Langenhagen. Im Wald bei Langenhagen hofft man, den Leichnam von Karsten M. aus Liebenburg zu finden

Die Hoffnung bei der Witwe ist groß, endlich, nach eineinhalb Jahren des Suchens, den Leichnam ihres Mannes zu finden, hier im düsteren Wald bei Langenhagen. Eineinhalb Meter tief im Waldboden stoßen sie auf einen Schuh. Ein dunkler Herrenschuh, verkrustet von Erde. Der Sohn des vermutlichen ermordeten Karsten M. hört kurz auf zu graben und legt den Spaten beiseite. Um ihn herum stehen seine Mutter und deren beste Freundin. Sie starren auf das Loch, während gefrorener Regen vom Himmel fällt.

Sie graben nicht weit entfernt von dem Ort, an dem der mutmaßliche Mörder von Karsten M. jahrelang arbeitete. Wo er sich auskennt und die Leiche versteckt haben könnte. Seit dem 13. April 2021 sucht man nach ihr. Dem Tag, an dem Karsten M. aus Liebenburg (Kreis Goslar) von einem engen Freund ermordet worden sein soll.

Doch die Hoffnung wird enttäuscht. Ein weiteres Mal. Der Schuh wurde hier, unweit eines Parkplatzes im Kananoher Forst, entsorgt – wie jede Menge anderer Müll. Ein anderes Exemplar liegt wenige Meter weiter.

Dabei schien der neue Hinweis einer Zeugin so vielversprechend. Eine Heilpraktikerin hatte sich vor wenigen Wochen bei der Polizei gemeldet. Sie war auf den Fall aufmerksam geworden und meinte, an einem Tag im April 2021 etwas Auffälliges bemerkt zu haben: Einen weißen Kastenwagen mit dem mutmaßlichen Mörder darin. So einen Wagen hatte der Verdächtige nach dem Verschwinden von Karsten M. gemietet. „Er wirkte sehr wütend, als er uns bemerkte“, schildert die Zeugin. So früh am Morgen mitten im Nirgendwo habe er sich wohl unbeobachtet gewähnt. Kurze Zeit später will sie am Rande des Parkplatzes einen großen Müllsack gesehen haben, mit Absperrband der Polizei umwickelt. „Und einen seltsamen Geruch.“ Beim nächsten Mal sei der Sack dann weg gewesen.

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Auf ihren Hinweis hin war die Polizei Goslar mit einem Leichenspürhund angerückt. Das Tier schlug an, die Beamten gruben. „Es konnte lediglich ein alter Koffer entdeckt werden, der augenscheinlich nichts mit der Tat zu tun hatte“, berichtet Christian Wolters von der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Doch weil die Zeugin nach der ersten Meldung meinte, sich auch noch an eine Baustelle zu erinnern, steht die Familie des Opfers am Freitag selbst hier im Wald.

Diese Baustelle hätte große Relevanz: Denn die Polizei nimmt an, dass der mutmaßliche Täter Bauzaunelemente nutzte, um den Leichnam zu verstecken. Irgendwo im Umkreis von 80 Kilometern rund um den Tatort im Nordharz. Ein riesiges Gebiet. Entsprechende Käufe hatte er kurz nach dem Verschwinden des Opfers getätigt. Wozu er die Zäune nutzte, dazu schwieg der Mann auch im Prozess vor dem Braunschweiger Landgericht, das trotz des Fehlens der Leiche mit einem Schuldspruch wegen Mordes endete, der jedoch noch nicht rechtskräftig ist.

Die Zeugin hatte sogar einen Minibagger und Helfer organisiert. Sie suchen an Stellen, an die sie sich zu erinnern meint. „Hier muss die Baustelle gewesen sein“, sagt die Zeugin. Doch auch dort findet sich nichts.

Zeugin: „Es tut mir so leid“

Polizei und Staatsanwaltschaft hatten in mehr als 40 Sucheinsätzen mit großem Personal- und Materialeinsatz nach dem Leichnam geforscht. Seit der Verurteilung des mutmaßlichen Mörders im Sommer dieses Jahres gehen die Behörden nur noch konkreten Hinweisen nach. „Nach unserer Einschätzung bestehen derzeit keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze mehr“, sagt Christian Wolters, Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft.

Die Familie will weitermachen, auf eigene Faust. Systematisch identifizieren sie, welche Bereiche infrage kommen. Unterstützt von rund 200 Freiwilligen sucht man diese seit Monaten ab. Bis nach Hannover haben Menschen vom Schicksal der Familie aus Liebenburg gehört. Unter der Adresse „findet.karsten@outlook.de“ melden sie sich, um zu helfen.

Im Wald bei Kananohe bricht die Dunkelheit herein. Wenig später fällt der erste Schnee des Winters. Nach zwei Stunden Suche ist die große Hoffnung erstarrt. Die Zeugin versucht angestrengt, sich an die Erlebnisse aus dem Vorjahr zu erinnern. „Vielleicht war es auch hier?“

Was sie wirklich sah, was sie später las und zu erinnern meint, verschwimmt. „Damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Jetzt bereue ich, letztes Jahr nicht gleich die Polizei gerufen zu haben“, erklärt sie der Witwe. „Es tut mir so leid.“