Braunschweig. Die Faninitiativen lassen den Protest gegen mögliche Investoren im deutschen Fußball nicht abreißen – und fordern Neu-Abstimmungen.

So viel ist sicher: Es wird nicht ruhiger um die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und ihre Investoren-Pläne. Seit Wochen protestieren die Fanszenen in den Stadien – mal leise und mal laut. Ein Gesprächsangebot der DFL haben Fan-Initiativen abgelehnt. Stattdessen fordern sie eine Wiederholung der umstrittenen Abstimmung.

DFL-Investor: Fans sehen 50+1 in Gefahr

Die Anhänger prangern unter anderem an, die DFL würde Kritik am Zustandekommen des Abstimmungsergebnisses ignorieren, wodurch die 50+1-Regel „in seinen Grundfesten erschüttert wird“, heißt es in einer Mitteilung des Fan-Dachverbandes Unsere Kurve, der auch die Fanabteilung und der Fanrat von Eintracht Braunschweig angeschlossen sind. Was damit gemeint ist? Hannover-96-Mäzen und -Mehrheitsgesellschafter Martin Kind hat bei der Abstimmung über die Pläne, einen DFL-Investor zuzulassen, offenbar nicht mit „nein“ abgestimmt – entgegen der Vorgabe des Muttervereins.

Die Zustimmung der Hannoveraner war aber entscheidend. Um ihre Pläne umsetzen zu können, brauchte die DFL bei der Abstimmung der 36 Profi-Klubs eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Und die gab es mit 24 Ja-Stimmen gerade so. „Wir fordern die DFL-Führung auf, endlich die Proteste in den deutschen Stadien ernst zu nehmen und in daraus folgender Konsequenz umgehend eine offene und damit transparente Neuabstimmung zum DFL-Investoren-Deal einzuleiten. Alleine, um die konsequente Einhaltung und Achtung der 50+1 Regel unter Beweis zu stellen, ist eine Neuabstimmung alternativlos“. formuliert Unsere Kurve.

So würde ein Investoren-Deal aussehen

Die Abstimmung im vergangenen Dezember war bereits die zweite zum Thema Investoreneinstieg. Im Mai hatten die Klubs die Pläne abgelehnt. Die hauchzarte Zustimmung im zweiten Anlauf legitimiert die DFL zur Verhandlung mit möglichen Investoren. Sie will die Medienrechte an eine Tochter auslagern. Im Gegenzug sollen von dem Investor über mehrere Jahre 900 Millionen bis eine Milliarde Euro zurückfließen.

600 Millionen Euro davon will die DFL investieren, um das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. Etwa soll die Digitalisierung vorangetrieben werden, eine Streamingplattform und weitere internationale Büros sollen entstehen. Insgesamt 20 Maßnahmen sieht die DFL vor. 100 Millionen Euro sollen genutzt werden, um den Klubs Auslandsreisen in potenzielle Märkte schmackhaft zu machen. Die restlichen 300 Millionen sind dann ein Puffer. Der künftige Partner würde schließlich ad hoc an den Medieneinnahmen beteiligt werden – aktuell etwa mit einer Summe von 104 Millionen Euro pro Saison (bei achtprozentiger Beteiligung). Nach dem gültigen Verteilungsschlüssel würden die 300 Millionen dann an die Klubs ausgeschüttet, um Mindereinnahmen auszugleichen. Wie weitreichend die Entscheidung ist, zeigt die angepeilte Laufzeit der Partnerschaft. 20 Jahre lang soll der Deal laufen.

Eintracht Braunschweigs Fanabteilung positioniert sich

Ein Konzept, das in den Fankurven auf wenig Gegenliebe stößt. Unter anderem besteht die Befürchtung, der Investor könnte entgegen der Verlautbarungen doch Einfluss auf sportlichen Wettbewerb, Anstoßzeiten oder Spielorte nehmen. Des Weiteren würde die Ungleichbehandlung noch weiter zunehmen. Außerdem prangern die Anhänger die zunehmende Kommerzialisierung als Folge ungesunden Wirtschaftens an. „Im Gegensatz zu den Behauptungen in der Presseerklärung der DFL kommt die Vermarktungspartnerschaft allenfalls den großen Klubs zugute. Gewinne sind theoretisch möglich, aber anders als beschrieben nicht garantiert, insbesondere nicht für Zweitligisten wie Eintracht Braunschweig. Das heißt konkret: Die Schere zwischen großen und kleinen Klubs wird durch diese möglichen Gewinne immer weiter wachsen“, sagt Mario Goldmann, Leiter der Fanabteilung Eintracht Braunschweigs.

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    Nun kam auch noch das Handeln Marin Kinds bei der Abstimmung hinzu – um nur ein paar der Kritikpunkte zu nennen. Ein weiterer ist, dass die DFL die Belange der Fans bei den Planungen nicht berücksichtigt habe. In ihrem Statement schreibt die DFL: „Mitsprache durch Fans und Mitglieder in den Vereinen gehören wesentlich zum deutschen Fußball.“ Die Fans könnten erwarten, bei relevanten Entscheidungen konsultiert zu werden. „Dies war und ist rund um die Entscheidung für einen strategischen Vermarktungspartner der Fall“, heißt es weiter.

    Eintracht-Ultras: Meinungen der Fans wurden ignoriert

    Die Fans bestreiten diese Art der Teilhabe vehement. „Fakt ist, dass bei der Entscheidung hinsichtlich des Deals Meinungen der Fans ignoriert und bis zu den massiven Protesten der vergangenen Wochen auch nicht beachtet wurden“, heißt es in einem gemeinsamen Statement der deutschen Fanszenen, das auch auf der Website von Eintrachts Ultrabewegung Cattiva zu finden ist.

    Die Fans jedenfalls werden den Druck hochhalten. Schließlich seien ja auch sie Teil der Vermarktungsstrategie, wie die Anhänger an verschiedenen Stellen bemerken. Um die Stimmung in den Stadien wird Deutschland in vielen Ländern beneidet. Sie trägt entscheidenden Anteil an der Attraktivität der Ligen – auch für TV-Sender und Investoren.

    Ist eine Neuabstimmung möglich?

    Einige Vetreter deutscher Klubs haben ebenfalls den Druck auf die DFL erhöht. Der VfB Stuttgart, Union Berlin, VfL Osnabrück und auch 96 fordern eine neue Abstimmung. Dies sei „vom Grundsatz her“ auch möglich, sagt Sportrechtler Paul Lambertz der Deutschen Presse-Agentur. „Es braucht dafür eine Mitgliederversammlung.“

    Eintracht Braunschweig hatte im Dezember übrigens gegen die Investorenpläne gestimmt. Dies ist sicher auch ein Grund, weshalb die Form des Protests bei den Blau-Gelben bislang gediegen abläuft. Braunschweigs Ultras beschränken sich bislang auf kurze Stimmungsboykotts und Plakate. Andernorts dagegen läuft‘s nicht so moderat ab. In manchen Stadien flogen bereits Gegenstände auf das Spielfeld. „Wir solidarisieren uns mit den umfangreichen Protesten in den Fankurven der letzten Wochen. Wir fordern die DFL-Führung auf, endlich die Proteste in den deutschen Stadien ernst zu nehmen. Eine offene und transparente Neuabstimmung zum DFL-Investor ist überfällig“, sagt Goldmann. Ruhig wird es in den kommenden Wochen ganz sicher nicht.