. „Gerade bei uns im ländlichen Raum Bayerns raten wir oft zur Pelletheizung. In vielen Fällen kann hier die bestehende Infrastruktur einer Ölheizung (Heiz- und Tankraum, Schormstein) weiter genutzt werden“, erklärt Alter. Auch der Platz für die zentrale Verbrennungsanlage ist hier gegeben. „In die Pelletheizung investiert man am Anfang etwas mehr, spart aber langfristig über die preiswerteren Brennstoffkosten“, ergänzt Menten.

Bioheizöl ist aktuell schon teurer als normales Heizöl.
Justus Menten - Enter

Risiko einer Öl- oder Gasheizung: Experten mit deutlicher Empfehlung

Menten sieht die Ölheizung mit Bioheizöl für die Zukunft als eine „Nischenlösung“. Alter rät dazu, immer auch die Alternativen zu prüfen. Am Ende müsse das Thema Heizung aber immer individuell und ganzheitlich betrachtet werden. Pauschale Aussagen sind daher schwierig. „Man sollte sich aber immer bewusst sein, welche Risiken dahinterstehen, wenn man sich für Heizöl oder Gas als Lösung entscheidet“, fasst es Menten zusammen.

Beide Experten legen betroffenen Hausbesitzern daher immer eine Energieberatung nahe. Diese wird vom Staat auch bezuschusst. „80 Prozent gibt es für den individuellen Sanierungsfahrplan“, sagt Menten. Dabei ist es egal, ob man sich von einem Unternehmen wie Enter oder einer Verbraucherzentrale beraten lässt. Wichtig ist aus Sicht beider Experten immer, dass der Energieberater nach Hause kommt, um sich vor Ort ein Bild von der Ausgangssituation machen zu können.

Wärmepumpe oder Heizung? Die Förderung könnte Ausschlag geben

Eine Möglichkeit ist auch die Sanierung in mehreren Etappen. Spricht: Zunächst tauscht man etwa Fenster und Heizkörper aus und nutzt erst einmal die alte Heizung weiter. Menten: „Man kann sich etwa über die Jahre Wärmepumpen-ready machen und muss die Kosten nicht auf einmal stemmen.“ Selbst in Auch in unsanierten Altbauten ist eine Wärmepumpe als Lösung nicht ausgeschlossen. „Die Leistung muss aber entsprechend auf das Gebäude ausgelegt sein“, sagt Alter.

In Sachen Effizienz sollte man sich Alter zufolge zunächst immer fragen, wie viel Wärme bekomme ich für wie viel Strom? Für eine Wärmepumpe im Altbau muss das Gebäude nicht zwingend sofort gedämmt werden. „Maßnahmen wie größere Heizkörper können die Effizienz (einer Wärmepumpe) deutlich verbessern, wohingegen zum Beispiel neue Fenster oder eine Wärmedämmung den Energieverbrauch des Gebäudes senken." Der Vorteil hier: Für Wärmepumpe, Pelletheizung und Co. ist aktuell eine Förderung von bis zu 21.000 Euro je Heizung möglich.

Förderung ab 2024: So viel Zuschuss gibt‘s

Unabhängig vom Einkommen bekommen alle Eigentümer einen Basiszuschuss von 30 Prozent der Gesamtkosten. Zusätzlich gibt es für effizientere Erdwärmepumpen und Wärmepumpen mit natürlichem Kältemittel einen Effizienzbonus von fünf Prozent, was in der Summe eine Grundförderung von bis zu 35 Prozent ermöglicht. Haushalte mit einem Jahreseinkommen bis maximal 40.000 Euro (ca. 50.000 Euro brutto) erhalten weitere 30 Prozent Zuschuss, in Summe also 65 Prozent.

Für besonders schnelle Hausbesitzer gibt es den Geschwindigkeitsbonus: Wer bis zum 31. Dezember 2025 eine mindestens 20 Jahre alte Gas- oder Ölheizung austauscht, kann zusätzlich zur Basisförderung einen weiteren Zuschuss bekommen. Der Bonus ist allerdings zeitlich gestaffelt und nimmt über die Jahre ab. Theoretisch sind so bis zu 85 Prozent Förderung möglich – jedoch ist der Zuschuss auf maximal 70 Prozent der Kosten und 21.000 Euro begrenzt.

Zusätzlich zur Bundesförderungen können Eigentümer von weiteren Zuschüssen der Bundesländer und den Vorteilen der Förderbank KfW profitieren, die zinsgünstige Kredite und Direktzuschüsse für energetische Sanierungen anbietet.

Fazit zur Gas- und Ölheizung: Alternativ ja – aber nicht blenden lassen

Öl- oder Gasheizungen werden nicht gefördert. „Und man setzt sich einer unklaren Preisentwicklung beim Brennstoff aus“, erklärt Menten. Unser Fazit: Die Technologieoffenheit im Heizungsgesetz schließt auch Lösungen mit Biobrennstoffen nicht aus. Jedoch sollten Verbraucher immer das große Ganze im Blick haben.

Am Ende ist nicht nur der Preis für die Heizung ausschlaggebend. Was kostet der Brennstoff? Und ist die Heizungslösung mit Blick auf gesetzliche Vorgaben zukunftssicher? Noch ist die Produktion biologischer Heiz- und Kraftstoffe mit hohem Aufwand sowie einem großen Ressourcenverbrauch verbunden. Das wiederum macht die Brennstoffe für Verbraucher auch perspektivisch teurer. Ein Tabu müssen die Biobrennstoffe aber trotzdem nicht sein.

Wer sich erst vor wenigen Jahren eine Heizung neu zugelegt hat, kann diese weiterhin nutzen. Auch Menten und Alter raten in den Fällen nicht zum voreiligen Heizungstausch. „Neuere Gas- und Ölheizungen arbeiten sehr effizient und können zum Teil auch schon mit Biobrennstoffen betrieben werden“, sagt Menten. Gasheizungen müssen als H2-ready gekennzeichnet sein. Bei einer Ölheizung kann der maximale Biostoffanteil in den Papieren oder über den Hersteller in Erfahrung gebracht werden.

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