Braunschweig/Salzgitter. In Salzgitter wird fünfmal auf einen Mann geschossen. Vor dem Landgericht begann der Prozess gegen einen 33-jährigen Muslim aus Salzgitter.

Fünf Schüsse, kurz darauf ist er tot. Weil er eine Frau liebte, die er nicht lieben sollte? Die Kugeln eines Revolvers treffen Milad A. (25) in einem dunklen Hinterhof in Salzgitter-Lebenstedt. Der junge Iraker ist dabei, das Auto abzuschließen und telefoniert mit seiner Mutter. Eine Stunde später erliegt er seinen Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig glaubt: Es war ein „Ehrenmord“ – der Christ katholischen Glaubens starb, weil er mit einer Muslima aus Syrien liiert war.

33-Jähriger lauert Opfer auf

Am Montag begann am Braunschweiger Landgericht der Mordprozess gegen den 33-jährigen Bruder der Frau. Er soll dem Opfer am Abend des 26. Januar auf dem Parkplatz zwischen zwei Autos aufgelauert und aus einem Meter auf ihn gefeuert haben -- weil seine kurdisch-islamische Familie die Liebesbeziehung über religiöse Grenzen hinweg nicht tolerierte. Als er kurz zuvor die elterliche Wohnung verließ, habe er erklärt, „die Ehre der Familie wiederherzustellen“, heißt es in der Anklage.

Auch Schwester sollte sterben

Der 33-Jährige kündigte an, auch seine Schwester zu töten, weil sie „vom Glauben abgefallen“ ist, trug Staatsanwalt Christian Wolters vor. Sie besuchte mit ihrem Freund und dessen Mutter christliche Gottesdienste und erwog offenbar zu konvertieren.

Der mutmaßliche Schütze schweigt zu den Vorwürfen. Er war am Tag nach dem tödlichen Angriff unter dringendem Tatverdacht festgenommen worden. Der Prozess findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Freundin des Opfers und dessen Mutter befinden sich im Zeugenschutzprogramm.

Die Tatwaffe bleibt verschollen. Doch der Staatsanwaltschaft zufolge belastet ein Bündel von Indizien den 33-Jährigen: So fanden sich Schmauchspuren an seinen Händen. Zudem wollen Zeugen ihn am Tatort gesehen haben, eine Überwachungskamera nahm Bilder in dem schummrigen Hinterhof auf, auf denen er zu sehen sein soll.

Vater droht späterem Opfer

Bereits im Vorfeld der Tat hatte die Tochter ihre Familie verlassen, um mit dem späteren Opfer zusammenleben zu können, sagte Staatsanwalt Wolters. Seine Eltern und der Angeklagte hätten daraufhin den Friseursalon des jungen Irakers aufgesucht. Der Vater soll gedroht haben: Beendet er die Beziehung nicht, tötet man ihn. Als das Paar weiter beisammen blieb, fragte der 33-Jährige laut einem Zeugen nach einer Pistole und kündigte den Mord an. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft sieht gleich zwei Mordmerkmale als erfüllt an: Heimtücke und niedrige Beweggründe. Dem Angeklagten stehen drei Anwälte zur Seite. Darunter der Strafverteidiger Steffen Stern. Er agierte etwa im Verfahren um den Göttinger „Organspende-Skandal“. 29 Zeugen und vier Sachverständige sind bisher geladen. Die Schwurgerichtskammer hat neun Verhandlungstage angesetzt. Demnach wäre Ende Oktober mit einem Urteil zu rechnen.

Einen ausführlichen Bericht gibt es hier.

Nicht die erste Tat in Salzgitter

Die Tat schockierte die Stadt erneut, weil es in der Vergangenheit mehrere Tötungsdelikte gegeben hatte. Im Mai 2018 war eine 30-Jährige erschossen worden – das tödliche Ende eines Sorgerechtsstreits. Im Mai 2016 wurde ein 58 Jahre alter Mann in einer Obdachlosenunterkunft getötet. Drei Monate zuvor war eine schwangere 18-Jährige in ihrer Wohnung in Salzgitter-Lebenstedt erstochen worden.