Berlin. Unternehmensanleihen sind komplexer als Aktien oder Festgeld. Sie haben Eigenheiten und Risiken. Worauf Verbraucher achten sollten.

„Wiedersehen macht Freude“ – diesen Spruch hat jeder irgendwann mal gehört, wenn es darum ging, sich beim Nachbarn ein Gartengerät oder die Küchenmaschine zu borgen. Weil es auch bei einer Anleihe am Kapitalmarkt ums Geben und Wiederbekommen geht, passt der Gedanke dort ebenfalls. An der Börse können Privatleute eine ganze Reihe dieser Schuldverschreibungen kaufen, bequem übers eigene Online-Wertpapierdepot. Dann geht es darum, dass die Sparer natürlich irgendwann ihr Geld wiedersehen wollen.

Das gestiegene Zinsniveau hat auch den Anleihenmarkt neu belebt. Der führende deutsche Handelsplatz, die Börse Stuttgart, zählte im April den anderthalbfachen Wert gehandelter Anleihen im Vergleich zum Vorjahr. Im Mai hatte sich der Umsatz sogar verdoppelt. Und ein Großteil der Schuldpapiere sind Unternehmensanleihen, also Kredite an Firmen wie Volkswagen, Fraport, Bayer und Co.

Unternehmensanleihen: Zinsen statt Dividenden

Anleihen sind sogenannte festverzinsliche Wertpapiere. Sie können beispielsweise eine Laufzeit von zehn Jahren haben, aber bis dahin von Investor zu Investor weiterverkauft werden. Der Zins, auch Kupon genannt, ist gleichbleibend. Daraus folgt eine wichtige Eigenschaft einer Anleihe: Ändert sich das allgemeine Zinsumfeld – genau das ist mit den steigenden Zinsen seit 2022 der Fall –, ändert sich auch der Gegenwert, den man für eine ältere Anleihe bekommen kann.

Eine Anleihe, die beispielsweise 2016 in der Nullzinsphase herausgegeben wurde, hat einen Kupon von 1 Prozent pro Jahr. Heute wirkt dieser Zins mickrig, entsprechend ist der aktuelle Handelspreis oder Kurs für eine solche Anleihe in den vergangenen Monaten gesunken.
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Weil aktuelle Anleihen direkt mit höheren Kupons ausgegeben werden, locker mit 4 oder 5 Prozent, finden die älteren Papiere nur mit Abschlag ihre Käufer. Deren Kalkulation ist dann: Zum niedrigen Zins kommt ein Kursgewinn hinzu. Denn am Rückzahltermin hat derjenige, dem die Anleihe dann gehört, Anspruch auf den ursprünglich verliehenen Betrag.

Mitunter versprechen Unternehmensanleihen schöne Renditen. Doch sie bergen ein Ausfallrisiko.
Mitunter versprechen Unternehmensanleihen schöne Renditen. Doch sie bergen ein Ausfallrisiko. © Getty Images | Tommy

Unternehmensanleihen: Die Eigenschaften sind komplex

Klingt etwas verwirrend? In der Tat sind Anleihen komplexere Finanzprodukte als Aktien und Sparkonten. Mit den Aktien haben Anleihen gemein, dass es kontinuierlich Börsenkurse für sie gibt. Allerdings ist die grobe Regel „geht es dem Unternehmen gut, steigt der Kurs“ bei Anleihen nicht gültig, denn das Zinsumfeld spielt wie beschrieben eine wichtige Rolle. Bei einem Sparkonto dagegen gibt es in Krisensituationen das Fangnetz der gesetzlichen Einlagensicherung, die innerhalb der Europäischen Union die Guthaben bis zu 100.000 Euro je Sparer und Bank garantiert.

Das erwünschte Szenario ist, dass das Unternehmen vereinbarungsgemäß die Zinsen überweist, schlussendlich seine Schulden zurückzahlt und das sprichwörtliche Wiedersehen tatsächlich Freude macht. Gefürchtet ist dagegen der Fall, dass die Anleihe ausfällt. Hier können langwierige Gerichts- oder Insolvenzverfahren folgen, und ein Großteil oder das ganze Geld kann futsch sein. Bekannte Pleitebeispiele aus der letzten Zeit sind Air Berlin, Wirecard, Arcandor oder auch General Motors.

Ausfallrisiko: Die Agenturen helfen bei der Einschätzung

Ein zentraler Anhaltspunkt für die Kreditwürdigkeit der Firmen ist das Rating, quasi die Schulnote, die von spezialisierten Agenturen wie S&P oder Moody’s regelmäßig publiziert wird. Die höchste Note ist AAA.

Hohe Renditen bieten insbesondere sogenannte Schrottanleihen oder Junkbonds mit schwacher Bonität – hier zu investieren, ist ein Spiel mit dem Feuer. Unterhalb der Note BB wird die Ausfallquote zweistellig, anders gesagt: Hier kommt jedes zehnte Unternehmen in Zahlungsprobleme. Im anlagewürdigen Bereich, dem sogenannten Investment Grade, ist das erwartete Risiko kleiner.

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Unternehmensanleihen: Die Stückelung als Problem

Der Geldratgeber Finanztip rät Börsen-Einsteigern vom Kauf einzelner Firmenanleihen ab. Denn problematisch ist neben dem Ausfallrisiko die Stückelung, schließlich kann man viele Anleihen nur in Portionen von je 1000 Euro kaufen, nicht selten sogar erst ab 100.000 Euro. Um das Risiko von Fehlkäufen durch eine vielseitigere Einkaufsliste abzumildern, muss man also ein größeres Budget haben.

Eine praktischere Lösung sind laut Finanztip günstige Anleihen-ETFs, also börsengehandelte Fonds, in denen etliche unterschiedliche Anleihen stecken. Sie lassen sich schon für kleine Beträge kaufen. Die Depotbank berechnet für Anleihekauf und -verkauf in aller Regel dieselben Gebühren wie für Aktien.
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Die Möglichkeit, jederzeit die Anleihe verkaufen zu können, ist zwar ein attraktiver Unterschied zum unflexiblen Festgeld. Mit Festgeld innerhalb der Einlagensicherung ist aber zumindest klar, dass die Investition nicht schrumpft, was in der launischen Anleihenwelt niemand garantieren kann. Als Sicherheitsbaustein der Geldanlage ist Festgeld also besser geeignet.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.